Detektivaffäre Homburg nach dem Urteil unter Schock

Homburg · Erste Forderungen an den verurteilten Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind, sein Amt sofort ruhen zu lassen.

 Da war die Welt noch halbwegs in Ordnung: Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (rechts) gratuliert Michael Forster (CDU) zur Ernennung zum Bürgermeister. Forster würde nun die Amtsgeschäfte von Schneidewind übernehmen, falls dieser sie ruhen lässt.

Da war die Welt noch halbwegs in Ordnung: Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (rechts) gratuliert Michael Forster (CDU) zur Ernennung zum Bürgermeister. Forster würde nun die Amtsgeschäfte von Schneidewind übernehmen, falls dieser sie ruhen lässt.

Foto: Linda Barth/Stadt Homburg

Der Urteilsspruch gegen Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD) schlug am Donnerstagabend in Homburg ein wie eine Bombe. Eigentlich sollte um 17.30 Uhr die reguläre Stadtratssitzung beginnen – geleitet von Schneidewinds Stellvertreter, Bürgermeister Michael Forster (CDU), weil der OB selbst ja seinen letzten Verhandlungstag vor dem Landgericht Saarbrücken hatte. Das kurz zuvor verkündete Urteil der Kammer – ein Jahr und drei Monate auf Bewährungsstraße (drei Jahre) und Zahlung einer Geldbuße über 10 000 Euro – machte die Ratssitzung zwangsläufig zur Nebensache. Eine mögliche Revision steht noch an, das heißt der Rechtsweg ist noch nicht in Gänze beschritten. Sollte das Urteil allerdings bestätigt werden, braucht die Kreis- und Universitätsstadt demnächst einen neuen Oberbürgermeister. Dann muss Schneidewind nach Beamtenrecht aus dem Amt scheiden.

Dem ungeachtet wurden aus Reihen des Rates schon erste Forderungen aus Reihen von CDU und Linken laut, dass Schneidewind sein Amt ab sofort ruhen lassen möge. Der OB muss innerhalb einer Woche Revision gegen das Urteil einlegen. Er war nach dem Richterspruch sichtlich angegriffen. Auch die kleine Gruppe seiner Prozessbegleiter waren kaum zu einem Satz fähig – auch sie hatten nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, die „lediglich“ zehn Monate auf Bewährung gefordert hatte, auf einen milderen Richterspruch gehofft.

Bei seiner Begründung wurde der Richter, Ralf Schwinn, sehr deutlich. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahmen werde deutlich, mit welchem Dilettantismus von der Verwaltungsspitze der Stadt mit dieser Sache umgegangen worden sei. Angefangen beim Oberbürgermeister selbst, der aussage, dass er sich mit Detekteien und Verträgen nicht auskenne, den Detektivvertrag aber allein, ohne Rücksprache, unterzeichnet habe. Aber auch am „sorglosen Vorgehen“ der Verantwortlichen des Rechtsamtes, der Stadtkämmerei und des Hauptamtes ließ der Richter kein gutes Haar. „Diese Zustände in der Stadtverwaltung sind erschreckend“, zumal hier 450 Mitarbeiter beschäftigt seien und es um einen Jahresetat von 80 und 100 Millionen Euro ginge. Der Steuerzahler könne hier mehr Sachkenntnis erwarten, so die Einschätzung des Richters.

Er kritisierte auch den Umgang mit möglichen hausinternen Unregelmäßigkeiten vor dem Einschalten einer Detektei. Seit Jahren gäbe es Vorwürfe rund um den Baubetriebshof, es ginge nicht mit rechten Dingen zu. Von Holzmafia, Verschwinden von Werkzeugen und Arbeitszeitverstößen sei die Rede. Das alles habe der OB schon 2014 zum Thema in seinem Wahlkampf gemacht. Nach seinem Amtsantritt habe es weitere Hinweise gegeben, „doch keiner wollte Verantwortung übernehmen, um Angaben zu machen und diese zu bestätigen“. Man habe Zeugen ein Schweigegelübde gegeben, „was es im Verwaltungsrecht so nicht gibt“. Deshalb seien die Verantwortlichen völlig falsch an die Sache herangegangen. Schwinn: „Entweder es ist was dran an den Vorwürfen, dann muss man was sagen, oder man hält die Klappe, wenn es sich nur um Flurfunk-Gespräche handelt.“ Welche Angst vor Repressalien solle es denn geben, um nicht zu seinen Aussagen stehen zu wollen?, fragte der Richter weiter. „Gab es Schlägertrupps oder mafiaähnliche Drohungen? Die gab es nicht, auch dies hat niemand ernsthaft hinterfragt.“ Nach Auffassung der Kammer habe niemand von den Verantwortlichen ernsthaft versucht, Licht ins Dunkel zu bringen, auch ein schlüssiges Gesamtkonzept habe gefehlt, was einfach nicht gehe. Es hätten vielmehr Möglichkeiten bestanden zu handeln, zum Beispiel die Bautrupps auseinanderreißen, alle Werkzeuge zu erfassen, ebenso das geschlagene Holz. „Das alles hätte man angehen müssen, statt dessen kam man auf die Idee mit den Detektiven.“

Und wie geht es nun in Homburg weiter? Am Donnerstagabend überwog noch der Schock und die Ratlosigkeit. Bürgermeister Michael Forster in einer ersten Stellungnahme: „Das Gericht hat ein klares Urteil gefällt. Meine Aufgabe ist es nun, meinen Beitrag zu leisten, dass die Verwaltung künftig professionell und an Recht und Gesetz orientiert geführt wird. Dafür bin ich vom Rat gewählt und werde diese Aufgabe auch erfüllen.“ Auf die Frage, ob der OB nun sein Amt ruhen lassen müsse, meinte sein Stellvertreter: „Diese politische Bewertung müssen der Stadtrat und die Parteien vornehmen – und natürlich der OB selbst, wie er mit dieser Sache umgeht.“ Deutlicher wurde da schon CDU-Fraktionsvorsitzender Stefan Mörsdorf: „Wenn das Urteil rechtskräftig wird, wird der OB aus dem Amt entfernt. Dann gibt es keine andere Möglichkeit. In der Zwischenzeit halten wir es für sinnvoll, dass er sein Amt niederlegt und dem Bürgermeister übergibt, um weiteren Schaden von der Stadt abzuwenden.“ Mörsdorf hätte nach eigenem Bekunden das Urteil „in dieser Härte“ nicht erwartet, zumal die Kammer noch über den Forderungen der Staatsanwaltschaft gegangen sei.

Barbara Spaniol von den Linken meinte gegenüber unserer Zeitung, dass der Rechtsweg samt Revision nun wohl zunächst komplett ausgeschöpft werde und man so lange abwarten müsse. Dennoch drängt sie auf Konsequenzen: „Wir schlagen vor, dass Schneidewind so lange sein Amt ruhen lässt.“

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