Vips lesen vor Aus dem Leben eines kreativen Künstlers

Homburg · Durchaus schwere Kost gab es im „Bistro 1680“ von der Künstlerin Julia Johannsen zu hören. Sie las aus dem Werk John Bergers.

 Eindrücklich beleuchtete Julia Johannsen bei ihrer Lesung Werk und Wirken des englischen Autos John Berger.

Eindrücklich beleuchtete Julia Johannsen bei ihrer Lesung Werk und Wirken des englischen Autos John Berger.

Foto: Thorsten Wolf

Wer die Homburger Künstlerin Julia Johannsen ein bisschen kennt, der weiß: Wenn sie etwas anpackt, dann wird es nichts von der Stange. Und so verwunderte es eigentlich nicht wirklich, dass sich Johannsen für ihren Auftritt bei „Vips lesen vor“ als Teil der Homburger Lesezeit ein Werk des britischen Multiformat-Künstlers John Berger ausgesucht hatte – und hier nicht aus der Prosa, sondern mit „Begegnungen und Abschiede“ eine Essay-Sammlung. Man konnte also als Zuhörer im Stadtcafé „1680“ im alten Rathaus am Marktplatz ein bisschen das erwarten, was die Klitschko-Brüder in einem legendären Werbespot vor Jahren mal als „schwere Kost“ bezeichnet hatten.

Bevor eine sichtlich aufgeräumte Julia Johannsen „ihrem“ Autor John Berger ihre Stimme schenkte, gab es in einer kurzer Begrüßung und einem kurzen Dialog eine folgerichtig kurze Einführung zur Lesenden, zum Autor und zum Werk. Die Protagonisten: eben Johannsen und Patricia Hans, zusammen mit Jutta Bohn Organisatorin der „Lesezeit“. Gleich zu Beginn verwies Hans darauf, dass man mit Julia Johannsen die jüngste Teilnehmerin der Lese-Reihe begrüßen dürfe.  Auch stellte Hans den Gästen Johannsen mit all ihren Facetten vor, so als studierte Germanistin, Theologin, international ausstellende Künstlerin und seit einiger Zeit auch Galeristin.

Nachdem dann erstmal ergebnisoffen diskutiert wurde, ob man Berger nun „Berger“ oder „Börgscher“ ausspricht, gaben Johannsen und Hans den Gästen einen Einblick in die Biografie des Autors. Zum Hintergrund: John Berger, geboren 1926 im englischen Stoke Newington und gestorben 2017 im französischen Antony, verschaffte sich zu Lebzeiten den Ruf eines echten Multiformat-Kreativen – als Maler, Schriftsteller und Kunstkritiker. Julia Johannsen selbst charakterisierte Berger gleich zu Beginn ihrer Lesung so: „Er hat eine ganz besondere Form des Sehens gepägt. Er war ein Maler mit Worten. Er ließ Erzählungen in Bildern entstehen, Geschichten wurden Bilder.“ Wahrnehmung habe dabei bei Berger immer einen bejahenden Charakter gehabt, „er war der Natur und den Menschen mit allen seinen Sinnen zugewandt“.

Wie nun brachte Julia Johannsen ihren Zuhörern diesen wesentlichen Wesenszug Bergers nahe? Natürlich mit einer entsprechenden Auswahl an Texten aus der Essay-Sammlung „Begegnungen und Abschiede“. Dabei wählte Johannsen als ersten von insgesamt drei Texten Bergers Aufarbeitung einer ganz besonderen Geschichte, die sich zwischen den Jahren 1879 und 1912 im französischen Hauterives zugetragen hatte – der Bau des „Palais idéal“, des „idealen Palastes“, erschaffen ohne handwerkliche Ausbildung vom Landbriefträger Ferdinand Cheval. Dem Text voran stellte Johannsen John Bergers „Vorbemerkung an den Leser“ aus „Begegnungen und Abschiede“ - als eine Art grundsätzliches Funddament für das, was folgen sollte. „Ich komme viel herum, ich lebe meine Jahre. In diesem Buch geht es um das Einhalten von Verabredungen – die die ich nicht eingehalten habe, sind eine andere Geschichte. Jede Schilderung beginnt mit einem Bild, das etwas vom dem Ort heraufsbeschwört, wo das Treffen stattgefunden hat.“ So weit Berger über Berger.

Was Julia Johannsen dann im eigentlichen Auftakt-Text „Der ideale Palast“ schilderte, ging weit über die Geschichte Ferdinand Chevals und dessen Palast-Bau hinaus, sondern hob mit den Worten Bergers das Werk des Postboten hinaus in den Diskurs zur gesellschaftlichen Klassenzugehörigkeit, machte es zum Drehpunkt der unterschiedlichen Daseinswahrnehmungen von Land- und Stadtmenschen und bewerte Chevals „kollosales Werk“, so Berger mit der Stimme Julia Johannsens, vor diesem Hintergrund als eines, das Dichtung, Bildhauerei und Dichtung umfasse.

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