"Ich bin endlich am Ziel"

Saarbrücken. Immer wieder muss Bao Anh Gabriel Mai (25) lachen. Ganz unvermittelt und herzlich. "Weil ich einfach glücklich bin", erklärt der gebürtige Vietnamese. Der Grund zur Freude ist seine deutsche Einbürgerungsurkunde, die er jetzt im Rathaus St. Johann bekommen hat. Vier Jahre hat er auf seinen deutschen Pass gewartet. Im Rückblick erscheint ihm die Wartezeit nicht lange

 In vier Ländern hat Bao Anh Gabriel Mai schon gelebt. Im Saarland hat er jetzt seine Heimat gefunden. Foto: Iris Maurer

In vier Ländern hat Bao Anh Gabriel Mai schon gelebt. Im Saarland hat er jetzt seine Heimat gefunden. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Immer wieder muss Bao Anh Gabriel Mai (25) lachen. Ganz unvermittelt und herzlich. "Weil ich einfach glücklich bin", erklärt der gebürtige Vietnamese. Der Grund zur Freude ist seine deutsche Einbürgerungsurkunde, die er jetzt im Rathaus St. Johann bekommen hat. Vier Jahre hat er auf seinen deutschen Pass gewartet. Im Rückblick erscheint ihm die Wartezeit nicht lange. "Möglich, dass es daran liegt, weil ich nun endlich am Ziel bin. Ich habe hier mein Zuhause gefunden." Für das Gefühl von Heimat hat er lange gekämpft. "Manchmal wusste ich nicht, wohin ich gehöre", sagt Mai.Der 25-Jährige kommt im bulgarischen Wraza zur Welt. "Meine Eltern waren vietnamesische Austauschstudenten, die dort Atomtechnik studierten." Lange hat Mai dort nicht gelebt. Die Eltern bangen nach der Atom-Katastrophe in Tschernobyl am 26. April 1986 um die Gesundheit ihres Kleinkindes. "Ich war etwa elf Monate, als ich zu meiner Oma nach Saigon kam", sagt Mai. Er erlebt eine glückliche Kindheit in Vietnam. Großmutter, Tanten und Onkel verwöhnen ihn. "Ich kann mich vor allem an das gute Essen erinnern", berichtet er lachend. Als er vier Jahre alt ist, holen ihn seine Eltern zurück nach Europa. "Das erste Jahr lebten wir in Prag. Danach bekam mein Vater einen Job in Deutschland." Seine Eltern trennen sich, als Mai noch ein Kind ist. Vietnam tritt immer mehr in den Hintergrund. "Meine Großmutter und Tante sind irgendwann in die USA ausgewandert. Mit ihnen halte ich Kontakt übers Internet. Sie sind mir sehr wichtig", sagt Mai. Nur zwei Mal besucht er seine frühere Heimat.

Sein Leben spielt sich in Deutschland ab. Mit seiner Mutter zieht er 1994 nach Altenglan, Landkreis Kusel; 1998 schließlich ins Saarland. Über seinem bunten T-Shirt baumelt ein Kreuz-Anhänger. "Mit 18 habe ich mich katholisch taufen lassen", erklärt er. Auch das, meint der 25-Jährige, drücke seine Verbundenheit zu dem Leben in Deutschland aus. "Mir war das Christentum näher als der Buddhismus. Ich habe mich ganz bewusst dafür entschieden." Die Mutter wiederum versucht, ihn "sehr traditionell zu erziehen". Er lernt nicht nur vietnamesisch sprechen, sondern auch lesen und schreiben. Manchmal habe er sich zwischen den "Kulturen zerrissen" gefühlt, bis er sich dafür entscheidet, "deutsch zu sein". Die Sprache seiner Gedanken, seiner Träume war damals schon Deutsch. "Ich fühlte mich als Deutscher", sagt er. "Mit 18 bin ich in meine erste eigene Wohnung nach Neunkirchen gezogen." Er besucht die Sozialpflegeschule in Neunkirchen, wird Kinderpfleger. Nachdem er sechs Jahre allein gewohnt hat, zieht er vergangen Dezember nach Saarbrücken in eine WG. Gerade macht er sein Abitur nach, "weil ich studieren möchte. Vielleicht Politik, Geschichte oder Ökonomie", sagt der 25-Jährige.

Und dann schmunzelt er und sagt: "Naturwissenschaften wie Mathe oder Physik liegen mir gar nicht. Das unterscheidet mich deutlich von meinen Eltern." Was sein neuer Pass nun ändert? "Ein Freund sagte neulich: 'Jetzt muss ich dich ja neu kennenlernen. Für mich warst du immer der Vietnamese.' Aber nein, ich bleibe derselbe. Nur kann ich jetzt hier auch ein politischer Mensch sein. Wählen oder vielleicht sogar selbst in die Politik gehen." Mai muss sich nur entscheiden. ceg

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