Ibo aus dem Senegal Der saarländischste Afrikaner der Welt

Saarbrücken · Ibo, 55 Jahre alt, gebürtiger Senegalese, Märchenbuchautor, Goethe-Fan und „Saarbrücker Bub“. Wie geht das zusammen?

 Seine positive Ausstrahlung reißt Kinder wie Erwachsene mit: Der gebürtige Senegalese Ibo schreibt im Saarland Geschichte(n).

Seine positive Ausstrahlung reißt Kinder wie Erwachsene mit: Der gebürtige Senegalese Ibo schreibt im Saarland Geschichte(n).

Foto: Bugs Steffen

Stuhl und Tisch im Saarbrücker Café Odeon sind über und über belegt mit Ausschnitten aus unterschiedlichsten Zeitungen. Porträts und Kritiken, gar eine Schlagzeile wie „Der schwarze Goethe aus dem Senegal“. Über den wohl saarländischsten Afrikaner der Welt, Ibrahima Ndoffne Ndiaye, hierzulande besser bekannt als Ibo, wurde schon in vielen deutschsprachigen Medien berichtet. Er ist ja auch überall unterwegs. Wer mit Ibo über sein Leben plaudert, stellt schnell fest, dass es da ganz schön viel zu plaudern gibt.

Und viel zu lachen. Denn Ibo ist eine Frohnatur, liebt die Menschen – „gib mir Zeit, dann erreiche ich sie alle“ – und kann wunderbar erzählen. Wie er beim ersten Auftritt in einem Kindergarten vor 30 Jahren in seiner Aufregung die Knirpse noch gesiezt hat – „was haben die Erzieherinnen gelacht“. Wie er das erste Mal Schnaps trank mit dem Vater einer Freundin in Fraulautern: „Ich wollte bei Sabines Papa den Integrierten spielen, puh, das war was.“

  Als Deutschland-Fan ließ sich Ibo beim Afrikafestival 2018 gerne mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Gattin Elke Büdenbender ablichten.

Als Deutschland-Fan ließ sich Ibo beim Afrikafestival 2018 gerne mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seiner Gattin Elke Büdenbender ablichten.

Foto: Bugs Steffen

32 Jahre ist der gebürtige Senegalese schon im Saarland. Nach dem ersten Schock – „Im Saarland spricht niemand wie Goethe“ – „schwätzt“ der studierte Germanist heute besser Saarländisch als die meisten anderen „Zugereisten“ – „das glaabsche awwer“. Er ist als Künstler in Deutschland und der Schweiz unterwegs (und spricht übrigens auch ziemlich gut Schwyzerdütsch). Im Auftrag des Goethe-Instituts gibt er Workshops in Mali, Ruanda, Südafrika. Für die Deutsche Welle macht er Sendungen für den afrikanischen Kontinent. Aber sein Ankerpunkt ist hier. „Ich bin immer noch Saarbrücker Bub“, sagt er und strahlt einen mit blitzenden Augen an: „Ich bin durch die Arbeit öfter mal weg, kumm awwer gäre nommol hemm.“

Deutsch ist Ibos Lieblingssprache,  seit er ein kleiner Junge war in einer Kadettenanstalt in der senegalesischen Küstenstadt St. Louis. „Diese Sprache hat es mir einfach angetan.“ In der Schule nannten ihn die anderen Kinder nicht Ibo, sondern „Bundes“, abgekürzt für Bundesrepublik Deutschland, weil er so verrückt war nach allem, was deutsch klang. Seine Lehrerin in St. Louis kam damals aus Saarlouis. Das hatte, wie man heute weiß, Folgen.

Noch vor den Sprachen lernte der kleine Ibo an seiner afrikanischen Schule Schauspiel. „Mein Vater war Regisseur bei der Armee“, erzählt Ibo. Papa Ndgaye leitete ein kabarettistisches Soldatentheater. „Ich habe schon mit sieben Jahren gebetet: Lass mich so begabt sein wie mein Vater, dass ich Menschen glück­lich machen kann.“

 „Ich kann euch nicht hören“: Die Trommel-Stunde mit Ibo kam bei den Kindern der Grundschule Fischbach gut an. 

„Ich kann euch nicht hören“: Die Trommel-Stunde mit Ibo kam bei den Kindern der Grundschule Fischbach gut an. 

Foto: Iris Maurer

Offenbar hat Gott ihn erhört. Bei seinen Kabarett-Programmen kringeln sich die Erwachsenen. Bei seinen Kinderprogrammen fliegen ihm die Herzen der Knirpse zu. In seinen Tanz- und Trommelkursen hat so manche saarländische Hausfrau afrikanisches Temperament entwickelt. Ibo hat sein halbes Leben lang Musik gemacht, getanzt, gelacht. Er am Staatstheater hier und an anderen Theatern gastiert, hat viele Jahre in Deutschland, Frankreich und der Schweiz unterrichtet, für Kulturvereine und Kommunen gearbeitet. „Seit 30 Jahren bin ich im interkulturellen Bereich tätig.“ Und mit seinem „sengalant saarkastischen“ Programm war er sogar für den renommierten bundesweiten Comedypreis „Das schwarze Schaf“ nominiert.

Auch eine erkleckliche Zahl von Märchenbüchern hat der 55-Jährige im Laufe der Jahre nach eigenen Angaben verfasst. Zwei davon werden in einem großen Reiseführer unter „Wichtigste Werke senegalesischer Autoren“ aufgeführt. Sein Buch „Mini-Mini, die Schlange, die Füße haben wollte“ wurde mit dem Adler-Award ausgezeichnet. Und eines seiner Bücher ist in Ruanda sogar Pflichtlektüre in der Schule. Seine Lesungen für den Boedecker-Kreis sind an saarländischen Schulen sehr beliebt.

Zwischen all den Zeitungsartikeln auf dem Kaffeehaus-Tisch liegt auch sein neuestes Werk. Ein kleines Büchlein mit Zebra-Muster: „Schwarze Weisheiten“ steht in doppelbödiger Absicht auf dem Cover. Darin hat der Vater eines Sohnes seiner Großmutter ein Denkmal gesetzt. Die meisten Sprüche darin, sagt er, stammen von ihr. Bei ihr schlief der kleine Ibo im Bett, von ihr lernte er, dass er zuhören und zuschauen müsse, um weise zu werden. Und sie hatte selbst immer einen weisen Spruch parat. Ibo zitiert sie mit Sätzen wie „Niemand begleitet freiwillig jemanden, der vom Baum stürzt“. Oder: „Egal wie hoch man auf seinem Thron sitzt, man sitzt doch immer nur auf seinem Gesäß.“ Afrikanische Weisheiten, die man samt und sonders auf jeden Menschen übertragen kann – ganz im Sinne von Ibo.

Also ein ziemlich erfolgreiches internationales Leben, das der 55-Jährige von Saarbrücken aus lebt. Aber natürlich merkt auch einer wie Ibo, der die Menschen liebt und perfekt Saarländisch schwätzt, dass sich in Deutschland was verändert hat in den letzten Jahren. Wenn er heute in manchen Städten gastiert, ist er vorsichtig. „Es gibt Ecken, da fahre ich zwar hin, aber ich werde nicht abends dort weggehen.“ Da bleibt er lieber im Hotel. Der studierte Germanist, der unermüdliche Vermittler zwischen Kulturen, der unerschütterliche Menschenfreund hat keine Lust auf rassistische Anpöbeleien von Leuten, die mit ihrem Leben nicht klarkommen und dafür einen Schuldigen suchen.

Dass es auch andere gibt, erlebt er alljährlich beim großen Afrika-Festival in Würzburg, wo er der Star des Kinderprogramms ist. Da zitierte er unlängst in der Eröffnungsrede seinen liebsten deutschen Dichter, Johann Wolfgang von Goethe: „Ein Volk, das seine Fremden nicht ehrt, ist dem Untergang geweiht...“. Er habe, sagt er, noch nie so viel Applaus bekommen. In Würzburg lernte Ibo im letzten Jahr auch Bundespräsident Frank Walter Steinmeier kennen. „Steini hat mir nicht geglaubt, dass ich im Saarland Deutsch gelernt habe“, lacht er. Man darf annehmen, dass Ibo ihm in perfektem Saarländisch geantwortet hat.

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