Kerzengerade Erfolgsgeschichte

Homburg · Die Homburger Physiologie ist eine Einrichtung, die von Anbeginn bis heute ungebrochen wissenschaftliche Erfolge erzielt. Ein schönes Thema für eine Broschüre, die diese Erfolgsgeschichte beleuchtet. Hans-Peter Richter hat sie geschrieben.

. Menschen glauben gerne, dass Geschichte linear verläuft. Etwas fängt klein an, wächst und gedeiht, wird später groß, erfolgreich und besser als das bisher Dagewesene. Doch die Menschheitsgeschichte verläuft vielmehr in Wellen - da gibt es Rückschritte und Neuanfänge. Irrationale Vorstellungen haben in der Geschichte oft Perioden des Fortschritts niedergemacht.

Zum Glück findet man aber immer wieder Beispiele, die die Idealkurve nehmen und linear verlaufen: "Vom Kleinsten zum Komplexen", wie es der Chemie-Nobelpreisträger Professor Gerhard Ertl einmal bei einem Besuch im Saarland formulierte.

Es geht um die Entwicklung des Faches Physiologie am Universitätsklinikum in Homburg . Aus kleinen Anfängen nach dem Krieg hat es sich heute unter dem Namen CIPMM ("Center of integrative physiology and molecular medicine) zu einer der renommiertesten Forschungseinrichtungen in Deutschland entwickelt.

Zu verdanken hat das anfangs kleine Fach diesen Umstand der Wahl eines außergewöhnlichen Professors, der 1954 nach Homburg kam - als Direktor des Physiologischen Instituts der Medizinischen Fakultät: Robert Stämpfli. Zuvor hatte der gebürtige Schweizer Professor eng mit Andrew Huxley in Cambridge zusammengearbeitet, der später mit Alan Hodgkin den Nobelpreis erhielt. Das Hodgkin-Huxley-Modell ist bis heute das berühmteste Modell zur Simulation von Neuronen. "Stämpfli setzte von Anfang an internationale Top-Maßstäbe in der Forschung", sagt Hans-Peter Richter. Richter, selbst Professor in der Physiologie , hat nun die Entwicklung der Homburger Physiologie in einer 150-seitigen Broschüre dokumentiert: von den bescheidenen Anfängen des Instituts nach dem Krieg bis zum 36 Millionen Euro teuren Gebäude auf dem Campus. Er habe das Buch "Vom Physiologischen Institut zum CIPMM" gerne verfasst, denn "es ist eine 65-jährige Erfolgsgeschichte, eine Entwicklung, die immer ihren roten Faden behielt, denn es ging von Anfang an um die Membran der Nervenzellen".

Heute habe man dazu Top-Geräte zur Verfügung, renommierte Wissenschaftler arbeiten zusammen in hochkarätigen Sonderforschungsbereichen. Gerade Sonderforschungsbereiche habe es seit 1968 in ununterbrochener Folge gegeben, betont Richter: "Wenn ein SFB endete, kam der nächste. Es hat nie einen Einbruch gegeben. Das zeigt, dass über Jahrzehnte das hohe Niveau gehalten wurde." Heute arbeiten zehn Professoren mit ihren Arbeitsgruppen am CIPMM, darunter die beiden Gründungsdirektoren Jens Rettig und Frank Zufall. Beide hätten das Saarland verlassen können, Rufe an andere Universitäten gab es. "Aber Homburg ist ein besonderer Platz für die Physiologie ", sagt Richter, "vom historischen Stämpfli-Hörsaal bis zum millionenschweren Großgerät im CIPMM. Ich wollte in meinem Buch auch erklären, warum man gerne am Standort Homburg forscht".

Der Nobelpreisträger Erwin Neher wurde 2010 im Stämpfli-Hörsaal zum Ehrendoktor ernannt, die Wissenschaftsministerin Johanna Wanka kam vor einem Jahr persönlich zur Einweihung des CIPMM. "Auch das zeigt die große Bedeutung dieser Einrichtung", findet Hans-Peter-Richter. Manchmal verlaufe Geschichte eben doch linear.

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 Professor Hans-Peter Richter kam kam 1988 nach Homburg. Er ist seit 2009 im Ruhestand und verfasste eine Broschüre über das CIPMM. Foto: Maack

Professor Hans-Peter Richter kam kam 1988 nach Homburg. Er ist seit 2009 im Ruhestand und verfasste eine Broschüre über das CIPMM. Foto: Maack

Foto: Maack

Auf einen Blick Die 150-seitige Broschüre von Hans-Peter Richter "Vom Physiologischen Institut zum CIPMM, Chronik 1948-2015" ist am CIPMM, Gebäude 48, erhältlich. An der Finanzierung des Gebäudes (36,4 Millionen Euro) beteiligte sich der Bund mit rund 15,8 Millionen Euro, den Rest bezahlte das Land. Vertreten sind der Sonderforschungsbereich 894 "Ca2+-Signale: Molekulare Mechanismen und Integrative Funktionen" und der Gemeinschafts-SFB 1027 "Physikalische Modellierung von Nichtgleichgewichtsprozessen in biologischen Systemen." Bedeutende Wissenschaftskongresse wurden am CIPMM schon abgehalten, an diesem Wochenende ist die Leopoldina zu Gast. red

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