Herbstkonzert Mehr Jugend in Publikum und Orchester

Homburg · Das Homburger Sinfonieorchester hatte sich nicht nur nach Meinung des Vorsitzenden Michael Schurig im Saalbau sein bisher schwerstes Programm ausgesucht und den musikalischen Bogen weit gespannt.

 Neben Sibelius‘ Sinfonie Nr. 5 und Camille Saint-Saëns’ „Suite algerienne“ stand am Sonntag auch Glasunows Saxofon-Konzert mit Guy Goethals als Solist im Mittelpunkt des Konzerts des Homburger Sinfonieorchesters unter der Leitung von Jonathan Kaell.

Neben Sibelius‘ Sinfonie Nr. 5 und Camille Saint-Saëns’ „Suite algerienne“ stand am Sonntag auch Glasunows Saxofon-Konzert mit Guy Goethals als Solist im Mittelpunkt des Konzerts des Homburger Sinfonieorchesters unter der Leitung von Jonathan Kaell.

Foto: Thorsten Wolf

Camille Saint-Saëns’ geschmeidige und tonmalerische „Suite algerienne“, Alexander Konstantinowitsch Glasunows Saxofon-Konzert mit Guy Goethals als Solist und Jean Sibelius‘ Sinfonie Nr. 5: Das Konzert des Homburger Sinfonieorchesters spannte am vergangen Sonntag den Bogen weit – und das auch ein bisschen in der Zeit, war doch gerade Saint-Saëns’ Werk schon vor rund einer Woche zentrales Element des Familienkonzerts (wir berichteten).

Am Sonntag nun reihte sich die Hommage an Algier ein in einen Reigen, der gerade mit Sibelius‘ Sinfonie einen deutlichen Kontrastpunkt aufwies, auch im Anspruch an das Orchester. Noch bevor im gut besuchten Homburger Kulturzentrum Saalbau die ersten Töne der „Suite algerienne“ erklangen, ordneten Jonathan Kaell, der musikalische Leiter des Homburger Sinfonieorchesters, und der erste Vorsitzende Michael Schurig den anstehenden Abend unter ganz vielen Gesichtspunkten ein. „Das ist heute schon etwas ungewohnt. Saint-Saëns ist ja sehr gefällige, romantische, französische Musik. Ich will nicht sagen ‚karnevalesk‘, aber schon eher folkloristisch. Das Werk ist sehr inspiriert, sehr farbig und sehr schön gedacht“, so Kaell. „Die beiden anderen, also Glasunow und Sibelius, gehören der Spätromantik beziehungsweise dem Übergang zur Moderne an. Beide schreiben allerdings romantisch, also tonal, haben aber eine enorme Evolution hinter sich.“ So habe Sibelius als ur-romantischer Komponist angefangen, „mit den wunderschönen, symphonischen Dichtungen, die jeder kennt. Mit der Zeit ist er aber immer unglücklicher geworden und hat sich in die Idee verbissen, dass er nicht mehr so richtig in die Zeit passt. Er konnte am besten gefällige, romantische Musik schreiben, merkte aber, dass dieser Zug abgefahren ist.“ So sei Sibelius, wie Kaell schilderte, in seiner letzten Schaffensphase auf der Suche nach einer neuen Klangsprache gewesen. Damit stehe die Sinfonie ein bisschen zwischen den Welten, „er schreibt tonal, er sucht die Moderne auf anderen Wegen, so in formaler Hinsicht und im Gesamtkonzept. Aber trotzdem ist die 5. Sinfonie nicht modern.“

Vor diesem Hintergrund beschrieb Michael Schurig das Programm als „das schwerste, das wir bislang gemacht haben. Dieses Beachten von so vielem in so wenigen Noten, das war schon eine sehr große Herausforderung. Wir mussten viel tun.“ Hier fokussierte Kaell erläuternd auf den ersten Satz von Sibelius Werk, „an einer Stelle spielen Streicher und Bläser eigentlich dasselbe, aber um ein Achtel versetzt. Das bedeutet: Die Streicher spielen zuerst und die Bläser hinterher. Das klingt, wenn man es nicht richtig macht, wie ein Fehler.“ In solchen Ansprüchen läge ein enormer Aufwand. Doch dieser Aufwand, dessen war sich Michael Schurig stellvertretend für das Orchester sicher, lohne sich, „weil es uns Spaß macht und weil wir weiter kommen wollen“.

Was am vergangenen Samstag nicht zum ersten Mal auffiel: Im Gegensatz zur Zeit noch vor fünf oder sechs Jahren hat sich das Publikum mit einem respektablen Anteil deutlich verjüngt. Jonathan Kaell begründete diese dankenswerte Veränderung auch mit einer Verjüngung des Orchesters selbst, „wir hatten das unglaubliche Glück, dass wir hier einige Schlüsselpersonen gewinnen konnten – und die ziehen natürlich andere mit, auch beim Publikum.“ Diese Entwicklung sei für das Orchester mit Blick auf die Zukunft und den Zuspruch des Publikums sehr gut, freute sich Michael Schurig.

Mit Camille Saint-Saëns’ gefälliger „Suite algerienne“ nahm das Sinfoniekonzert einen schwungvollen Auftakt, um dann vor der Pause mit Glasunows Saxofon-Konzert auf einen weiteren Höhepunkt hinzusteuern. Hier zelebrierte Solist Guy Goethals sein Ausnahme-Können und verwandelte den Moment zu einem guten Grund für euphorischen Applaus. Nach der Pause dann stand Sibelius auf dem Programm – mit der besagten Sinfonie Nr. 5. Die war schon zu Lebzeiten des finnischen Komponisten geprägt von formalen Veränderungen, gleich drei Versionen des Werks sind bekannt. Die Entstehung der Fünften fiel in die Zeit, als die sinfonische Form starken Veränderungen unterlag, nicht zuletzt ausgelöst durch das Wirken des Komponisten Arnold Schönberg, der dissonante und chromatische Harmonien etablierte. So steht Sibelius 5. Sinfonie auch für einen Komponisten auf der Suche nach einem Weg von der Spätromantik hin zur Moderne – für den Finnen am Ende eine Sackgasse, schon Ende der 1920er Jahre und damit über 30 Jahre vor seinem Tod beendete er sein kompositorisches Wirken.

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