Leibniz-Gymnasium Den Arbeitsalltag früherer Zeiten erkundet

St. Ingbert · Schüler des Leibniz-Gymnasiums und des Berufsbildungszentrums in St. Ingbert legten jetzt den Grundstein für ein neues Wirtschaftsarchiv.

 Schüler des Leibniz-Gymnasiums übergaben am Dienstag ihr Interviewmaterial als Basis eines „Saarpfälzischen Wirtschaftsarchivs“ an Heidemarie Ertle, Mitarbeiterin des Stadtarchivs (Dritte von rechts).

Schüler des Leibniz-Gymnasiums übergaben am Dienstag ihr Interviewmaterial als Basis eines „Saarpfälzischen Wirtschaftsarchivs“ an Heidemarie Ertle, Mitarbeiterin des Stadtarchivs (Dritte von rechts).

Foto: Cornelia Jung

„Auf einmal wäre noch soviel zu sagen. Auf einmal wäre noch so viel zu fragen. Auf einmal ist es vorbei“, heißt es in manchen Todesanzeigen. Und genau diese verschenkten Gelegenheiten zum Gedanken- und Informationsaustausch sind es, die Familienangehörige belasten können, aber auch ein Verlust für das kollektive Erinnern sind. Was fürs Private gilt, hat nicht weniger Bedeutung für Archive der unterschiedlichsten Art. Deshalb hat das Projekt „Grundstein Saarpfälzisches Wirtschaftsarchiv“ des Stadtarchivs St. Ingbert, das durch „Trafo – Modelle für Kultur im Wandel“ in Kooperation mit Saarpfalzkultur gefördert wird, einen besonderen Stellenwert.

Einzigartig ist beispielsweise der Ansatz, wie die Basis für dieses Archiv geschaffen wurde. Denn Schüler des Leibniz-Gymnasiums und des Berufsbildungszentrums führten mit ihren Großeltern Interviews über deren Arbeitsleben. So bekamen sie Einblicke in den Arbeitsalltag früherer Generationen und die Unterschiede zur heutigen Berufswelt. Wie bei der Übergabe der Ton- und Schriftdokumente am vergangenen Dienstag im Leibniz-Gymnasium deutlich wurde, waren es nicht immer die eigenen Wünsche, die damals zur Berufswahl führten, sondern meist Pragmatismus oder äußere Zwänge.

Die Achtklässler am Leibniz-Gymnasium waren erstaunt, was ihre Opas und Omas alles zu erzählen hatten. „Ich habe immer gedacht, dass mein Opa nur in guten Sachen und mit dem Firmenauto herumgefahren ist. Aber dass er auch schwere körperliche Arbeit verrichtet hat, war mir neu“, so ein Interviewer. Damit das Material der insgesamt rund 80 Gespräche wissenschaftlich auswertbar ist, hatte Journalist Thomas Braml den Schülern zu Beginn des Projekts einen Leitfaden an die Hand gegeben.

Grundidee ist die Einrichtung eines Saarpfälzischen Wirtschaftsarchivs, einer Sammlung, die den reichen Schatz der St. Ingberter und der heimischen Wirtschaftsgeschichte für künftige Generationen bewahrt. Ein Teil davon sind die Erinnerungen der Menschen, die die wirtschaftliche Entwicklung im Saarpfalz-Kreis erlebt und mitgestaltet haben. Somit bildet das generationenübergreifende Interviewprojekt den Grundstein. Großeltern hatten die Chance, ihr Wissen und ihre Lebenserfahrung weiterzugeben. „Ihr werdet bei euren Interviews erkannt haben, dass ihr eure Welt und Identität nur versteht, wenn ihr die (Familien-) Geschichte kennt“, sagte Philippe Imbsweiler, „wir beschäftigen uns mit nationaler und Weltgeschichte, aber wenig mit unserer eigenen.“ Die Geschichten ähnelten sich, gewisse Dinge würden sich wiederholen, aber andererseits veränderten sie sich, so der Geschichtslehrer. Deshalb sei es wichtig, darüber Bescheid zu wissen und dies auch zu dokumentieren.

Heidemarie Ertle war dankbar für die „eingefangenen Augenblicke aus dem Leben der Großeltern“. Nun steht die Sichtung und Aufbereitung der Arbeiten an, die Ende des Jahres in einer Ausstellung präsentiert werden. „Es hat euch wahrscheinlich neugierig gemacht, wie es damals war. Und wenn man weiß, wie hart das Leben war, weiß man auch, wie gut es uns heute geht“, sagte Oberbürgermeister Hans Wagner.

Heidemarie Ertle interessierte, wie die Großeltern auf die Interviewanfrage ihre Enkel reagiert hätten. „Spontan bereit“ war ein Opa, wie ein Schüler erzählte. Ein anderer Opa liebe es sowieso, Geschichten zu erzählen. Gern über ihr Leben gesprochen hätten die meisten. „Es ist ein ambitioniertes Projekt, das die Keimzelle für ähnliche Aktivitäten im Saarland sein könnte“, lobte Thomas Braml.

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