Ihn lockte die Prärie Kanadas

Ilderton/St Wendel · Das Deutsche Auswandererhaus in Bremerhaven sucht Geschichten von saarländischen Auswanderern. Hans Scheib ist einer von ihnen: Mit 35 Dollar in der Tasche begann er 1960 in Kanada ein neues Leben.

 Der gebürtige St. Wendeler Hans Scheib (rechts), der heute in Kanada lebt, mit seinem Bruder Kurt. Foto: privat

Der gebürtige St. Wendeler Hans Scheib (rechts), der heute in Kanada lebt, mit seinem Bruder Kurt. Foto: privat

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Am 10. August 1960 verließ Hans Scheib seine Heimat Winterbach bei St. Wendel und zog in die Ferne. "Gründe dazu gab es mehrere", schreibt der Saarländer, Jahrgang 1940, der heute in Ilderton in der kanadischen Provinz Ontario lebt. Scheib hat nach einem SZ-Auswanderer-Aufruf einen Brief an unsere Zeitung geschickt - und der hat dem Deutschen Auswandererhaus in Bremerhaven so gut gefallen, dass die Scheib-Story in die Sammlung aufgenommen wurde. "Sie zeigt wichtige Aspekte der Auswanderung", sagt Tanja Fittkau, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Museums. "Außerdem haben wir damit eine Biografie aus Kanada." Solche seien seltener als die aus dem klassischen Auswandererland USA.

Nach Kanada zog es Hans Scheib vor über 50 Jahren, als sich der gelernte Maurer nach der Musterung an die Worte des Vaters erinnerte: "Als er heil aus dem Krieg nach Hause gekommen war, schwor er immer wieder, dass keiner seiner Söhne je ein Gewehr anfassen würde." Scheib erinnert sich an die Abfahrt am Bahnhof St. Wendel. "Mein Vater sagte zu mir: ,Wenn es dir schlecht geht, schreib uns.'" Die Worte machten Eindruck: "Ich bin überzeugt, dass dies der Grund ist, warum ich nie Heimweh hatte." Er ging auch wegen der "Abenteuerlust" - es lockten Geschichten über die "unendliche Prärie Kanadas", von "Rockys, Urwäldern und Niagarafällen". Die hatte der fantasievolle "Bäcker Lui" in Winterbach der Dorfjugend erzählt. "Gelogen hatte er nicht", schreibt Scheib.

Auf dem ehemaligen Truppen-Passagier-Schiff Arkadia kam Scheib am 22. August 1960 in Quebec an. Wenig später landete er in London/Ontario. "Dort angekommen, musste ich unbedingt Arbeit finden. Ich hatte nur noch 35 Dollar in der Tasche", berichtet Scheib, der als Betonbauer in Saarbrücken und Neunkirchen gearbeitet hatte. Er fand Arbeit, fing an für 85 Cent pro Stunde, später ging es "aufwärts". Auch mit der Sprache. "Alles, was ich konnte, waren Überbleibsel von den amerikanischen Soldaten, die wir als Kinder ansprachen." In der Abendschule lernte er Englisch, was ihm den beruflichen Aufstieg erleichterte - und er lernte ein "Mädchen" kennen. Heidi Mergenthaler aus Mutterstadt in der Pfalz. Es war "Liebe auf den ersten Blick". Am 23. September 1963 heiratete das Paar. Später machte sich Scheib selbstständig, blieb in der Baubranche. Die Scheibs bekamen zwei Söhne. Inzwischen haben sie auch vier Enkel, die Großfamilie lebt im eigenen Haus.

Integriert in Kanada war Scheib schnell, so auch im Deutschen Club - mit Schützenverein, Chor und Theater. "Auch das ist das Typische und Schöne an der Geschichte", sagt Museums-Mitarbeiterin Fittkau. "Die Auswanderer fühlen sich wohl in der neuen Heimat, aber sie behalten ihre Traditionen bei." Ähnlich beschreibt es Scheib. Er blicke zufrieden auf eine "Menge Höhepunkte" in Kanada zurück. Aber den Kontakt nach St. Wendel habe er nie verloren.

Die saarländischen Geschichten liegen zunächst im Archiv des Deutschen Auswandererhauses; ihre Aufbereitung läuft noch. Möglicherweise werden sie nach Angaben des Museums einmal ausgestellt.

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