Interview mit Heiko Maas „Ich weiß, wie man aus Berlin helfen kann“

Saarbrücken · Wie SPD-Landeschef Heiko Maas seinem Bundesminister-Kollegen Peter Altmaier den Saarlouiser Wahlkreis abjagen will.

Sommer in Saarbrücken mit Blick aufs Staatstheater: Was dort gespielt wird, interessiert Bundesjustizminister und SPD-Landeschef Heiko Maas immer noch so wie zu seinen Zeiten als reiner Landespolitiker. Auch wenn privat die Leidenschaft vor allem dem Film gilt.

Sommer in Saarbrücken mit Blick aufs Staatstheater: Was dort gespielt wird, interessiert Bundesjustizminister und SPD-Landeschef Heiko Maas immer noch so wie zu seinen Zeiten als reiner Landespolitiker. Auch wenn privat die Leidenschaft vor allem dem Film gilt.

Foto: BeckerBredel

Heiko Maas hat wieder mehr als bloß einen Koffer im Saarland. In Elm hat der Bundesjustiz- und Verbraucherschutzminister und SPD-Landeschef einen festen Anlaufpunkt, wenn er im Saarland unterwegs ist. „Als Operationsbasis“, sagt der bald 51-Jährige. Schließlich tritt er im Wahlkreis 297 (Saarlouis), seiner alten Heimat, zum Minister-Duell gegen seinen Kabinettskollegen, Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU), ums Direktmandat an; im spannendsten Wahlkreis Deutschlands.

Ist das nicht bitter? Jetzt verfügen Sie über den maximal möglichen Bonus, die Popularität eines Bundesministers, und dann haben Sie just Ihren Kabinettskollegen Peter Altmaier als Gegner.

Maas Ich komme nun mal von hier, ich will auch nirgendwo anders kandidieren. Das hat auch mit Ehrlichkeit zu tun. Und Peter Altmaier kommt halt auch von hier. Dann ist es eben so. Zudem ist eine meiner großen Leitfiguren in der Politik immer Ottmar Schreiner gewesen, der diesen Wahlkreis ja gewonnen hatte. Erst mit dem Aufkommen der Links-Partei ging der Wahlkreis dann an Peter Altmaier. Und ich will jetzt den Wahlkreis von Ottmar Schreiner für die SPD zurückholen.

Sie sitzen mit Peter Altmaier gemeinsam am Kabinettstisch, haben Sie da mal darüber geredet, wie Sie beide den Wahlkampf hier anpacken? Gibt‘s eine Art Gentlemens‘ Agreement?

Maas Wir sehen uns ja ständig – nicht nur im Kabinett, sondern auch hier bei Fassanstichen und Viezfesten. Wir sehen uns übrigens häufiger auf den Straßen des Saarlandes als im Kanzleramt. Altmaier und ich kennen uns lange genug, um zu wissen, dass man nicht mit irgendwelchen Tricksereien gewinnt. Wir machen beide den Bürgern ein ehrliches Angebot auf der Basis des jeweiligen politischen Programmes, gehen anständig miteinander um. Die Wähler werden es am Ende entscheiden. Das Rennen ist offen, deshalb kämpfen wir um jede Stimme.

Was kann der Kandidat Maas im Wahlkreis 297 Besseres anbieten als der Kandidat Altmaier?

Maas Ob etwas besser ist, muss der Wähler entscheiden. Ich biete aber vor allem über 20 Jahre Landespolitik, die ich hier gemacht habe – in ganz vielen Funktionen, als Abgeordneter, früher als Umwelt- und zuletzt als Wirtschaftsminister. Ich weiß, wo es drückt und wie man aus Berlin dabei helfen kann – wie etwa geschehen bei der Reform des Länderfinanzausgleichs. Nichts für mich ist da neu.

Beide Parteien hier im Land, CDU wie SPD, weisen immer wieder gerne auf ihre Minister hin, die was fürs Saarland reißen. Wie reagiert man denn in Berlin auf das so gut vertretene Saarland?

Maas Das ist der blanke Neid, der uns entgegen schlägt, und der ist sowas von berechtigt, und ich genieße es in vollen Zügen.

Bis zur Landtagswahl im Saarland war der Schulz-Effekt noch in schönster Blüte, am Wahlabend waren die Gesichter dann aber bei der Saar-SPD lang. Hat man hier zu sehr auf den großen Hoffnungsträger gesetzt, statt die eigenen Meriten deutlich zu machen?

Maas Die SPD hat eine sehr gute Regierungsbilanz und die haben wir in unserem Wahlkampf auch zu Recht neben überzeugendem Personal in den Mittelpunkt gestellt.

Martin Schulz war schon sehr viel hier unterwegs als halber oder Viertelsaarländer...

Maas Das war auch gut und richtig. Auch wenn sich die andere Seite darüber mokiert hat, umgekehrt hätte sie es doch genauso gemacht. Und wir haben ja auch unsere Regierungsbilanz sehr deutlich gemacht. Aber sicher spielte die bundespolitische Großwetterlage und die Tatsache, dass es die erste Wahl im großen Wahljahr war und Martin Schulz da gerade als Kanzlerkandidat antrat, auch eine Rolle.

Minderte vielleicht auch Ihre Aufgabenteilung, Sie als SPD-Landeschef, Anke Rehlinger als Spitzenkandidatin, die Durchschlagskraft von Anke Rehlinger im Duell gegen Annegret Kramp-Karrenbauer?

Maas Wenn ich Ihre Zeitung lese, dann habe ich nicht den Eindruck, dass Anke Rehlinger zu kurz kommt...

Wir sehen das auch so, die Saar-SPD aber nicht immer...

Maas Anke Rehlinger ist die große Strukturpolitikerin dieses Landes und macht das großartig, sehr zielstrebig, sehr engagiert und mit großer Zustimmung. Die meisten anderen Landesverbände würden sich wünschen, dass sie eine solche Arbeitsteilung bieten können, nämlich einen Bundesminister und eine Landespolitikerin, die hier im Land die Fäden in der Hand hält. Deshalb ist das richtig gewesen, so in die Landtagswahl zu gehen.

Der Bundestagswahlkampf aber wirkt noch müde und zäh...

Maas Das wird sich jetzt schnell ändern.

Wann geht er denn endlich los?

Maas Bis vor kurzem habe ich bei all meinen Terminen in ganz Deutschland vor allem Urlaubsstimmung wahrgenommen. Aber jetzt, wo überall die Schule wieder losgegangen ist oder wieder losgeht, geraten die innenpolitischen Themen doch in den Fokus. Außerdem war ständig alles außenpolitisch überlagert: Was hat Trump wieder getwittert, was macht Erdogan, was ist in Nordkorea los?

Mit welchem Thema kann die SPD jetzt punkten?

Maas Die SPD wird immer mit ihrer Kernkompetenz Gerechtigkeit punkten können und müssen. Wir haben einen relativ hohen Wohlstand in Deutschland, aber wir haben auch Ungerechtigkeiten bei der Verteilung. Es gibt viele Leute, die hart arbeiten und die sich an die Regeln halten, die aber den Eindruck haben, es bleibt für sie nicht viel übrig. Und wenn sie in die Zukunft schauen, auf ihre Rente, haben viele Menschen Sorgen, obwohl sie hart geschuftet haben. Die Fragen der sozialen Gerechtigkeit, der wirtschaftlichen Stabilität, der Inneren Sicherheit – diese Themen werden jetzt den Wahlkampf bestimmen. Und da hat die SPD gute Argumente für sich.

Die außenpolitischen Themen können Sie aber nicht wegwischen – und Sie haben sich selbst auch zu Trump und seinen verqueren Äußerungen zu Wort gemeldet.

Maas Es ist ja mittlerweile bekannt, dass ich der Auffassung bin, dass es eben nicht reicht, nur eine klare Haltung zu haben, sondern dass man sie auch deutlich artikulieren muss. Ich glaube, das erwarten die Menschen auch von verantwortungsvoller Politik.

Kommen wir mal von dem großen Populisten zu den etwas kleineren. AfD und Pegida wirken deutlich gedämpfter als noch vor Monaten. Ist da der Zenit überschritten?

Maas Ich glaube nicht, dass das, was dort politisch vertreten wird, in irgendeiner Art abgemildert ist. Ich habe gerade gelesen, dass die „documenta“-Kunst als „entstellte Kunst“ bezeichnet wurde von der AfD. Die Radikalisierungstendenz in der AfD ist ungebrochen. Die Bemühungen der AfD-Spitzenkräfte, die Leute wie Björn Höcke in der Partei halten wollen, sagt doch klar, wo die Reise bei denen hingeht: nämlich zu einer völkischen Politik, die eine rassistische Grundlage hat. Wir müssen wachsam bleiben und die AfD weiter entlarven. Auch wenn aktuell nach Umfragen zum Glück immer weniger auf die AfD reinfallen.

Woran liegt das?

Maas Sicher beherrscht das Thema Flüchtlinge die Debatte nicht mehr so. Aber ich denke auch, dass die offensive politische Auseinandersetzung mit der AfD Früchte trägt.

Im Diesel-Skandal stehen Sie klar auf der Seite der betrogenen Autokäufer, sind für die Musterfeststellungsklage, mit der VW-Käufer gegen Volkswagen ihre Ansprüche anmelden könnten. Als SPD-Landes­chef und früherer Wirtschaftsminister im Autoland Saarland erwartet man Sie aber auch auf Seiten der Autoindustrie.

Maas Die Autoindustrie steckt in einer großen Vertrauenskrise. Ja, dabei geht es ganz besonders auch um Arbeitsplätze und unseren Industriestandort. Und genau deshalb fordere ich von den Autoherstellern einen ehrlichen und verbraucherfreundlichen Umgang mit ihren Kunden. Denn nur so kann Vertrauen zurückgewonnen werden, um Märkte und Absatzzahlen zu sichern. Die betroffenen Verbraucher sind betrogen worden. Aber wir leben in einem Rechtsstaat. Und in einem Rechtsstaat gilt das Verursacher-Prinzip: Der Kunde, der nichts dafür kann, darf auch nicht auf einem Cent des Schadens sitzen bleiben.

Das Gespräch führte
Oliver Schwambach

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