Kirchen-Projekt So individuell und bunt kann eine Bibel sein

St. Ingbert · An Ostern begann das Projekt „Dengmert schreibt die Bibel ab“. Nach nur sieben Wochen hatten Schüler und Erwachsene nicht nur einzelne Kapitel, sondern das gesamte Neue Testament und die Psalmen abgeschrieben. Insbesondere die Kinder gaben ihren Textstellen eine ganz besondere und bunte Note.

 So sehen einige Seiten der neuen Dengmerter Biewel in der Martin-Luther-Kirche in St. Ingbert aus. Kinder und Jugendliche haben ihre Textstellen aus dem Neuen Testament mit Bildern und bunten Schriftzügen verziert und individualisiert. Keine Seite sieht aus wie die andere. Jedes Blatt ist ein Original und wurde von freiwilligen Mitschreibern designt. Das Projekt ist nun fast abgeschlossen. Die restlichen Seiten müssen noch gebunden werden.  :

So sehen einige Seiten der neuen Dengmerter Biewel in der Martin-Luther-Kirche in St. Ingbert aus. Kinder und Jugendliche haben ihre Textstellen aus dem Neuen Testament mit Bildern und bunten Schriftzügen verziert und individualisiert. Keine Seite sieht aus wie die andere. Jedes Blatt ist ein Original und wurde von freiwilligen Mitschreibern designt. Das Projekt ist nun fast abgeschlossen. Die restlichen Seiten müssen noch gebunden werden. :

Foto: Stephanie Schwarz

Perfekt muss das Projekt nicht sein. Jeder macht mal Fehler, so auch die Mitschreiber der Dengmerter Biewel. Ein Schreibfehler ist schnell passiert, Schülern genauso wie Erwachsenen. Jedoch waren solche Fehler kein Problem für Elke Doepke, stellvertretende Vorsitzende des Presbyteriums St. Ingbert: „Einfach durchstreichen und weiter schreiben“, hieß die Anweisung. Denn genauso wie Menschen im realen Leben Fehler machen, sollten auch diese Schreibfehler zu sehen sein. Sie gehören zum Leben dazu und niemand müsse sich dafür schämen. Deshalb waren Tipp-Ex oder Tintenkiller nicht gerne gesehene Schreibhilfen. „Dennoch haben einige Mitschreiber, möglicherweise aus Scham, bei Fehlern doch wieder von vorne begonnen die jeweilige Textstelle abzuschreiben“, fügt Pfarrerin Michelle Scherer hinzu. Vielleicht weil unter jedem Bibelauszug der Name steht und Besucher sich jede Seite in der Martin-Luther-Kirche genau ansehen können. Seit Juni ist die Dengmerter Biewel nun fertig. Vier Bücher mit abgeschriebenen Textpassagen aus dem Neuen Testament liegen bereits in der Martin-Luther-Kirche in St. Ingbert aus. Die restlichen Seiten müssen noch gebunden werden. Insgesamt sieben „Bieweln“ sollen es werden. „Mit Sicherheit haben Hunderte freiwillige Schreiber geholfen. Es könnten auch Tausend sein. Ich habe nicht nachgezählt“, sagt Doepke. Sie ist erstaunt und glücklich, wie viele Erwachsene und Kinder am Ende bei diesem Projekt mitgeholfen haben.

Seitdem Presbyter Jörg Henschke Anfang des Jahres die Idee beiläufig in den Raum stellte, wurde das Projekt schnell konkreter, nahm Fahrt auf und wuchs. „Am Anfang hatten wir die Idee, einzelne Psalmen oder ein und zwei Bücher abzuschreiben. Dass wir am Ende das gesamte Neue Testament plus die Psalmen haben werden, das ist überwältigend“, freut sich Doepke. Die christlichen Gemeinden der Umgebung, Schulen, Pfadfinder aus St. Ingbert und ein Chor aus Saarbrücken haben mit angepackt. Oder besser gesagt den Stift in die Hand genommen. „Einige Schulen wollten nicht nur einzelne Textstellen, sie fragten nach ganzen Büchern. Denn ein oder zwei Kapitel hätten bei der Vielzahl an Jugendlichen nicht ausgereicht“, beschreibt Doepke die Situation und kann es scheinbar immer noch nicht richtig fassen, wie viel sie in nur sieben Wochen geschafft haben.

Los ging das Projekt an Ostern. Mit Straßenaktionen wollte die Kirchengemeinde sowohl evangelische und katholische Gläubige, als auch nicht-christliche Menschen erreichen und zum Mitmachen bewegen. Also kurz gesagt. Jeder, der wollte, durfte mitschreiben. Auch Kleinkinder, die noch gar nicht schreiben konnten, verschönerten die Biewel auf ihre persönliche Weise. Kindergartenkinder malten zu verschiedenen Textauszügen Bilder, während ihre Eltern die dazugehörigen Passagen abschrieben. So sieht der Betrachter auf den Kopien der Abschriften, die in der Martin-Luther-Kirche alle Wände schmücken, neben gemalten Kreuzen und Friedenstauben auch die Hand Gottes oder die Osterkerze. Der Fantasie waren anscheinend keine Grenzen gesetzt.

Trotzdem gab es Regeln und formale Anweisungen zum Abschreiben, die von vielen eingehalten worden sind, so Doepke. Auf einem Infoblatt erhielten die interessierten Mitschreiber genaue Angaben. Es sollte ein weißes DIN-A4 Papier sein, wie viele es zu Hause im Drucker haben. Jede Textstelle muss mit dem Buchtitel und der Versnummer gekennzeichnet sein, beispielsweise Lukas 1, 1-7. Überschrift und Name des Schreibers sollten auch nicht fehlen. Formal gab es also Richtlinien. Inhaltlich auch: „Der Text sollte so abgeschrieben werden, wie er ist. Also keine inhaltlichen Veränderungen oder Interpretationen“, sagt Pfarrerin Scherer. Trotzdem hatten die Freiwilligen auch einige Freiheiten. „Manche schrieben jeden Vers in einer anderen Farbe, andere gaben nur der Überschrift eine bunte Note, wieder andere übersetzten den Text in den St. Ingberter Dialekt“, erklärt Doepke. Die Mitschreiber konnten also ihrer Kreativität freien Lauf lassen.

Rechtschreibfehler, sichtbare Korrekturen, Wortdoppelungen oder eine andere Sprache: Alles blieb drin in der Dengmerter Biewel. Nichts haben die Organisatoren aussortiert. Darum sei es ja auch nicht gegangen, erklärt Doepke: „Wir haben nicht darauf geachtet, ob ein Text Fehler hat oder besonders schön geschrieben ist. Das war nicht Sinn der Sache. Die Dengmerter Biewel ist ein Mitmach-Projekt.“ Jeder konnte daran teilnehmen. In einer Schule haben Kinder ein Kapitel aus dem Neuen Testament doppelt abgeschrieben und die Lehrerin wollte dieses Missgeschick wegwerfen. „Nichts da. Auch das bleibt drin. Die Schüler haben sich Mühe gegeben und bei dem Projekt mitgemacht. Deshalb haben wir nichts weggeworfen“, erklärt Doepke.

 Dengmerter Biewel

Dengmerter Biewel

Foto: Stephanie Schwarz
 Dengmerter Biewel

Dengmerter Biewel

Foto: Stephanie Schwarz
 Die Kopien der Dengmerter Biewel schmücken alle Wände der Martin-Luther-Kirche. Aber es fehlen noch einige Seiten. Da muss Presbyterin Elke Doepke wohl die Leiter auspacken und sehen ob sie weiter oben noch Platz findet.

Die Kopien der Dengmerter Biewel schmücken alle Wände der Martin-Luther-Kirche. Aber es fehlen noch einige Seiten. Da muss Presbyterin Elke Doepke wohl die Leiter auspacken und sehen ob sie weiter oben noch Platz findet.

Foto: Stephanie Schwarz
 Jede Seite ist einzigartig und etwas besonderes. So hat man das neue Testament in St. Ingbert noch nicht gesehen.

Jede Seite ist einzigartig und etwas besonderes. So hat man das neue Testament in St. Ingbert noch nicht gesehen.

Foto: Stephanie Schwarz
 Auch Fehler sind erlaubt. Sie sollen nicht mit Tipp-Ex übermalt werden, sondern einfach durch streichen und weiter schreiben.

Auch Fehler sind erlaubt. Sie sollen nicht mit Tipp-Ex übermalt werden, sondern einfach durch streichen und weiter schreiben.

Foto: Stephanie Schwarz
 Dengmerter Biewel

Dengmerter Biewel

Foto: Stephanie Schwarz
 Evelynn malte diese Bild, das wahrscheinlich sie mit ihrem Vater zeigt.

Evelynn malte diese Bild, das wahrscheinlich sie mit ihrem Vater zeigt.

Foto: Stephanie Schwarz
 Leni zeigt in ihrem Bild die Hilfsbereitschaft Gottes.

Leni zeigt in ihrem Bild die Hilfsbereitschaft Gottes.

Foto: Stephanie Schwarz
 Einige Abschriften sind mit einer sehr eleganten und schönen Handschrift geschrieben.

Einige Abschriften sind mit einer sehr eleganten und schönen Handschrift geschrieben.

Foto: Stephanie Schwarz
 Auch Fehler sind erlaubt. Sie sollen nicht mit Tip-Ex übermalt werden, sondern einfach durch streichen und weiter schreiben.

Auch Fehler sind erlaubt. Sie sollen nicht mit Tip-Ex übermalt werden, sondern einfach durch streichen und weiter schreiben.

Foto: Stephanie Schwarz
 Auch Fehler sind erlaubt. Sie sollen nicht mit Tip-Ex übermalt werden, sondern einfach durch streichen und weiter schreiben.

Auch Fehler sind erlaubt. Sie sollen nicht mit Tip-Ex übermalt werden, sondern einfach durch streichen und weiter schreiben.

Foto: Stephanie Schwarz

Aber das Projekt hatte neben den schönen Momenten auch seine Tiefen, bestätigt Doepke: „Nachdem es so gut anfing und wir entschieden, das gesamte Testament zu nehmen, weil uns die Textstellen ausgingen und immer mehr Anfragen kamen, kamen wir auch zu dem Punkt an dem sich plötzlich keiner mehr meldete.“ Ein klassisches Tief, das wohl jeder kennt. Aber auch diese Flauten haben sie überwunden und stehen kurz vor der Fertigstellung des Projektes. „Eine 91-jährige Frau war sehr stolz trotz ihres Alters mitgeschrieben zu haben, auch wenn sie zugab, dass ab und zu ihre Tochter für sie weiterschrieb, wenn es nicht mehr ging“, sagt Doepke. Scherer fügt noch hinzu: „Es haben viele unterschiedliche Menschen an diesem Projekt mitgewirkt. Aber insbesondere die Männer haben sehr viel Wert auf ein schönes Schriftbild gelegt und regelrechte Kunstwerke abgegeben.“ Die Dengmerter Biewel – 2000 Jahre alter Zeitgeist in einer bunten Darstellungsform des neuen Jahrtausends.

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