Großer Schritt in der Forschung

Homburg · Als „sensationell“ oder gar „revolutionär“ gilt ein neuer Therapie-Ansatz von Professor Michael Pfreundschuh, den er zusammen mit seinem Forscherteam am Carreras-Zentrum am Uniklinikum entwickelt hat. Die Idee dazu kam ihm in aller Herrgottsfrühe auf dem Laufband.

 Es war hochsommerlich heiß, doch Ingo Steudel, der Ärztliche Direktor (links) und Michael Pfreundschuh, der gestern seine Forschungsergebnisse vorstellte, waren zur Pressekonferenz korrekt im Schlips erschienen. Kein Wunder, der Anlass war bedeutsam. Foto: Maack

Es war hochsommerlich heiß, doch Ingo Steudel, der Ärztliche Direktor (links) und Michael Pfreundschuh, der gestern seine Forschungsergebnisse vorstellte, waren zur Pressekonferenz korrekt im Schlips erschienen. Kein Wunder, der Anlass war bedeutsam. Foto: Maack

Foto: Maack

Es gibt Ereignisse, die kann man planen. Eingebungen und bahnbrechende Ideen gehören nicht dazu. Die hat man einfach so. Zum Beispiel morgens um 5.30 Uhr auf einem Laufband in der Fitness-Abteilung eines Hotels, wie im Fall von Professor Michael Pfreundschuh, dem Direktor der Inneren Medizin I am Uniklinikum (Onkologie, Hämatologie , Klinische Immunologie und Rheumatologie).

Er war zu Gast bei einem Kongress in den USA und konnte nicht schlafen. So machte er Sport, während seine Gedanken um das Thema kreisten, das sein Spezialgebiet ist: bösartige Erkrankungen der B-Lymphozyten - hierzu gehören Lymphdrüsenkrebs und auch die chronischen lymphatischen Leukämien. Bei bisherigen Behandlungen werden Antikörper eingesetzt, die die Krebszellen angreifen, dabei aber auch gesunde Zellen zerstören. Warum, so fragte sich Pfreundschuh, setzt man bei Lymphomen nicht Antigene ein? Also körpereigene Substanzen, die nur die Krebszellen zerstören, die gesunden Zellen aber nicht angreifen?

Überraschend ist nämlich, dass bei fast allen Lymphom-Erkrankungen ein Antigen vorherrscht, so Pfreundschuh. In den meisten Fällen handele es sich dabei um eine veränderte körpereigene Substanz, also ein Auto (Selbst)-Antigen. Dieses Antigen könnte man doch isolieren - und zwar im Jose-Carreras-Zentrum, das für diese Art der Forschung zur Verfügung steht. Und dann ging's los: eine Arbeitsgruppe, bestehend aus dem Chemiker Klaus-Dieter Preuss, dem Biologen Frank Neumann, dem Arzt Lorenz Thurner und den drei Medizinisch-Technischen Assistentinnen Nathalie Fasle, Evi Regitz und Maria Kemele ging daran, die jeweiligen Antigene für viele unterschiedliche Lymphomarten zu identifizieren. Das Vorherrschen eines oder zweier Autoantigene bei jeder einzelnen Untergruppe von Lymphomen hat sich die Arbeitsgruppe zunutze gemacht und einen revolutionären Therapie-Ansatz entwickelt: Wenn man an das Antigen ein Zellgift koppelt, wird dieses Zellgift in das Innere der Lymphomzelle transportiert und kann dort seine tödliche Wirkung entfalten. Aber eben nur dort.

Im Reagenzglas und an Mäusen, denen ein menschliches Lymphom transplantiert worden war, gab es "sehr positive Ergebnisse", so Pfreundschuh. Diese Forschungsergebnisse wurden jetzt im Juni erstmals auf dem Europäischen Hämatologie-Kongress vorgestellt und von den Teilnehmern als "sensationell" oder gar "revolutionär" bezeichnet.

Es ist der erste Therapieansatz in der Geschichte der Krebstherapie, mit dem ausschließlich die bösartigen Lymphomzellen und nicht die anderen Zellen angegriffen werden. Inhaberin des Patents ist die Universität des Saarlandes . In etwa drei Jahren könnte die Antigen-Therapie den Patienten zugute kommen. Das Patent ist angemeldet, die Publikation in einem der renommierten Wissenschafts-Magazine wie "Science" oder "Nature" könnte in einigen Monaten folgen. Man müsse nur aufpassen, dass nicht eine Firma das Patent für eine zweistelligen Millionenbetrag kauft, "um es zu versenken und sich Konkurrenz vom Leib zu halten", so Pfreundschuh. Auch dies gebe es. Wirtschaft funktioniere nach anderen Gesetzen als Forschung. Es gehe in der medizinischen Forschung aber darum, dass Patienten mit der neuen Therapie deutlich höhere Heilungschancen haben sollen.

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Auf einen BlickSchwerpunkt der Klinik für Innere Medizin I sind die Diagnostik und Therapie von Tumor- und Blut- sowie immunologischen und rheumatologischen Erkrankungen. Langjährige Erfahrungen mit Knochenmark- und Stammzelltransplantationen weisen die Klinik als die Expertin für Chemotherapie aus. Durch Kooperationen mit weltweit führenden Zentren auf dem Gebiet der Krebsforschung und das der Klinik angegliederte Jose-Carreras-Zentrum für Immun- und Gentherapie profitieren die Patienten unmittelbar von den neuesten Entwicklungen für jede Tumorart. maa

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