Ausstellung in der Rathausgalerie Antlitze: von liebenswert bis kriminell

Unsere Zeitung begleitete die Künstlerin bei einem Rundgang durch ihre Ausstellung in der Rathausgalerie.

 Jutta Mohr zeigt unter dem Titel „Schmücken, Schützen, Tarnen, Täuschen“ Bilder in der St. Ingberter Rathausgalerie.

Jutta Mohr zeigt unter dem Titel „Schmücken, Schützen, Tarnen, Täuschen“ Bilder in der St. Ingberter Rathausgalerie.

Foto: Brigitte Quack

Ihre Ausstellung ist dem Thema „Schmücken, Schützen, Tarnen, Täuschen“ gewidmet. Da denkt man gleich an Tiere, die sich aus Selbstschutz tarnen. Haben Ihre Gemälde denn einen Bezug zur Tierwelt?

Jutta Mohr: Ich habe nur sechs Tiere mit diesen Fähigkeiten ins Bild gerückt. Sie stehen einerseits für sich selbst, sollen andererseits aber auch an den gravierenden Unterschied zwischen dem überlebensorientierten Naturell der Tiere und den oft egogesteuerten Charakteren der Menschen erinnern. Die anderen einundvierzig Bildmotive zeigen Menschen in vielfältigen Verwandlungen.

Sie haben das Thema also auf den Menschen übertragen. Können Sie das ein wenig erläutern?

Mohr: Lebenszweck und Lebensform und die dazu notwendigen Fähigkeiten sind Tieren in der Regel naturgegeben – das sieht man beispielsweise in dem „großen wandelnden Blatt“ des Gemäldes „Chlorophyll“. Wenn ein Mensch sich aber in seinem Gebaren, seiner Mimik, seiner Stimme, seinem Äußeren, seiner Kleidung, eben in seiner Erscheinung verändert, folgt er meist einem erdachten, sich selbst gesteckten Ziel. Dabei reicht die Bandbreite vom schönen Selbstzweck des Schmückens und Schminkens – wie beim Bildtitel „Ros à Rot“ – bis hin zu einer, unter Vortäuschung falscher Versprechungen mit getarntem Virus versendeten E-Mail, worauf mein Acrylwerk „Darknet“ anspielt.

Wir sehen aber auch Werke, die einfach zum Schmunzeln auffordern. Da gibt es ein Bild in der Ausstellung mit dem witzigen Titel „Alfonix“. Es zeigt ein zweigeteiltes, mittig in der Vertikale geschickt verwobenes Gesicht. Auf der einen Seite ist ganz malerisch das Porträt eines grauhaarigen Mannes mit gezwirbeltem Schnurrbart zu sehen, auf der anderen ist der uns allen aus den Comicheften bekannte Asterix zu erkennen. Was hat es damit auf sich?

Mohr: Dieses Bild ist eine Hommage an einen ebenso tiefgründigen wie humorvollen Kommilitonen meiner Studienzeit in Trier. Gemeinsam übten wir uns damals an Comicfiguren wie dem gallischen Helden Asterix - heute ist Alfons Kiefer ein international gefragter Meister der fotorealistischen Illustration. Noch kennt der Wahlmünchener sein zwiespältiges Konterfei nicht, hat aber seinen Besuch in der Rathausgalerie St. Ingbert angekündigt. Darauf freue ich mich schon…

Sie haben jedem Werk einen meist humorvollen Titel gegeben und eine kurze Erklärung dazu verfasst. Das lässt vermuten, dass Sie sich lange mit dem jeweiligen Thema befasst und viel Zeit in die thematischen Hintergründe investiert haben. Wie lange arbeiten sie schon auf dieses Thema hin?

Mohr: Vage Ideen, erste thematisch serienreife Skizzen und Vorarbeiten in Rötel auf Leinwand reichen zurück bis Ende 2016. Die Umsetzung in Acryl einschließlich der immer wieder mal überkommenden Verunsicherungen und Verschlimmbesserungen nahm über ein Jahr in Anspruch. Ich finde an ein und demselben Motiv oft kein Ende, wäre da nicht der Termin der Vernissage gewesen. Oft ist ein fester Termin eine gute Entscheidungshilfe. Die Bildtitel und Untertitel stimme ich gerne mit meinem Mann ab, er hilft mir, meine Gedanken auf den Punkt zu bringen. Wenn dabei mit kritischen, ironischen und humorvollen Worten sparsam und verfremdend umgegangen wird, dann ist das Absicht – die Betrachter beziehungsweise Leser werden so zum Nachdenken ermuntert.

Man kennt Sie ja als eher grafisch geprägte Malerin, die gerne ganz bewusst plakativ malt. In dieser Ausstellung aber zeigen Sie auch viele malerisch geprägte Werke. Ist das dem Thema geschuldet oder haben Sie sich neu ausgerichtet?

Mohr: Am Anfang meiner künstlerischen Tätigkeit habe ich meist Gegenstände mit schnellem und flächigem Pinselstrich zum Leben erweckt und bildnerisch sprechen lassen. Da brauchte der Betrachter aber auch einfach nur das Objekt zu erkennen und die hier und da ungewöhnliche Situation zu verstehen – zum Beispiel die zerbrochene Kaffeetasse auf dem Küchenboden mit dem Titel „Extass“. Auch ein Portrait, das nichts als sich selbst zeigt, braucht nicht die porenrein-naturalistische Darstellung. Da ist viel Raum für die freie, handwerkliche sowie künstlerische Interpretation. Versuche ich aber in Gesichtern zusätzlich eine abstrakte Botschaft erkennbar zu machen, empfiehlt sich die realistische Darstellungsform. Beides zu abstrahieren führte zu Chaos. Ich werde aber meinen mir grundeigenen Stil wiederbeleben.

Ihre Ausführungen passen sehr gut zum bisher nicht erwähnten Anfang des Rundgangs. Da sind zwei Bildmotive in zwei völlig verschiedenen Maltechniken zu sehen. Ein modernes, mutig strukturiertes Acrylgemälde, das in Farbe und Form an die Urban Art angelehnt ist. Das andere Acrylgemälde wirkt eher antiquarisch und erinnert mit seiner sensiblen Malweise an Leonardo da Vincis „Salvator Mundi“. Ich kann hier auf den ersten Blick keinen direkten Bezug zum Thema „Schmücken, Schützen, Tarnen, Täuschen“ erkennen, aber Sie werden mir das sicherlich erklären. Stimmt‘s?

Mohr: In meinen Gemälden und Bildtiteln unterstelle ich den dargestellten Wesen ganz bestimmte Neigungen, egal ob Eitelkeiten, Peinlichkeiten, Schutzbedürfnisse, Selbstwertveränderungen oder Verlogenheit – Wesenszüge von liebenswert bis kriminell. Fügen wir jetzt noch paradox und dekadent hinzu, dann sind die beiden Gemälde im Eingangsbereich die Erklärung für die kaum erklärbare Vielfalt der Charaktere und jedes Menschen Sicht der Dinge. Obwohl der Erlöser mahnend die Hand erhebt, kommt nicht nur Fußballer Neymar für 200 Millionen Euro unter den Hammer, sondern auch „Salvator mundi“ erlöst für sich selbst rund 400 Millionen. Und das Doppelbild „Urbanisation“ erklärt in Bild, Titel und Untertitel die sich wandelnde Betrachtungsweise mit Blick auf die Entwicklung von Graffiti zur Urban Art, der Kunst im öffentlichen Raum und in namhaften Museen und Galerien. Zudem entwickeln sich in diesem Segment Nachfrage und Preis explosionsartig. Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht, ob nicht auch ich bei diesen Zahlen meine Sicht der Dinge ändern wollte. Um dann aber nicht auf einer Leinwand wie hier zu landen, würde ich selbst vielleicht auf „Schmücken, Schützen, Tarnen und Täuschen“ zurückgreifen.

Die Ausstellung läuft bis 21. Dezember. Rathausgalerie St. Ingbert, Am Markt 12, Montags bis donnerstags 8 bis 18 Uhr, freitags 8 bis 12 Uhr. Führungen können unter Tel. (0171) 5 78 22 72 (Jutta Mohr) vereinbart werden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort