"Ich musste mich nach dem Rhythmus der Bildhauer richten"

Was geht nur langsam, Frau Bollinger?Bollinger: Als ungeduldige Filmemacherin habe ich Leo Kornbrust gefragt, wann es denn weitergeht. Seine Antwort war: "Meinst du, das ginge schnell, so eine Skulptur zu machen?" Da stand für mich fest, wie der Film heißen würde. Aber nicht nur die einzelnen Skulpturen für die Straße zu schaffen, geht nur langsam

 Leo Kornbrust und Regisseurin Gabi Heleen Bollinger vor der Kinoleinwand. Foto: Bonenberger & Klos

Leo Kornbrust und Regisseurin Gabi Heleen Bollinger vor der Kinoleinwand. Foto: Bonenberger & Klos

Was geht nur langsam, Frau Bollinger?Bollinger: Als ungeduldige Filmemacherin habe ich Leo Kornbrust gefragt, wann es denn weitergeht. Seine Antwort war: "Meinst du, das ginge schnell, so eine Skulptur zu machen?" Da stand für mich fest, wie der Film heißen würde. Aber nicht nur die einzelnen Skulpturen für die Straße zu schaffen, geht nur langsam. Ich habe mich von der offenen Idee Otto Freundlichs inspirieren lassen, weil auch ich, wie er, eine Welt ohne Ideologien bevorzugte. Solch eine Welt zu schaffen ginge auch nur langsam, da reichen keine 50 Generationen.

Der Film ist also ein Nein zu Ideologien?

Bollinger: Ganz genau. Er wirbt für eine offene Welt, die frei ist von Regeln, die inzwischen jeden Bereich beherrschen. Ein freies Spiel ist in dieser Welt nicht mehr möglich, als habe man kein Vertrauen in die Fantasie der Menschen.

Wie lange hat das Projekt denn gedauert?

Bollinger: Es war ein sehr langes Projekt. Ich musste mich nach dem Rhythmus der Bildhauer richten. Im Jahr 2000 hatte ich schon Hörfunkfeatures über Leo Kornbrust zu diesem Thema gemacht. 2003 habe ich mit der Recherche für meinen Film begonnen. Otto Freundlich hat Tausende Seiten geschrieben zu seiner Idee, in diese Bildhauerphilosophie musste ich mich zuerst einmal eindenken. 2005 haben wir angefangen zu drehen, in Sankt Wendel. Leo Kornbrust hatte damals ein großes internationales Bildhauerkolloquium einberufen, mit Bildhauern aus Deutschland, Luxemburg, Frankreich, aus Polen und der Schweiz.

Welche Limits hatten Sie sich für den Film gesetzt, zeitlich, finanziell?

Bollinger: Ich habe mir weder ein Limit für die Länge des Filmes gesetzt, noch dafür, wie viel Zeit ich dafür brauche. Ein finanzielles Limit musste es geben, es ist ja eine Low-Budget-Produktion; fünf Jahre lang haben wir unentgeltlich gearbeitet. Ich habe das Projekt selbst finanziert, Förderungen gab es von der Gesellschaft für staatsbürgerliche Bildung Saar, von Leader Plus und Kulani und den Saarland Medien.

Wie war es, mit Leo Kornbrust als Protagonisten zu arbeiten?

Bollinger: Er ist ein wunderbarer, offener Mensch, der den anderen Bildhauern mit sehr viel Respekt gegenübergetreten ist. Für meinen Film wollte ich ganz nah an ihn heran. Er ist langsam. Und das meine ich jetzt positiv. Auch wenn ich mich erst an sein Bildhauertempo gewöhnen musste. Er ist ein guter Protagonist. Er ist, wie er ist. Ich forme keine Menschen. Wenn er nicht springt, wie ich will, muss ich meine Idee ändern.

Ist der Film über die Straße Ihr Lebenswerk?

Bollinger: Es ist zumindest mein größtes Werk! Diese universelle Idee, diese Filmlänge, das habe ich noch nie gemacht. Und: Ich habe diesen Film nicht nur für Kunstfreunde gemacht, er ist für alle Menschen, auch diejenigen, die noch nie in einer Kunstgalerie waren.

Stichwort

"Das geht nur langsam" - der Film wird am heutigen Dienstag, 10. Mai, 20 Uhr, im NT-Kino in St. Wendel gezeigt. Leo Kornbrust und Gabi Heleen Bollinger sind vor Ort.

Völker miteinander verbinden wollte der deutsche Maler und Bildhauer Otto Freundlich (1887 bis 1943). "Die Straße des Friedens" nannte er sein Projekt, das er nie verwirklichen konnte. In den 1920er Jahren hatte er die Idee einer Völker verbindenden Skulpturen-Straße von Paris bis Moskau entwickelt.Die Nationalsozialisten stuften Freundlichs moderne, abstrakte Werke als entartete Kunst ein. Im Konzentrationslager Lublin-Majdanek haben die Nationalsozialisten den Bildhauer schließlich ermordet. Freundlichs Idee der Skulpturen-Straße quer durch Europa hat der Sankt Wendeler Bildhauer Leo Kornbrust 1971aufgegriffen: In seiner Heimatstadt Sankt Wendel entstand das erste Teilstück. Inzwischen stehen 133 Skulpturen auf dem Weg von Frankreich bis Russland. Gabi Heleen Bollinger hat aus Otto Freundlichs und Leo Kornbrusts Projekt einen Dokumentarfilm gemacht. kj

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