"Ich habe zwei Familien sterben sehen"

Dudweiler. "Ich habe viele Probleme", sagt Salim (Name von der Redaktion geändert) immer wieder. Der junge Mann ist aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Er hat viel auf seiner Odyssee durchgemacht, die schließlich im Saarland endete. Am 10

 Gerhard Koepke, Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost (Zweiter von links), hatte zu der Andacht "Ohne Ansehen der Person" ins Oberlinhaus in Dudweiler eingeladen. Foto: Becker&Bredel

Gerhard Koepke, Superintendent des Kirchenkreises Saar-Ost (Zweiter von links), hatte zu der Andacht "Ohne Ansehen der Person" ins Oberlinhaus in Dudweiler eingeladen. Foto: Becker&Bredel

Dudweiler. "Ich habe viele Probleme", sagt Salim (Name von der Redaktion geändert) immer wieder. Der junge Mann ist aus Afghanistan nach Deutschland geflüchtet. Er hat viel auf seiner Odyssee durchgemacht, die schließlich im Saarland endete. Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, kam Salim auf Einladung des evangelischen Kirchenkreises Saar-Ost ins Oberlinhaus nach Dudweiler. Wir sprachen mit ihm über sein Schicksal."Ich hatte alles", sagt Salim und denkt an die Vergangenheit und seine Familie zurück. Doch als sein Vater, ein Polizist, zusammen mit einer Schwester erschossen wird, entschied die Mutter, dass Salim fliehen muss. "Wir haben Feinde. Sie wollte nicht, dass ich das Schicksal meines Vaters teile", sagt er. Grundstücke wurden verkauft, um die Reise zu finanzieren. Wenig später begann die Flucht in einem Laster Richtung iranische Grenze.

Salim war 17, als er seine Familie verlassen musste. Im Iran versteckte er sich eine Zeit lang vor den Behörden, ohne Pass fürchtete er, ständig geschnappt zu werden. Sein nächstes Ziel war die Türkei. Zu Fuß ging er über die Grenze, heimlich über einen Bergpass. In Istanbul angekommen, meldete Salim sich bei seiner Mutter. "Ich wusste nicht, was ich tun sollte", erklärt er. Und wieder kam der Mann ins Spiel, der ihn bereits in den Iran gebracht hatte. Diesmal sollte Salim in einem Boot nach Griechenland übersetzen. "Es waren zwei Kutter, gebaut für vielleicht sechs Personen. 30 Menschen waren jeweils darauf. Eines der Boote ging bei der Überfahrt kaputt. Ich habe zwei Familien im Wasser sterben sehen", berichtet Salim. Die griechische Polizei habe ihn aufgegriffen. Drei Tage habe er im Gefängnis verbracht. "Dann nahm man meine Fingerabdrücke, und ich durfte gehen." In einem Park traf er weitere Afghanen. Mit ihnen lebte er auf der Straße, bis seine Mutter wieder den Kontakt zum Schleuser herstellte.

Sechs Monate versteckte er sich bei ihm, bevor die Reise mit dem Boot nach Mailand weiterging. 100 Personen waren mit ihm an Bord, schätzt Salim - für 30 wäre Platz gewesen. Die italienische Küstenwache fand ihn, und wieder musste der junge Afghane drei Tage lang ins Gefängnis. Dann brachte der Schleuser ihn nach Paris, wo er in den Zug in Richtung Saarbrücken stieg. Warum gerade in diesen Zug? "Wegen der Rechte, die man in Deutschland hat", sagt Salim. An der Grenze griffen ihn deutsche Beamte auf. Fünf Monate verbrachte er im Auffanglager in Lebach und lernte Deutsch, doch dann sollte er nach Italien abgeschoben werden. "Nachts um 3 Uhr kam die Polizei und brachte mich an den Frankfurter Flughafen. Verzweifelt fing ich dort an, mich mit den Beamten zu streiten. Eine Frau rief meinen Anwalt an, doch mir blieb keine Chance." In Mailand lebte er wieder auf der Straße, dann fuhr er erneut nach Saarbrücken. Salim: "Ich hatte kein Geld und nichts zu essen." Hier lernte er eine Pfarrerin kennen, die ihm zunächst Kirchenasyl gewährte. Einen Monat später wurde sein Asylantrag anerkannt. Seit drei Jahren lebt er im Saarland. Er hat Freunde und auch eine Partnerin gefunden, doch seine Erlebnisse hätten Spuren hinterlassen. Nervenprobleme und die Gedanken an seine Familie begleiten ihn: "Ich freue mich, in Deutschland zu leben, aber ich sorge mich jeden Tag mehr um meine Familie. Ich habe viele Probleme."

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