Streit um Dialysepraxis Patienten bangen um einen Dialyseplatz

St. Ingbert · Einer St. Ingberter Praxis drohte zum 31. Dezember die Schließung. Das Bundesverfassungsgericht prüft nun den Fall.

 Eine Dialysesitzung dauert meist mehrere Stunden und ist für den Körper des Patienten extrem anstrengend. Da sind kurze Wege zur Praxis oft unerlässlich.

Eine Dialysesitzung dauert meist mehrere Stunden und ist für den Körper des Patienten extrem anstrengend. Da sind kurze Wege zur Praxis oft unerlässlich.

Foto: dpa/Arno Burgi

Viele Menschen sind auf sie angewiesen, könnten ohne sie nicht leben: die Dialyse. Das Blutreinigungsverfahren ist neben der Nierentransplantation die wichtigste Ersatztherapie bei chronischem und eine der Behandlungsmöglichkeiten bei akutem Nierenversagen. Betroffene haben es im Leben ohnehin schon schwer. Wer sich dann noch mehrmals wöchentlich dieser Prozedur unterziehen muss, ist froh, wenn er in der Nähe seines Wohnortes eine Behandlungsstation nutzen kann. Vor allem private Praxen sind es, die diese Möglichkeit bieten.

Im Saarland sollten nun mehrere dieser Einrichtungen geschlossen werden. Bereits zum 31. Dezember. Lange Zeit war das nur ein Gerücht, wie Margarete Weidig, Angehörige eines Patienten in einer St. Ingberter Behandlungsstation, zu berichten weiß. Mitte Dezember gab es dann Gewissheit: Die Betroffenen wurden schriftlich informiert. Unter ihnen ist auch das Ehepaar Lampel aus Niederwürzbach. Inge Lampel muss seit fünf Jahren dreimal wöchentlich zur Dialyse. Gemeinsam mit den anderen Patienten hat sich eine „Leidens- und Freudegemeinschaft“ gefunden, wie ihr Mann, Adolf Lampel, berichtet. „Für uns war das eine schreckliche Nachricht, so kurz vor den Feiertagen“, sagt er. Denn nun standen sie alle vor einem Problem: Die Praxen, auf die sie nun ausweichen müssten, liegen wesentlich weiter weg als die bisherige. In Homburg zum Beispiel, oder in Neunkirchen. Für viele bedeute das nicht nur einen größeren Zeitaufwand, sondern oft wesentliche höhere Kosten für Taxen oder Fahrdienste. „Dabei waren wir dort immer zufrieden. Die Versorgung ist einwandfrei und alle sehr freundlich.“

In der schriftlichen Mitteilung an die Patienten heißt es: „Aufgrund der Klageverfahren zweier saarländischer Dialysepraxen gegen die Kassenärztliche Vereinigung Saarland hat das Bundessozialgericht jetzt entschieden, dass die uns 2011 von der Kassenärztlichen Vereinigung erteilte Genehmigung zur Durchführung von Dialysebehandlungen rechtswidrig waren und daher in unserer Praxis ab 1. Januar 2018 keine Dialysen mehr durchgeführt werden dürfen.“ Auf die freie Arztwahl weist das Schreiben ebenfalls hin und auch eine Liste der umliegenden Praxen findet sich anbei.

Anscheinend handele es sich um einen reinen Formfehler bei der Eröffnung der Behandlungsstätte, wie mehrere Betroffene erzählen. Im Falle der Eröffnung einer solchen Praxis erteile die Kassenärztliche Vereinigung die Zulassung sowie einen Versorgungsauftrag. Zu diesem Vorgehen gehöre die Prüfung der Auslastung der bereits bestehenden Dialyseversorgungsstätten im Umkreis – und bereits hier solle ein Defizit vorliegen. „Die Praxis selbst trägt anscheinend keine Schuld, soweit ich das verstanden habe“, sagt Adolf Lampel. Nur durch Klagen der konkurrierenden Praxen kam der Fehler überhaupt zum Vorschein und zog eine Klage sowie einen langen Rechtsstreit nach sich.

Die Praxis selbst möchte aufgrund weiterer laufender Verfahren keine Stellungnahme beziehen. Die Kassenärztliche Vereinigung äußert sich bisher wie folgt: „Nach Ansicht des Bundessozialgerichts konnte der betreffende Vertragsarzt bei der Verlegung seines Praxissitzes nach St. Ingbert im Jahr 2011 seinen Dialyse-Versorgungsauftrag nicht mitnehmen. Zur Sicherung der kontinuierlichen Versorgung der Versicherten und zur Vermeidung eines übergangslosen Entfallens des Versorgungsangebotes der Praxis in St. Ingbert hat das Bundessozialgericht der betroffenen Praxis eine Auslauffrist bis zum 31. Dezember gewährt, so dass die Praxis erst zu diesem Datum schließen muss.“ Weiter heißt es in der Mitteilung: „Die Kassenärztliche Vereinigung Saarland hat im Nachgang zu dem Urteil des Bundessozialgerichts die Dialyse-Versorgungslage im gesamten Saarland sehr genau geprüft und überwacht diese fortwährend. Nach dem Ergebnis dieser Prüfung erwartet die KV Saarland keine Versorgungsengpässe, da in der Umgebung des zu schließenden Praxisstandortes Dialyse-Versorgungskapazitäten in mehr als ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, um sämtliche Patienten ab dem 1. Januar lückenlos weiter zu versorgen.“

Drei Tage vor Weihnachten wendete sich jedoch das Blatt. Noch spät abends rief die Praxis bei Familie Lampel an. Das Verfahren sei gestoppt, die Anwälte hätten eine einstweilige Verfügung erwirkt, und der Fall werde vom Bundesverfassungsgericht angenommen, so Adolf Lampel. Die Praxis darf also weiterhin die Dialyseversorgung vornehmen. Familie Lampel und den anderen Patienten bleibt ein Praxiswechsel erspart, wohl eines der schönsten Weihnachtsgeschenke dieses Jahr.

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