Ausstellung „Jüdisches Leben in Homburg“ Antisemitismus hat viele Gesichter

Homburg · Ausstellung „Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“ im Foyer des Homburger Rathauses am Forum.

 Mit unterschiedlichen Schautafeln zeichnet die Ausstellung im Homburger Rathaus ein Bild „Jüdischer Lebenswelten in Deutschland heute“ und greift dabei auch die deutsch-jüdische Geschichte auf.

Mit unterschiedlichen Schautafeln zeichnet die Ausstellung im Homburger Rathaus ein Bild „Jüdischer Lebenswelten in Deutschland heute“ und greift dabei auch die deutsch-jüdische Geschichte auf.

Foto: Thorsten Wolf

Es ist erst wenige Tage her, da wurde das jüdische Restaurant „Schalom“ in Chemnitz Ziel einer Attacke von Neo-Nazis. Ebenso schlimm und leider immer wieder Gegenstand von Ermittlungen: die Schändung jüdischer Friedhöfe. Es gibt also genug aktuellen Anlass, um sich mit dem Thema „Antisemitismus“, also dem Hass auf Juden, eingehend zu befassen – und sich dabei auch damit zu befassen, wie jüdisches Leben in diesen Tagen in Deutschland aussieht. Aktuell tut dies die Ausstellung „Jüdische Lebenswelten in Deutschland heute“ im Foyer des Homburger Rathauses am Forum – ein Projekt der Zeitbild-Stiftung, gefördert vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben“.

Die 20 Schautafeln geben Einblick in die deutsch-jüdische Geschichte und erzählen jüdische Biographien aus der Jetzt-Zeit. Dass die Ausstellung nun in Homburg Station macht, ist auch dem Einsatz der „Partnerschaft für Demokratie der Kreisstadt Homburg“ zu verdanken. Der Awo-Ortsverein Reiskirchen sorgte dafür, dass anlässlich der Austellungseröffnung am Dienstagabend nicht nur die Schautafeln im Mittelpunkt standen, sondern auch ein Vortrag des Politikwissenschaftlers Stephan Grigat. Grigat verdeutlichte die vielen Gesichter des Antisemitismus über die Jahrhunderte hinweg, vom offenen bis zum verdeckten, von gestern bis heute. Er zeigte geschichtliche Wurzeln und aktuelle Entwicklungen auf, sowohl des europäischen Antisemitismus von rechts, links und aus der Mitte der Gesellschaft als auch des islamischen. Grigat erläuterte Hintergründe, füllte bei den Gästen im großen Sitzungssaal auch so manche Wissenslücke und rückte von seinem Standpunkt aus gefühlte Wahrheiten und Erkenntnisse anhand von Fakten zurecht.

Bevor Grigat dies allerdings tat, wandte sich Homburgs hauptamtliche Beigeordnete Christine Becker an die Gäste von Vortrag und Ausstellungseröffnung. Becker musste eingestehen, dass die Hoffung, man hätte nach 1945 schlimme gesellschaftliche Auswüchse überwunden, angesichts der aktuellen Entwicklungen vielleicht getrogen habe. Denn: Reichten doch einige wenige Ereignisse wie in Chemnitz und Köthen aus, um ewig gestrige und menschenfeindliche Haltungen und Gedanken wieder offen und massiv zu Tage treten zu lassen. „Diese Ereignisse verschaffen rechtsextremen Menschen und Gedanken eine riesige Aufmerksamkeit, die viele positive Entwicklungen überlagert und uns gefühlt weit zurückwirft in unserem Bestreben nach Integration und einem friedlichen Zusammenleben.“ Wenn, so Becker weiter, dann noch Politikerinnen und Politiker, von denen man annehmen könne, dass sie sich in der Mitte der Gesellschaft befänden, versuchten am rechten Rand Punkte zu machen, „dann werden Äußerungen wieder hoffähig gemacht, die überwunden schienen“. Es gelte deswegen Zeichen des Protests und des Rechts setzen, „denn wenn es gegen Jüdinnen und Juden geht, dann steht zugleich das Recht und die Sicherheit aller Minderheiten auf dem Spiel – und nicht zuletzt die Würde einer ganzen Gesellschaft“. Und Becker schloss ihre Einführung mit den Worten von Jean Paul Sartre: „Der Antisemitismus ist die Furcht vor dem Menschsein.“

Mit der Eröffnung am vergangenen Dienstagabend, dem 11. September, und ihrem Ende am 9. November umspannt die Ausstellung zwei wichtige Daten der Weltgeschichte: Die Anschläge auf das World Trade Center im Jahr 2001 und die Reichspogromnacht im Jahr 1938. Zum Anschlag in New York verdeutlichte Stephan Grigat, dass es sich dabei aus seiner Sicht und entgegen früherer Lesarten um einen islamistisch motivierten antisemitischen Anschlag gehandelt habe. Diese Form des Antisemitimus sei vor allem geprägt von einem Hass auf den Staat Israel, das Ziel New York stehe dabei stellvertretend für die Unterstützung der USA für den jüdischen Staat. Dies verdeutliche eine klar antisemitische Stoßrichtung der Attentäter. „Dies wurde lange von wissenschaftlicher und medialer Seite in Abrede gestellt“, so Grigat. Dass dies so gewesen sei, zeige ein weiteres Problem auf – so existiere heute eine gewissen Unfähigkeit, antisemitische Ideologie und antisemitische Ressentiments zu erkennen, „wenn der Antisemitismus nicht mehr so explizit geäußert wird, wie wir es aus der Zeit des Nationalsozialismus kennen“.

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