Orgelnacht Orgelnacht in der Hildegardskirche

St. Ingbert · Musik und Film vereint. Während der Orgelnacht improvisierten die Organisten zu einem Stummfilm über Jeanne D’Arc.

 Die Orgel der Hildegardskirche in St. Ingbert.

Die Orgel der Hildegardskirche in St. Ingbert.

Foto: Peter Mürz

(red) Prof. Jörg Abbing und Christian von Blohn haben in einer Orgelnacht in der St. ingberter Hildegardskirche zu Carl Theodor Dreyers Stummfilm über Jeanne d’Arc aus dem Jahr 1928 improvisiert. Dabei kam in St. Hildegard erstmals eine großdimensionierte Projektionswand zum Einsatz, die der dort ansässige Förderverein für Kirchenmusik angeschafft hat.

Prof. Abbing erklärte zunächst einführend, warum er Dreyers Werk für ein einzigartiges und bahnbrechendes Dokument der Filmgeschichte hält. Der Film spüre dem Schicksal seiner Protagonistin Jeanne nämlich vorwiegend in Großaufnahmen nach. Durch die Close-Up-Einstellungen, aber auch durch den Perspektivwechsel von Ober- zu Untersicht und die Schnitt-Gegenschnitt-Technik sehe man dem Geschehen nicht wie ein distanzierter Beobachter zu, sondern werde geradezu ein mitleidender Teil davon. Das menschliche Gesicht sei „ein Land, das zu erforschen man niemals müde wird“, so soll Regisseur Dreyer es selbst formuliert haben.

Dreyers „Gesichtslandschaften“ deuteten die beiden Künstler mit ihrer spontan improvisierten Musik nachhaltig aus. Sie fanden spannungsreiche Dissonanzen für die spöttischen oder bedrohlichen Blicke der Ankläger, die Jeanne in die Enge treiben wollen. Dabei stellten sie sich ganz in den Dienst des zugegebenermaßen düsteren Filmes und fanden jedoch für jede mimische Regung ein neues, faszinierendes Motiv. Repetitive Pedalklänge verstärkten den Eindruck der Gefahr; das Rankett-Register korrespondierte mit einem höhnischen Gesichtsausdruck; Doppeltriller gaben sich anbahnendem Unheil Ausdruck.

In kürzester Zeit wechselten die Organisten jedoch zu ganz neuen Affekten, wenn Jeanne ins Bild kam. Sehnsuchtsvolle, weite Melodiebögen der Flötenregister spiegelten dann gleichzeitig Unschuld und böse Vorahnung wider, die gelegentlich aufkeimende Hoffnung auf ein gerechtes Urteil ebenso wie das angstvolle Wissen darum, dass sich Jeanne letztlich in den Fallstricken ihrer Ankläger verfangen muss. In Dreyers Film geht Jeanne zugrunde, bleibt jedoch die moralische Siegerin, da sie Gewissensqual und Passion annimmt und dadurch dem Leidensweg Jesu nachfolgt.

Zu den Leistungen des Abends gehörte es, dass die beiden befreundeten Organisten zwar über eine erkennbar je eigene Tonsprache verfügen, sich jedoch in der Wahl ihrer musikalischen Mittel so eng aufeinander bezogen, dass die beiden Teile des Filmes, die durch eine Pause getrennt wurden, stets als Gesamtwerk wahrgenommen werden konnten. Mindestens ebenso eindrucksvoll war, dass sie das rechte Maß fanden zwischen der Ausgestaltung eines einzelnen Affektes und den großen musikalischen Linien, die die Szenen miteinander verbinden konnten.

Dabei nutzten sie von der zarten Fernflöte bis zu den spanischen Trompeten alle Möglichkeiten, die ihnen die imposante Späth-Orgel der Hildegardkirche bereitstellte. So war die Orgel als großes orchestrales Instrument der eigentliche Star des Abends.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort