Restauration Die Tapete versteckte Jugendstil-Malereien

St. Ingbert · Per Zufall fanden sich in einem Haus in der Annastraße über 100 Jahre alte Ornamente. Nach einer Restaurierung sind sie wieder sichtbar.

 Motive wie dieser Wasserspeier, die unbeachtet unter der Tapete schlummerten (links), erscheinen nach der Restaurierung wieder in altem künstlerischen Glanz.

Motive wie dieser Wasserspeier, die unbeachtet unter der Tapete schlummerten (links), erscheinen nach der Restaurierung wieder in altem künstlerischen Glanz.

Foto: Eric Schöndorf

Nur durch Zufall, beim Abkratzen der alten Tapete, wurde sichtbar, was lange Zeit unentdeckt blieb: Wunderschöne Jugendstil- und Art déco-Malereien, die sich im gesamten Eingangsbereich eines Hauses in der Annastraße 6 in St. Ingbert über die Wände und die Decke erstrecken. Wer diese vor über 100 Jahren anfertigte ist unklar, doch die Hauseigentümer, Familie Fiedler, waren sich schnell sicher, dass die geschwungenen Linien, floralen Ornamente und die Wasserspeier im neuen, alten Glanz erscheinen sollen.

Allerdings waren die Malereien in dem Wohnhaus nicht mehr vollständig, durch nachträgliche Elektroinstalltionsarbeiten zogen sich mehrere zugegipste Wandschlitze horizontal und vertikal durch die Ornamente. Auch witterungsbedingte Kondensfeuchtigkeit führte dazu, dass viele Partien sich vom Putz gelöst haben. Doch eine Restauration der um 1910 entstandenen Malereien ist nicht nur aufwendig, sondern auch schwierig. Familie Fiedler fand aber in dem Restaurator Eric Schöndorf einen Fachmann, der sich mit viel Liebe zum Detail der Restaurierung der Wandfarbfassung annahm.

Zuvor wurde allerdings für ein Materialgutachten eine Farbprobe an ein Kölner Institut übersandt. Die Analyse ergab, dass es sich „hierbei um eine mit Naturharz gefirnisste Ölfarbfassung auf einem Kalk-Zementputz als Träger handelt“, wie Schöndorf die vorgefundenen Malereien erläutert. Der Firnis der Originalfassung war vergilbt, was aber darauf hin deutet, dass ein „alkoholhaltiger Firniss verwendet wurde. Dieser wurde zu der damaligen Zeit häufig genutzt und neigt zum Bräunen“, erklärt der Restaurator.

Auch wenn die Arbeiten „schwer einzuschätzen sind, da man nicht weiß, was alles noch kommt“, wie Schöndorf sagt, erarbeitete er ein Restaurierungskonzept bestehend aus drei Abschnitten, die alle realisiert werden konnten.

In einem ersten Arbeitsgang musste zunächst die vorhandene Fassung gefestigt werden, um weiteres Abblättern zu verhindern. Danach wurde die Dispersionsfarbfassung an der Decke abgenommen und die Wand- und Deckenfassung feucht gereinigt. Auf der Originalfassung liegende Gips- und Spachtelreste sowie die vergilbte Firnisschicht wurden vorsichtig entfernt. Während des zweiten Restaurierungsabschnittes verkittete und verspachtelte Schöndorf die massiven Risse und Schlitze und grundierte die Beschädigungen. Dabei sei es wichtig gewesen, eine beige Lokalfarbe entsprechend der Originalfassung zu verwenden und von der „unteren Schicht langsam nach oben ranzuarbeiten“. Anschließend wurde die Grundierung eingeebnet.

Im dritten und letzten Abschnitt widmete sich Schöndorf der Retusche der Malereien. Zuweilen mit Schablonen, aber auch frei rekonstruierte er mittels Lasurtechnik Teilstücke eines Wasserspeiers oder Seerosen. Zum Schluss wurden die Retuschen noch patiniert und so den noch erhaltenen, über 100 Jahre alten Malereien anzugleichen. Kleinere Fehler, die den damaligen Malern unterlaufen sind, beließ Schöndorf nach Rücksprache mit Familie Fiedler ohne weitere Rekonstruktion.

Rund sechs Wochen, ohne die verschiedenen Arbeitspausen gerechnet, arbeite Schöndorf an der Restaurierung. Dabei betont der Restaurator erfreut, dass dies für ihn „eine besondere Aufgabe war“. Normalerweise sei er viel in Kirchen tätig, „denn solche Malereien findet man kaum in Privathäusern, oder man entscheidet sich aus Kostengründen gegen eine Restaurierung“. Familie Fiedler ist von dem Ergebnis restlos begeistert und zeigt sich stolz auf ihren außergewöhnlichen Eingangsbereich.

  Restaurierung Wasserspeier

Restaurierung Wasserspeier

Foto: Eric Schöndorf
 In diesem Haus in der Annastraße in St. Ingbert (links) wurden über 100 Jahre alten Wand- und Deckenmalereien wieder entdeckt.

In diesem Haus in der Annastraße in St. Ingbert (links) wurden über 100 Jahre alten Wand- und Deckenmalereien wieder entdeckt.

Foto: Manfred Schetting
 In diesem Haus in der Annastraße in St. Ingbert (links) fanden sich die über 100 Jahre alten Wand- und Deckenmalereien. Foto: Manfred Schetting

In diesem Haus in der Annastraße in St. Ingbert (links) fanden sich die über 100 Jahre alten Wand- und Deckenmalereien. Foto: Manfred Schetting

Foto: Manfred Schetting

Weitere Infos zu seiner Arbeit gibt Eric Schöndorf unter Tel. (0 68 24) 31 70 oder per E-Mail: info@restauratoren-schoendorf.de.

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