Wie aus Laborproben Kunst wird

Homburg · Anne Kerber arbeitet als medizinisch-technische Assistentin am Uniklinikum in Homburg. Sie verwandelt in ihrer Freizeit Gewebeschnitte in Pop-Art-Kunst. Nun zeigt sie ihre Arbeiten im Menschen-Museum am Berliner Alexanderplatz.

 Anne Kerber und der Ausstellungsleiter des Menschen-Museums, Sebastian Rottner-Hönicke, vor Kerbers Bildern, die dort bis zum 30. April zu sehen sind. Als Histo-Pop-Art bezeichnet sie ihren Stil. Foto: David Eckel/ Menschen Museum

Anne Kerber und der Ausstellungsleiter des Menschen-Museums, Sebastian Rottner-Hönicke, vor Kerbers Bildern, die dort bis zum 30. April zu sehen sind. Als Histo-Pop-Art bezeichnet sie ihren Stil. Foto: David Eckel/ Menschen Museum

Foto: David Eckel/ Menschen Museum

Als sie schließlich tatsächlich auf dem Berliner Alexanderplatz stand, an den Stufen zum Fernsehturm, in dessen Sockel jetzt ihre Bilder hängen, da musste sich Anne Kerber doch einmal kurz kneifen. Sie hat hier, im Foyer des Menschen-Museums, einem Ableger der Körperwelten-Ausstellung des Leichen-Plastinators Gunther von Hagens, eine eigene Ausstellung. "Das ist schon spektakulär", sagt sie.

Begonnen hat die Geschichte in einem Labor am Universitätsklinikum des Saarlandes in Homburg. Hier arbeitet Kerber seit 25 Jahren als medizinisch-technische Assistentin in der Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie. Und hier kam ihr auch irgendwann die Idee, dass aus dem, was quasi zu ihrer täglichen Arbeit gehört, Kunst werden könnte. 2006/2007 habe alles angefangen, berichtet sie, "schleichend" wurde mehr aus ihrer Faszination für die unterschiedliche Struktur, die Gewebe aufweisen.

Wer ihre Bilder anschaut, der sieht zunächst poppig bunte Farben, abstrakte Formen und Muster. Doch in Wirklichkeit steckt noch mehr dahinter, denn sie erlauben einen tiefen Blick in das Innere des Menschen.

Für ihre Arbeiten stellt Anne Kerber nämlich fünf Mikrometer dünne Schnittpräparate von gesundem menschlichem Gewebe her und färbt diese ein. Unter dem Mikroskop werden die Präparate anschließend betrachtet. "Dann suche ich die Stelle aus, die mir gut gefällt", anschließend werde der Ausschnitt fotografiert. Danach kommt Technik zum Einsatz: Am Computer sorgt Kerber für den farb-künstlerischen Ausdruck, der den Bildern den Pop-Art-Charakter verleiht. Wie genau sie das macht, ist ihr Geheimnis.

Das Ergebnis nennt sie Histo-Pop-Art, eine Zusammensetzung aus, klar, Pop-Art und Histologie, der Wissenschaft vom Aufbau biologischer Gewebe.

Am Anfang waren es Schnittpräparate der Haut mit deren typischen Drüsen und Haaren. Anne Kerber: "Die hatte ich als erstes zur Verfügung", schließlich arbeite sie in der Hautklinik. Mit der Zeit hat sich ihr Kunstprojekt ausgeweitet. "Immer mehr Leute haben mich gefragt: Wie sieht das eigentlich bei der Leber oder der Niere aus?" Da sie davon aber nichts Passendes zur Hand hatte, kramte sie den Lehrkasten aus ihrer Ausbildungszeit hervor und stellte fest, dass sich die Dauerpräparate darin noch gut verwenden ließen. Auch diese verwandelte sie in Histo-Pop-Art.

So seien ihre Bilder nach und nach quasi zu einer Reise durch den ganzen Körper geworden, betont sie. Was ihr wichtig ist: Sie verwendet ausschließlich gesundes Gewebe, niemals krankes. Kunst daraus "wäre auch ethisch für mich nicht vertretbar".

Selbst wenn einzelne Strukturen der Gewebe deutlich zu erkennen sind, die Menschen reagieren meist mit nicht-medizinischen Assoziationen, berichtet Anne Kerber. Manche sehen Naturphänomene wie zum Beispiel Südsee-Atolle oder nordische Fjorde, andere schlicht interessante Formen. "Und es gibt tatsächlich Leute, die sich das aufhängen", freut sich Kerber.

Ihre ersten künstlerischen Schritte nach außen machte sie in der Gemeinschaftsausstellung "Kunst in der Mensa", dann folgten Präsentationen, zum Beispiel auf Kongressen. Mittlerweile haben ihre Bilder auf dem Homburger Campus auch ihren festen Platz: In der Universitäts-Hautklinik ist eine thematisch passende Zusammenstellung aufgehängt, ebenso in der Uni-Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde.

Und wie kam sie zur Schau in Berlin? Sie hat sich und ihre Arbeit dem Menschen-Museum schlicht vorgestellt und wurde prompt eingeladen. Anders als in ihren anderen Ausstellungen sind die Bilder, die sie dort zeigt, nicht mit Erklärungen zur Funktion dessen, was dargestellt ist, versehen. Obwohl das gerne gelesen werde.

Während Kerbers Kunst sich dem menschlichen Körper ab-strakt nähert, sieht das im Menschen-Museum anders aus, denn hier sind präparierte Leichen und Körperteile ausgestellt - was stadtpolitisch durchaus umstritten war und auch einen Rechtsstreit zwischen dem Menschen-Museum und dem Bezirksamt Mitte nach sich zog. Dessen Vorgaben würden nun erfüllt, schreibt das Museum selbst. "Ich habe keine Berührungsängste", sagt Kerber. Doch wer hier eher skeptisch ist: Ihre Bilder sind im Foyer zu finden und nicht zusammen mit den Plastinaten.

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 Im Sockel des Fernsehturms am Berliner Alex sind die Bilder von Anne Kerber zu sehen. Foto: Anne Seifried

Im Sockel des Fernsehturms am Berliner Alex sind die Bilder von Anne Kerber zu sehen. Foto: Anne Seifried

Foto: Anne Seifried

Die Ausstellung "Histo-Pop-Art" von Anne Kerber ist noch bis zum 30. April im Foyer des Menschen-Museums im Fernsehturm auf dem Berliner Alexanderplatz zu sehen (www.memu.berlin/aktuelles/ ). Geöffnet ist sie täglich von 10 bis 19 Uhr. Arbeiten von ihr kann man demnächst auch in der Nähe anschauen: ab April/Mai in der Anästhesie im Uniklinikum Homburg. Dann geht es weiter in eine Hautklinik in München, es folgen Paderborn, im kommenden Jahr Hamburg und Saarbrücken. Wer mehr über ihre Kunst wissen will, der kann sich im Internet informieren auf der Seite www.histopopart.de; Blog: histopopart.jimdo.com .

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