Hypochonder im Krankheitswettstreit

Wetteifern liegt vielen - sogar wenn's um Krankheiten geht. So zuletzt in einem St. Wendeler Café: Eine quirlige Frau winkt ihrer Bekannten, die lässig vorbeihuscht. Bei beiden nicht die geringste Spur eines noch so lapidaren Gebrechens. "Wie geht's?" Dies ist der Auftakt einer Kettenreaktion: "Ach Du, ich habe mich gestern am Knie gestoßen. Seitdem humple ich

Wetteifern liegt vielen - sogar wenn's um Krankheiten geht. So zuletzt in einem St. Wendeler Café: Eine quirlige Frau winkt ihrer Bekannten, die lässig vorbeihuscht. Bei beiden nicht die geringste Spur eines noch so lapidaren Gebrechens. "Wie geht's?" Dies ist der Auftakt einer Kettenreaktion: "Ach Du, ich habe mich gestern am Knie gestoßen. Seitdem humple ich." Konter: "Mir ist letzte Woche der Fingernagel abgebrochen." Mit dramatischer Geste wird der Verband am linken Ringfinger entrollt. Bedeutungsschwanger zeigt das Opfer auf einen winzigen Riss. "Das hat geblutet, sag' ich Dir." Eine dritte Freundin kommt vom Arzt und hinzu. "Ach, nix Schlimmes", beruhigt sie die mit spontanen Sorgenrunzeln gekennzeichneten Frauen. "Ich bin unglücklich mit meinem Rad über einen Bordstein gefahren. Seitdem tut mir der Nacken weh." Die am längsten im Café Sitzende erinnert unverzüglich an eine verkorkste Massage, unter deren Spätfolgen sie seit Jahren unentwegt leidet. Da fällt der zweiten am Tisch ihre Zahnwurzel ein, die ihr seit Wochen zusetzt. Das ist nichts gegen das Hühnerauge, das der Frau, die eben beim Arzt war, ihre Stöcklis madig macht. Und an einer Beinahe-Blutvergiftung ist sie gerade so vorbeigeschrammt. Mir wird kalt und heiß. Für einen Hypochonder ist das zu viel. Wenn die wüssten, dass mich mein letzter Schnupfen fast unter die Erde gebracht hätte ...

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