Wo die Bierträume schäumen

Das Getränk mit der Schaumkrone umgibt in St. Ingbert nach wie vor ein eigener Kult. Auch ohne heimische Brauerei konnte sich so bei seinen Bewohnern über zwei Jahrzehnte stets das Gefühl erhalten, eine Bierstadt zu sein. Neu kreierter Gerstensaft made in Dengmert hat gerade Konjunktur.

Im Herbst ist es 20 Jahre her, dass der Karlsberg-Konzern nicht nur die Becker-Brauerei in St. Ingbert kassiert hatte, sondern auch noch ankündigte, dort das Bierbrauen einzustellen. Dass am Beckerturm die schäumende Lebensader gekappt wurde, hat eine tiefe Wunde hinterlassen. Doch die ist bis heute nie vernarbt. Im Gegenteil: St. Ingbert ist stets eine Bierstadt mit Eigensinn geblieben. Und das gelang den St. Ingberter Bierliebhabern wohl vor allem deshalb, weil sie einen im Marketing bewährten Kniff anwenden. Wer ein Auslaufmodell vorm Vergessen retten will, muss es zum Kult erklären. Dank diesem Kult gelingt es Becker Bier bis heute, als St. Ingberter Traditionsmarke gefühlt zu werden, obwohl es andernorts gebraut wird. Noch was klappt: Diesen Bierkult kann auch jene Generation cool finden, für die die Brauerei in St. Ingbert immer schon Geschichte war.

Richtig Schwung in die Dengmerter Bierkultur gebracht hat dann vor fünf Jahren das Becker's Pils in Stubbi-Flaschen, für die sich die Becker Bier Buwe in Rohrbach so hartnäckig eingesetzt hatten. Ein Riesenerfolg, gerade an der jetzt bevorstehenden Fastnacht: Denn die Stubbi-Flasche war (und wird wohl wieder) ein Star im St. Ingberter Fastnachtsumzug. Für den Umzug an diesem Sonntag (leider) ein bisschen zu spät kam in dieser Woche aber die neue bierselige Freudenbotschaft in der Mittelstadt. Im Sudhaus wird direkt neben dem Beckerturm fortan ein Helles gebraut. Das neue Bier, das "Weisgerber" genannt wird, liegt voll im Craft Beer-Trend, der bei viele Brauern und Biertrinkern als Zukunftshoffnung gilt.

Der neu kreierte Gerstensaft made in Dengmert soll voraussichtlich im Mai dem breiteren Publikum erstmals kredenzt werden. Also nur wenige Wochen vorm Pfingstmontag, der in St. Ingbert schon länger für das nächste Bier-Ereignis reserviert ist: das Ökumene-Bier. Droht Konkurrenz oder werden jetzt zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen? Der protestantische Pfarrer Fred Schneider-Mohr und sein katholischer Kollege Andreas Sturm hatten, als der St. Ingberter Bier-Akzent fürs Luther-Jahr bekannt wurde, ja noch nicht genau gewusst, wo der ökumenische Gerstensaft gebraut wird. Und beim Ökumene-Bier wie beim "Weisgerber" ist der Brau-Experte Edmund Guckert mit seinen Rezepturen aus speziellem Hopfen und Malz mit von der Partie. Vielleicht lässt sich im Sudhaus zusammen was brauen.

Eines ist in St. Ingbert aber in jedem Fall sicher: Die Bierträume schäumen wie selten.

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