Barock-Haus Die Geheimnisse eines barocken Hauses

St. Ingbert · Im Laufe der Sanierung hat das denkmalgeschützte barocke Haus neben der Engelbertskirche das Ehepaar Marschall immer wieder überrascht.

 Wirtschaftsförderer Thomas Debrand und Oberbürgermeister Hans Wagner gratulierten Martin Gries (von rechts) zur Geschäftseröffnung von „Martin‘s Café und Cocktaillounge“ im Erdgeschoss des historischen Gebäudes, das Hausbesitzer Bodo und Sandra Marschall mit viel Herzblut und Eigenleistung hergerichtet haben.

Wirtschaftsförderer Thomas Debrand und Oberbürgermeister Hans Wagner gratulierten Martin Gries (von rechts) zur Geschäftseröffnung von „Martin‘s Café und Cocktaillounge“ im Erdgeschoss des historischen Gebäudes, das Hausbesitzer Bodo und Sandra Marschall mit viel Herzblut und Eigenleistung hergerichtet haben.

Foto: Cornelia Jung

Förster Bodo Marschall ist immer für eine (Wald-) Geschichte gut. Doch seit einem Jahr ist er mit seiner Frau Sandra Marschall unter die Bauherren gegangen und hat nun ganz andere Storys auf Lager. Denn das von den beiden erworbene Haus in der Fußgängerzone, links neben der Engelbertskirche, steht unter Einzeldenkmalschutz und gab erst im Verlaufe der Renovierungs- und Restaurierungsarbeiten seine Geheimnisse preis.

„Manchmal müssen wir uns kneifen. Am Anfang war es ein schmaler, hässlicher Wohnschlauch, durch Regipswände verunstaltet. Es war eine fast bekloppte Vision, daraus ein Café zu zaubern“, erzählt Bodo Marschall. Schritt für Schritt habe man sich vorgearbeitet, entdeckte hinter Wänden verborgene Fenster und Nischen, Natursteinmauern, uralte Eichenbalken und barocke Fachwerkwände. Und in jedem Quadratmeter und in jedem Stein „schwebt der Geist der Geschichte“, wie der St. Ingberter erfuhr.

Die Überraschung fing an, als nachgewiesen werden konnte, dass das Gebäude, das laut Exposé im Jahr 1875 entstanden sein soll, rund 110 Jahre älter ist. Dort war die erste St. Ingberter Schule beheimatet und während bei den Nachbarn die Französische Revolution gehaust habe, sei in diesen Räumlichkeiten der Kaiserstraße um den St. Ingberter Wald gestritten worden. Napoleon marschierte auf seinem Zug gen Moskau an der Hausfront vorbei.

Ehemaliger Besitzer war die Optikerfamilie Strassner, deren Geschäft sich noch im Erdgeschoss befindet. Sie selbst wohnten unter dem Dach. Die restlichen Wohnungen haben laut Marschall mindestens 15 Jahre leer gestanden. Uhren Langner machte 2004 nach 30 Jahren dicht. Bis 2012 war französisches Wein- und Kleidergeschäft im Erdgeschoss. Dann verfiel es in einen Dornröschenschlaf „...und hat auf uns gewartet“, sagt Bodo Marschall: „Wir haben das Haus langsam und behutsam wach geküsst“. Wenn er nach einem Jahr voller (Haus-)Arbeit den Fuß über die Schwelle setze, erfülle ihn das jedes Mal mit Ehrfurcht, was die Mauern alles schon erlebt hätten.

Zwischendurch musste der Zeitplan korrigiert werden, denn die meisten Balkenköpfe waren verfault, mussten durch Stahlträger ersetzt werden, und bei einer Dachreparatur zeigte sich anhand verkohlten Materials, das den Bauherren entgegen rieselte, dass es wohl einen Kaminbrand gegeben haben musste. Architektin Sandra Marschall ist sich ziemlich sicher, dass das Haus aufgrund der Schäden in wenigen Jahren eingestürzt wäre. „Wir waren das Beste, was diesem Haus passieren konnte“, ist sich das Ehepaar einig. In den Obergeschossen sind nun mehrere Wohnungen entstanden und im Parterre hat sich Martin Gries mit „Martin´s Café und Cocktaillounge” eingemietet.

Am Freitag wurde das Geschäft offiziell eröffnet. Für Gries ist es das erste Geschäft mit festen Öffnungszeiten, denn er verdiente sein Geld bisher mit einer mobilen Cocktailbar, Verleih von Partyutensilien und einem Cateringservice. Neben einer großen Auswahl an Cocktails, Shots, zahlreichen Kaffeesorten und Kuchen wird auch ein herzhaftes Frühstück, sogar ein spezielles für Schüler angeboten.

Oberbürgermeister Hans Wagner übergab gemeinsam mit dem Wirtschaftsförderer Thomas Debrand einen Blumenstock und lobte die „grandiose Geschäftsidee“. „Ihr seid eine Bereicherung für die Fußgängerzone“, so Hans Wagner, „Gratulation zum Mut, hier unternehmerisch tätig zu werden. So etwas hat hier noch gefehlt.“ Jedes Mal, wenn Bodo Marschall die im Barbereich herausgearbeiteten Fachwerkbalken sieht, erinnert er sich an die vielen Stunden, die es kostete, das Holz aufzubereiten oder alte Balken aus Abrisshäusern zu holen. Noch während der Arbeiten habe sich Bodo Marschall gesagt: „entweder sitze ich am Ende mit meiner Familie in der Sonne unter einem Schirm und trinke einen Kaffee oder gegenüber mit einem Sammelhut“. Das Ergebnis spricht für sich.

Zum Kaufpreis für das Anwesen wollte sich Bodo Marschall natürlich nicht äußern. Nach Informationen unserer Zeitung ist der ohnehin noch strittig.

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