"Ich kann immer noch Musik machen, die knallt"

Ihre Schiffsverkehr-Tour beginnt am 17. Mai im Ausland. In der Stadt Lontzen in Belgien. Haben Sie eine besondere Beziehung zu dieser Stadt?Grönemeyer: Lustigerweise ja. Wir haben dort die Platte "Ö" (veröffentlicht 1988, Anm. der Redaktion) aufgenommen. Dazu hatten wir damals ein Haus gemietet und es mit einem Tonstudio ausgestattet. Das Schlagzeug stand in der Küche

 Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

Ihre Schiffsverkehr-Tour beginnt am 17. Mai im Ausland. In der Stadt Lontzen in Belgien. Haben Sie eine besondere Beziehung zu dieser Stadt?Grönemeyer: Lustigerweise ja. Wir haben dort die Platte "Ö" (veröffentlicht 1988, Anm. der Redaktion) aufgenommen. Dazu hatten wir damals ein Haus gemietet und es mit einem Tonstudio ausgestattet. Das Schlagzeug stand in der Küche. Sechs bis acht Wochen haben wir dort verbracht. Ich verbinde wunderbare Erinnerungen mit dieser Zeit. Die Gegend ist sehr charmant - Schmuggleridylle.

Lontzen ist nicht das einziges Ziel im Ausland auf Ihrer Tour. Sie spielen am 2. Juli in Luxemburg. Außerdem haben Sie schon in England auf der Bühne gestanden. Reizen Sie Konzerte außerhalb von Deutschland besonders?

Grönemeyer: Ja, es ist immer etwas Besonderes, wenn man ins Ausland geht. Speziell Luxemburg - ich gehe nicht davon aus, dass die Leute dort auf mich gewartet haben. Das ist besonders aufregend. Auch bei meinem letzten Konzert in Luxemburg 2007. Ich bin eher überrascht, wenn es funktioniert. Und beim letzten Mal in der Rockhal war das so.

Welche Erfahrungen haben Sie bei Ihrem letzten Konzert in England gemacht?

Grönemeyer: Ich wollte ausprobieren, wie das für die Engländer ist, wenn jemand vor ihnen steht, den sie gar nicht kennen. Ich wollte mit meiner Stimme überzeugen. Dafür hatte ich sehr wenig Zeit - drei Lieder. Es waren die Auftritte mit Jools Holland. Es war eine Herausforderung. Jetzt planen wir gerade eine englischsprachige Platte.

Gibt's noch weitere Länder, in denen Sie auftreten möchten?

Grönemeyer: Mein Traum war immer eine Tour unter dem Motto "Von Lissabon bis Libanon". Leider habe ich noch niemanden gefunden, der das finanzieren will (lacht). Es ist aber genauso schön, in Deutschland Konzerte zu geben. Man geht auf die Bühne und die Leute kennen mich.

Wie ist eigentlich angesichts der Eurokrise die Stimmung in England? Sie leben dort bereits seit zwölf Jahren. Frau Merkel ist dort zurzeit nicht gerade beliebt?

Grönemeyer: Als Deutscher hat man dort überhaupt keine Probleme. Im Gegenteil: Die Engländer bewundern Deutschland. Sie mögen deutsche Autos. Aber die Engländer denken komplett anders: Ihr System basiert im Prinzip auf Verschuldung. Direkt wenn sie noch jung sind, steigen sie ins Immobiliengeschäft ein. Jeder kauft sich ein Haus. Das kennen wir so nicht. Bei uns mietet jeder und kauft irgendwann.

In England denkt man so: Wenn die Immobilienpreise steigen, kann man seine Schulden bezahlen und macht sogar noch Gewinn. Funktioniert das nicht, kollabiert das gesamte System. Dann werden die Engländer hysterisch. Das Land wirbt immer noch mit Krediten, damit junge Leute zum Kaufen animiert werden. Die Denkweise ist komplett anders. Dafür sind sie aber auch viel eigenverantwortlicher, nervlich stärker. Die brauchen den Staat nicht. Wenn wir deren Probleme hätten, hätten wir uns vielleicht schon längst erhängt.

Sie haben als Vorgruppe dieses Jahr eine junge Hip-Hop-Band im Gepäck: die Orsons. Suchen Sie immer wieder nach neuen Elementen in der Musik?

Grönemeyer: Ich hab nicht mehr dieses Junge, Ungestüme eines 25-Jährigen. Trotzdem kann ich in meinem Alter immer noch Musik machen, die knallt. Durch mein Plattenlabel bin ich ständig auf der Suche nach jungen Künstlern. Die Orsons hat meine Tochter angeschleppt. Die kennt sich in diesem Genre besser aus als ich. Clueso 2007 war damals auch ihr Vorschlag.

Ihr neues Album "Schiffsverkehr" unterscheidet sich in seiner Machart von seinen Vorgängern. Was hat das ausgelöst?

Grönemeyer: Ich habe Bilanz gezogen. "Bleibt alles anders", "12" und "Mensch" - das war eine Trilogie. Und dann hab ich entschieden: Das reicht jetzt. Das neue Album sollte eher gitarrenlastiger werden. Zum Teil simpler, zum Teil härter. Es war wichtig für mich, wieder etwas Neues anzufangen. Wir haben bei den letzten Konzerten zehn Stücke der neuen Platte gespielt, drumherum die alten Lieder. Das machen wir sonst nie. Wir gehen immer davon aus, dass die Menschen alle auf "Männer" warten, aber diesmal haben sie sich gefreut. Das hat man an der Reaktion gemerkt. Und ich muss sagen: Es war die beste Tour, die wir bis jetzt gespielt haben.

Spricht aus dem Titel Ihre Sehnsucht nach dem Meer?

Grönemeyer: Meine Mutter kommt aus einer Hansestadt, meine Vorfahren aus Norddeutschland. Zudem war ich früher oft in Holland im Urlaub. Das Meer hat etwas Besonderes, etwas Rauhes, Lebensbejahendes. Ich hatte schon immer eine große Affinität zum Meer. Für mich bedeutet es Freiheit. Das Wort Schiffsverkehr ist mir aber aus heiterem Himmel eingefallen. Da hat mich nicht die Muse geküsst.

Wird sich die Fortsetzung Ihrer Tour in diesem Jahr von der Open-Air-Tour unterscheiden?

Grönemeyer: Der Unterschied wird nicht groß sein. Wir haben immer im ersten Jahr die Großstädte gespielt und danach wie immer geschaut, wo wir noch nicht waren. Im zweiten Jahr ist der Druck geringer, man kann etwas verspielter sein. Die Platte hat sich dann auch bei den Leuten gesetzt. Vielleicht wollen wir noch mal ein paar Lieder raussuchen, die wir beim letzten Mal nicht gespielt haben.

Gibt es ein Lied, das Ihnen persönlich ans Herz gewachsen ist?

Grönemeyer: Meistens freue ich mich besonders über die Lieder, die anfangs gar nicht so bekannt waren, so wie "Land unter". Das war nur in Holland in den Charts. Oder von der neuen CD "Wäre ich einfach nur feige".

Welche Lieder dürfen für die Fans auf keinen Fall fehlen?

Grönemeyer: Für die Fans in Bochum: "Bochum". (lacht und überlegt) In Österreich ist "Ich hab dich lieb" sehr beliebt. In Deutschland spiele ich das gar nicht. Das ist auf meiner zweiten Platte "Zwo" (1980, Anm. der Redaktion). Die kenne ich schon gar nicht mehr.

Die Stadt Bochum ist wahrscheinlich Standard auf der Tourliste, oder? Schließlich sind Sie dort aufgewachsen.

Grönemeyer: Letztes Jahr haben wir nur in Gelsenkirchen gespielt. Dieses Jahr sind wir in Bochum. Ich habe das Gefühl, die Leute dort werden immer kritischer. Beim letzten Mal wurde schon gefragt, warum ich in Bochum nur ein Konzert gegeben habe. Die Ruhrgebietler haben manchmal eine etwas stoische Art. Aber Bochum gehört natürlich dazu. Auch wenn der Fußball dort nicht mit Glück gepflastert ist. Mit vier Jahren war ich dort das erste Mal im Stadion. Und dann war mein größter Traum, Fußballer zu werden. Musiker bin ich dann geworden, damit ich auch mal ins Stadion darf.

Kommt Ihre Knie-Verletzung auch vom Fußball?

Grönemeyer: Das ist eine Folge der letzten Tour. Der Meniskus ist kaputt. Das innere Kreuzband war schon viermal gerissen. Das Ding ist ziemlich marode.

Sie waren im Osten nicht nur in Berlin, sondern auch in Leipzig. Dieses Jahr geht's nach Dresden. Sind die Konzerte dort anders?

Grönemeyer: Wir haben ein besonderes Verhältnis zum Osten, weil wir uns gesträubt haben, in der DDR zu spielen. Das erste Mal waren wir dort nach der Wiedervereinigung. Das Verhältnis ist deshalb frischer und jünger. Die Stimmung ist anders. Man kennt sich noch nicht so lange. Es ist noch etwas Besonderes.

Muss ein Künstler leiden, um richtige Kunst zu schaffen?

Grönemeyer: Nicht unbedingt. Wenn man meine Alben durchgeht: Ich hab "Bochum" geschrieben, da ging es mir prächtig. Ich habe "Ö" geschrieben, da ging es mir noch prächtiger. Ich habe "Mensch" geschrieben, da ging es mir sehr schlecht. Aber ich glaube, das ist Quatsch. Eine Platte ist wie ein Kuss. Nicht jeder Kuss ist der Knaller. Das weiß man vorher aber nicht. Man küsst trotzdem. Und irgendwann ist der 17. wieder tierisch toll. Und so geht man daran. Man küsst auch nicht schlechter, wenn man traurig ist. Ich glaube, das ist zu einfach. Wenn man traurig ist, entstehen eben nachdenkliche Platten, wenn man glücklich ist, entstehen sehr euphorische. Und man kann ja nicht darauf warten, dass man leidet. Nach dem Motto: Ich setz mich jetzt mal auf den Stuhl und warte - das kann doch Jahre dauern. Und dann mach ich eine Platte und dann wird die nix. Die Band hat den Antrieb sowieso. Wir haben halt nichts anderes gelernt und deshalb machen wir Musik. Das ist wie ein Architekt, der Pläne malt.

Stehen 2012 noch andere Projekte an? Vielleicht die "Sendung mit der Maus" nach Ernie und Bert?

Grönemeyer: Nein, also das war schon ein Highlight. Der Auftritt mit Ernie und Bert in der "Sesamstraße" ist nicht zu toppen. Bis jetzt steht außer der Tour nichts anderes an.

Wie war die Resonanz auf Ihren Auftritt in der Sesamstraße Anfang Dezember?

Grönemeyer: Ich habe bis jetzt ausschließlich Lob für den Auftritt bekommen. Ich glaube, auch bei Youtube haben sich das viele Leute angeschaut. Ich habe damals zugesagt und kurz später gedacht: Was hast du denn jetzt wieder zugesagt?

Bei der Sendung hatte ich Tränen vor Lachen in den Augen. So zwischen Ernie und Bert zu sitzen, und wenn Bert mich ankuckte und die Augenbaue so hochzieht. Ich habe jedes Mal wieder losgeprustet. Mit Puppen zu spielen ist etwas anderes. Man muss aufpassen, dass man nicht so besonders auf dufte macht.

Denken Sie manchmal, jetzt ist bald Schluss?

Grönemeyer: Nein, das ist wie beim Küssen.

Konzert in luxemburg:

Am Montag, 2. Juli, kommt Herbert Grönemeyer in die Rockhal nach Esch-sur-Alzette/Luxemburg. Karten gibt es im Internet unter www.rockhal.lu und per Telefon (0 68 61) 93 99 80.

"Eine Platte ist wie ein Kuss. Nicht jeder Kuss ist der Knaller. Das weiß man vorher aber nicht. Man küsst trotzdem. "

 Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

 Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

 Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

 Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

 Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

 Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

 Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

 Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

 Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

 Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

 Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

 Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

Mit seinem jüngsten Album "Schiffsverkehr" wollte Grönemeyer etwas Neues schaffen. Es unterscheidet sich bewusst von seinen Vorgängern. Foto: Jan Woitas/dpa

 Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

Seinen Auftritt mit Ernie und Bert in der Sesamstraße kann man sich auch im Internet auf dem Videoportal Youtube ansehen. Foto: NDR

 Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

Sehnsucht nach dem Meer: Als Kind hat Grönemeyer seinen Urlaub oft in Holland verbracht. Foto: Kultopolis

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