Geplantes Kinderhospiz stößt auf Kritik

Saarbrücken/Homburg · In der Nähe der Homburger Uni-Klinik soll ein europaweit einzigartiges Kinderhospiz-Konzept verwirklicht werden. Die Eltern betroffener Kinder scheinen von dem Vorhaben jedoch nicht sonderlich begeistert.

"Wir leben hier in einer Wüste! Wir Eltern stehen mit dem Rücken zur Wand!" - so empört wie Bernd Seitz (Ottweiler) war kein zweiter, der sich in der Redaktion meldete. Eltern schwerstkranker Kinder riefen bei der SZ an, die offengelegt hatte, dass in Homburg in Uniklinik-Nähe ein altersübergreifendes Kinder-Hospiz realisiert werden soll. Damit geht ein über sechsjähriges Tauziehen um Standort und Konzept zu Ende, in das zwei Fördervereine, Kinderpalliativmediziner, Hospiz- und Pflegedienste involviert waren. Offensichtlich war man so mit sich selbst beschäftigt, dass man die Betroffenen aus den Augen verlor. Diese Gruppe hat keine Interessenvertretung. "Die Eltern reiben sich in der Pflege auf und haben keine Energie mehr, sich zu engagieren" sagt Seitz. Mehr noch: Oft fehle es sogar an der Minimal-Information, was genau ein Kinderhospiz überhaupt ist. Eben kein Kurzzeit-Aufenthaltsort für die Sterbephase, sondern ein zweites Zuhause, das Abwechslung vom Alltag bietet. So hat das Monika Boeckmann vom Verein Elineu für neurologisch erkrankte Kinder (Spiesen-Elversberg) erlebt. Der Begriff habe aber auch sie abgeschreckt: "Man will nicht dazugehören zu denen, die in ein Hospiz müssen." Boeckmann, die ihren 19-jährigen Sohn Marcel betreut, ist die einzige, die für das altersübergreifende Modell eintritt. Denn das bisher übliche reine Kinderhospiz sei für junge Erwachsene unpassend, sagt sie. Boeckmann hält es für einen großen Vorzug des Standortes Homburg, dass Kinderpalliativmediziner vor Ort sind. Eine spezialisierte und schnelle Versorgung sei in den zwölf bestehenden Kinderhospizen in Deutschland eine Seltenheit, so Boeckmann.

Obwohl auch Sandra Dehe dies so wahrnimmt, lehnt sie, die ihren 15-jährigen Sohn betreut, die in Homburg geplante Verschmelzung von Kinder- und Erwachsenenhospiz ab. "Ich würde dort nie mit Niclas hingehen. In Erwachsenenhospizen wird gestorben. Kinderhospize sind eine ganz andere Welt, eine Welt für sich." Ähnlich äußert sich Alexandra Eiffler (Saarwellingen): "In einem solchen Umfeld könnte ich nie Urlaub mit meinem Kind machen." Der Inklusionsgedanke sei "reine Theorie". Sterbende Krebskranke hätten kein Interesse an Kontakten mit schwerstkranken Kindern. "Eine Klinik als Umgebung ist beklemmend", sagt auch Hannemarie Altmeyer. Sie ist selbst nicht betroffen, war aber zeitweise im Förderverein Kinderhospiz Heiligenborn (Bous) engagiert. Sie ist froh, dass es nun endlich voran geht, hält jedoch das Modell, das der Homburger Kinderpalliativmediziner Dr. Sven Gottschling als "Leuchtturmprojekt" durchziehen will, für falsch: "Man macht alles ohne die Eltern ", stellt sie fest. Letztere betonten unisono gegenüber der SZ, nicht die Hospizplätze seien vordringlich, sondern in der Kurzzeitpflege herrsche krasse Not. Dies bestätigt auch ein Gutachten der AGP Sozialforschung (Freiburg).

Dessen Erkenntnisse will Gottschling durchaus nutzen. Es sei zwar ein bisher unbeschrittener ambitionierter Weg, an einem Hospiz die Kurzzeitpflege mit anzudocken, doch man werde ihn beschreiten. Von seinem integrativen Ansatz geht er jedoch nicht ab, er möchte das Sterben "aus der Schmuddelecke" holen und hält es Kindern für zumutbar, schwerstkranken Alten zu begegnen: "Ein Kinderhospiz ist mehr als ein Wohlfühl-Hotel. Es bedeutet, das Sterben als Teil des Lebens anzunehmen." Jedoch sei nicht daran gedacht, Kinder und Erwachsene auf dem gleichen Flur unterzubringen, man werde mehrere Gebäude errichten mit eigener Zufahrt. Auch sei das vorgesehene Hospiz-Gelände weit von der Klinik mitten im Grünen gelegen, niemand müsse das Uniklinik-Hauptportal passieren.

Gottschling weiß, da all diese Informationen bisher nicht zu den Eltern gelangten, viel Verunsicherung herrsche. "Weil wir zerstritten waren, gelang es kaum, Transparenz herzustellen", sagt er. Doch nach der Einigung werde man Öffentlichkeit herstellen. Gottschling kündigt eine Informationsveranstaltung noch bis Ende des Jahres an. Bereits jetzt bieten sich sowohl Familie Seitz wie auch Monika Boeckmann als Anlaufstelle für Anregungen an.

Familie Seitz: Tel. (0 68 24) 9 11 10; Monika Boeckmann: Tel. (0 68 21) 97 28 20, (01 75) 2 92 51 10.

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