Interview Klaus Lage Vier Jahrzehnte deutsche Musikgeschichte

Auch mit 68 Jahren steht Klaus Lage noch gerne auf der Bühne. Solange, wie es eben noch geht.

 Musiker Klaus Lage spielt im März 2019 ein Konzert in Merzig.

Musiker Klaus Lage spielt im März 2019 ein Konzert in Merzig.

Foto: Richard Marszall

Tausendmal berührt, Tausendmal ist nichts passiert – diese Zeilen waren sein größter Erfolg. Aber nicht sein einziger. Nach vier Jahrzehnten ist der deutsche Sänger Klaus Lage noch immer auf Tour. Unterwegs ist der Wahl-Bremer mal mit Rockband, mal mit Bigband und nun schon zum dritten Mal solo, allein mit seiner Akustik-Gitarre.

Sie waren insbesondere in den 1980er Jahren wahnsinnig erfolgreich. Aber selbst heutzutage kennt jeder noch das Lied „1000 und eine Nacht. Wie fühlt sich das an?

KLAUS LAGE Das ist natürlich ein Kult-Hit. Das Lied ist schon über 35 Jahre alt und läuft immer noch auf Feten. Und jeder kennt ’s und kann es mitsingen. Das finde ich schön. Das wünscht sich jeder Künstler. Das Wichtigste ist, dass man nicht darauf reduziert wird. Zum Glück hatte ich noch ein paar mehr Hits. Es ist ja klar, dass man das nicht so bis ans Ende seiner Tage transportieren kann – oder nicht jeder. Ich bin mit meinem Werdegang eigentlich ganz zufrieden. Ich finde es sensationell, dass ich immer noch auf die Bühne gehen kann und dass die Leute mich noch hören mögen. Das ist natürlich ein tolles Gefühl, gerade in meinem Alter. Das muss man ja auch mal ganz unspektakulär sagen. Das schafft natürlich eine Art von Demut, weil man dafür gesund sein muss, die Stimme muss halten. Ja, und solange das geht, bin ich sehr dankbar.

Sie fühlen sich also nicht auf diesen einen Hit reduziert?

LAGE Nein. Natürlich wollen das die Leute hören und identifizieren mich damit und das ist auch in Ordnung. Man kann ja nicht von jedem erwarten, dass er das gesamte Programm kennt. Ich habe mehr als 20 CDs veröffentlicht und natürlich waren nicht alle Titel so erfolgreich, wie „1000 und eine Nacht“, einer sticht immer raus. Aber die LP, „Schweißperlen“, war zum Beispiel noch erfolgreicher. Es würde mich, auf der Bühne gar nicht mehr geben, wenn ich nur an diesem einen Song nuckeln würde.

Warum glauben Sie, ist gerade „1000 und eine Nacht“ so bekannt geworden? Was war Ihr Erfolgsrezept?

LAGE Ich hatte kein Rezept. Wäre schön gewesen. Wenn man ein Rezept hätte, müsste man ja nur die Zutaten zusammenmischen und Zack wäre der Erfolg da. Nö, es gibt kein Rezept. Und wenn, dann würde ich das nicht verraten (lacht). „1000 und eine Nacht“ war einfach ein Lied, das irgendwie den Zeitgeist getroffen hat. Sowohl von der Musik, als auch von der Geschichte. Wir haben lange daran gearbeitet, haben sehr daran gefeilt. Das ging schon über Wochen: Erstmal im Proberaum, das Arrangement so zu erstellen. Dann im Studio, wir haben zum Beispiel lange an den Chören gefeilt. Also die haben wir, soweit ich mich erinnere, ziemlich oft aufgenommen, bis wir zufrieden waren. Auch wenn die gar nicht so deutlich und so laut sind. Aber der Teufel steckt manchmal im Detail. Wir haben daran geglaubt, dass das erfolgreich sein kann. Dass es so erfolgreich wird, das weiß man natürlich nie vorher.

Wie kommt man damit klar, wenn der Mega-Erfolg langsam abebbt? Wie verändert man sich als Künstler?

LAGE Och naja, ich war ja nie sooo abgehoben. Es gab vielleicht mal eine ganz kurze Zeit, wo man denkt, man ist der Größte, aber dann, da ich, sagen wir mal ganz bodenständig bin und auch ein ganz gutes familiäres Umfeld habe, wird man da auch ganz schnell auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt. Und das ist auch ganz gut. Jeder Künstler hat irgendwann seinen Zenit erreicht. Und es geht zwangsläufig bei jedem abwärts. Selbst bei Paul McCartney, das ist natürlich ein Weltstar, aber er verkauft auch nicht mehr so viele Platten wie die Beatles. Was ja gar nichts Schlimmes ist. Für mich ist das eigentlich ein Gewinn, dass man nicht mehr ganz so im vorderen Rennen sich zu allem und jedem äußern muss und nicht immer verfolgt und erkannt wird. Ich habe das alles gehabt und man kann es nur bis zu einem bestimmten Teil genießen. Irgendwann wird es auch ein bisschen viel und dann ist man ganz froh, wenn das nachlässt. Ich mache jetzt keine Stadien mehr voll, aber trotzdem sind meine Konzerte gut besucht. Es macht mir Spaß und den Leuten offensichtlich auch. Viel mehr geht eigentlich nicht. Es wäre ja auch vermessen, wenn ich jetzt hier noch als Berufsjugendlicher rumtanzen würde.

Wie hat sich die Musikindustrie in den Jahren, in denen Sie sie aktiv erlebt haben und noch erleben, verändert?

LAGE Es gibt einfach immer weniger Plattenfirmen. Es gibt natürlich ganz viele Labels, aber im Grunde genommen gibt es nur noch vier große Firmen: Universal – selbst meine alte Plattenfirma, die mal die größte war, EMI Electrola, ist von Universal geschluckt worden – Sony, Ariola und Warner Music. Die teilen den Markt hauptsächlich unter sich auf. Und mit denen will ich und brauche ich zum Glück nichts zu tun haben. Junge Künstler bei den großen Firmen, da wird eine Platte gemacht und die muss funktionieren. Wenn die nicht funktioniert, darfst du, wenn es gut läuft, vielleicht noch eine machen, aber dann ist auch Schluss. Es wird ja kaum noch ein Künstler aufgebaut. Die Zeit ist eben schnelllebig. Du kannst heute eine ganze CD in Sekundenschnelle eins zu eins reproduzieren, kopieren und vervielfältigen.

Wobei viele junge Künstler ja bedauern, dass man mit CDs kein Geld mehr verdienen kann. Sie bedienen vermutlich eine andere Zielgruppe, ist das dennoch bei Ihnen ähnlich?

LAGE Ich bin ein Freund der CD. Ich weiß natürlich, dass die CD ein sinkendes Schiff ist. Es wird sie sicherlich noch einige Jahre geben. Und dadurch, dass ich mein eigenes Label habe und meine CDs selbst vermarkte, dadurch verkauft man natürlich weniger, aber man kann es selbst bestimmen, wie und wann man etwas veröffentlicht. Wie das aussehen soll und so weiter. Das ist das eine. Das andere sind die wenigen großen Plattenfirmen. Und die veröffentlichen natürlich nur das was erfolgsträchtig ist. Das wissen die natürlich auch nicht immer vorher, aber die haben einen großen Werbe-Etat, mit dem sie jemanden bekannt machen können. Klar, heute verkaufen die Leute weniger CDs. Heute musst du Downloads haben. Das habe ich nicht. Werde ich sicherlich irgendwann auch haben. Aber im Augenblick gehe ich lieber auf Tour.

Heute gibt es eine wesentlich größere deutschsprachige Musikbranche als früher. Hat man es als deutschsprachiger Musiker heute leichter?

LAGE Kommt auf dem Blickwinkel an und auf das, was man will. Also ich hab meine erste Platte 1978 auf Deutsch gemacht. Die war nicht besonders dufte, aber egal. Da hatte Udo (Lindenberg, Anm. der Red.) schon Erfolg. Grönemeyer kam etwas später Anfang der 80er. Und ich glaube, dass Leute meiner Generation, da gehören natürlich noch ein paar andere dazu, Bap und soweiter den Weg geebnet haben. Speziell Udo, der Mitte/Ende der 70er eben mit deutschsprachigen, nicht-schlagerhaften Liedern kommerziellen Erfolg hatte. Das ist immer das Entscheidende. Man kann das natürlich alles für sich im Hinterstübchen machen oder das, was dann als Kleinkunst verschrien wird. Aber wenn du überregionalen, kommerziellen Erfolg hast, dann findet man eine andere Art von Beachtung. Heute kann man das insofern gar nicht vergleichen. Du kannst ja eine Schallplatte in deinem Schlafzimmer auf dem Laptop machen. Früher musstest du ins Studio gehen. Die Studio-Ausrüstung hat ein kleines Einfamilienhaus gekostet. Das waren einfach andere Bedingungen. Und heute kannst du Musik kopieren, das geht ganz schnell. Du kannst sampeln. Du hast ganz andere technische Möglichkeiten. Dann kannst du deine Songs ins Internet stellen. Das gab es früher alles nicht.

Warum ist Ihrer Meinung nach deutschsprachige Musik wieder so gefragt?

LAGE Das bestimmt ein bisschen die Nachfrage. Ich finde ja, es gibt einige deutsche Popkünstler, die hören sich alle ein bisschen ähnlich an. Wenn irgendwas kommerziell funktioniert, dann gibt es viele Nachahmer, die das auch probieren. Aber ich finde es natürlich gut, dass Leute sich in ihrer eigenen Muttersprache äußern, auch da kreativ sind und Lieder schreiben. Wobei es natürlich immer noch einen Großteil an englischsprachiger Musik gibt. Die Amerikaner sind immer noch marktbestimmend, weil sie eben mit dem gleichen Produkt weltweit agieren können. Also du produzierst eine Platte und die kannst du auch in China und in Afrika hören. Während du, wenn du eine deutschsprachige Platte produzierst, in der Regel auf den deutschsprachigen Markt begrenzt bist. Rammstein, Nena und Kraftwerk sind Ausnahmen, die international großen Erfolg hatten.

Gibt es in den ganzen Jahren als Musiker einen Moment, an den Sie immer wieder zurückdenken?

LAGE Ich bin nicht so ein Typ, der eine Lieblingsfarbe, ein Lieblingsgericht und ein Lieblingsgetränk hat. So habe ich auch keine Lieblingssituation. Es gibt eine Menge Situationen, die außergewöhnlich waren. Ich habe mal eine kleine Rolle in der Schimanski-Serie übernommen, als wir den Titelsong dazu gemacht haben. Das war eine witzige Geschichte. Und rein musikalisch gibt es einige. Ich habe ja mal ein Lied für Joe Cocker gemacht. Den habe ich mehrfach getroffen. Mit so jemandem zusammen im Studio zu stehen, oder auch Liveauftritte zusammen – das waren schon ganz schöne Momente. Aber es gibt auch ganz kleine Geschichten, wo ich in kleinen Clubs gespielt habe, wenn dann nach dem Konzert irgendeiner kam: „Dieses eine Lied, das hat mich sehr berührt.“ Da hat man für sich so gemerkt: „Hey, hier hast du irgendwie einen Nerv getroffen, kann nicht alles so falsch gewesen sein, was du hier heute Abend gemacht hast.“

Sie sind 68 Jahre alt. Gewöhnliche Arbeitnehmer denken längst an Rente. Denken Sie ans Aufhören?

LAGE Natürlich denkt man in meinem Alter auch ans Aufhören, aber nicht so konkret. Also ich höre dann einfach auf, wenn ich das Gefühl habe, das bringt es nicht mehr. Dass ich die Songs nicht mehr so rüberbringe, dass es meinen eigenen Ansprüchen genügt. Ich mache mir da nicht so Gedanken: „Oh, das ist jetzt meine letzte Tour.“ Wenn es die letzte Tour war, dann war es halt die letzte Tour. Aber ich will nicht einer von denen sein, die dann sagen, ich mache meine letzte Tour, und alle kommen dann noch mal. Und dann macht man zwei Jahre Pause und dann sagt man: „Ah ich hab es mir doch anders überlegt.“ Das find ich ganz doof. Ich mach solange wie es irgendwie geht weiter, weil es wenig Schöneres in meinem Leben gibt, als auf der Bühne zu sein und zu spielen. Das mache ich solange man das auch noch würdevoll machen kann, ohne, dass man da als Kasper steht oder weil man das aus finanziellen Gründen abzieht. Da hab ich keinen Bock drauf.

Was verbinden Sie mit dem Saarland?

LAGE Mit dem Saarland verbinde ich ganz viel Positives. Weil ich da immer gute Rückmeldung bekommen habe. Ich habe immer im Saarland gespielt. Auf jeder Tour. Schon ganz früh, Anfang der 80er, haben wir schon, als wir noch eine unbekannte Band aus Berlin waren, auf kleinen Festivals im Saarland gespielt. Und das hat sich immer weiter verfestigt. Obwohl es so ein kleines Land ist. Wobei ich ja aus dem noch kleineren Bundesland, Bremen, komme. Von daher verbindet einen da schon was.

Warum sollten die Merziger ihren Liebsten zu Weihnachten eine Karte für Ihr Konzert im März unter den Weihnachtsbaum legen?

LAGE Gute Idee. Ich war jetzt vier Jahre nicht solo unterwegs und werde jetzt wieder solo auf Tour gehen. Da hatte ich wieder große Lust drauf, weil das eine sehr intime Art ist, meine Lieder zu präsentieren. So sind sie ja in der Regel entstanden. So probt man sie auch ein. Ich finde, das ist immer etwas sehr persönliches. Natürlich ist es mit einer Band oder einem Orchester auch gut. Aber manchmal finde ich es wichtig, für den Künstler und auch für die Leute, das wieder auf das Wesentliche zu reduzieren.

Welches Programm haben Sie im Gepäck?

LAGE Die Leute kriegen im Grunde genommen, was sie von mir auch sonst erwarten können: Ein Querschnitt aus den letzten vier Jahrzehnten in denen ich auf der Bühne stehe, Lieder schreibe und singe. Ein Drittel der Lieder ist fest. Die müssen dabei sein, wie „1000 und eine Nacht“, „Faust auf Faust“, „Komm, halt mich fest“ und „Mit meinen Augen“ sind alle immer natürlich dabei, egal in welcher Besetzung ich auftrete. Das gehört zu meiner DNA. Wenn ich solo auftrete dann eben in einer Akustik-Version. Man muss sich da eigentlich nur noch ein Lagerfeuer vorstellen. Ganz so romantisch wollen wir es aber nicht machen. Ich hatte mir das zwar schon überlegt, aber das habe ich wieder verworfen. Feuer auf der Bühne, das kriegt man mit der Feuerwehr nicht geregelt (lacht).

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