Kinderschutzgruppe Das Kindeswohl steht im Vordergrund

Homburg · Die Kinderschutzgruppe am Uniklinikum ist Ansprechpartner, wenn es um einen Verdacht auf Kindesmisshandlung oder -missbrauch geht.

 Spielpuppe Lucy gehört auch zum Team der Kinderschutzgruppe am UKS,  wenn es darum geht, im Gespräch einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung auf den Grund zu gehen.

Spielpuppe Lucy gehört auch zum Team der Kinderschutzgruppe am UKS,  wenn es darum geht, im Gespräch einem Verdacht auf Kindeswohlgefährdung auf den Grund zu gehen.

Foto: Thorsten Wolf

Wenn es um Gewalt gegen Kinder geht, dann schlagen die Wellen in der Öffentlichkeit schnell hoch – sofern es eine Öffentlichkeit gibt. Doch die gibt es eben nicht immer, die Dunkelziffer ist um ein Vielfaches höher als die Zahl der bekannten Fälle. Und schon genau die weisen, basierend auf einer Statistik des Bundeskriminalamtes aus dem Jahr 2015, eine erschreckende Quantität auf: So werden jährlich 130 Kinder in Deutschland gewaltsam getötet. Jeden Tag werden rund 40 Kinder Opfer sexueller Gewalt, elf Kinder werden jeden Tag in einem Umfang körperlich oder seelisch misshandelt, dass diese Fälle Eingang in die Statistik finden. Hinter jeder dieser Zahlen stecken leidvolle Geschichten, Täter- und Opferschicksale. Doch gerade wenn es um Gewissheit geht, wenn es darum geht, Opfer von Gewalt  zu erkennen, bewusst handelnde Täter von denen zu unterscheiden, die schlicht durch Überforderung falsch oder gar nicht gehandelt haben, wenn es darum geht, Vorsatz von Hilfslosigkeit zu unterscheiden – um dann  Lösungen zum Wohl des Kindes zu finden, genau dann braucht es echte Spezialisten.

Am Klinikum der Universität des Saarlandes in Homburg ist es die Kinderschutzgruppe, die dann aktiv wird, wenn der Verdacht einer Kindeswohlgefährdung besteht. Zwei derer, die sich in den Dienst dieser wichtigen Sache gestellt haben, sind Dr. Stephanie Lehmann-Kannt und Dr. Birgit Kaier von der Klinik für Allgemeine Pädiatrie und Neonatologie des UKS.

„Das Ziel solcher Kinderschutzgruppen ist es, eine Struktur zu schaffen, an der man sich entlang arbeiten kann, wenn ein Verdacht auf Kindesmisshandlung oder Kindesmissbrauch besteht. Und das ist leider gar nicht so selten“, schildert Lehmann-Kannt die Situation. Wir treffen sie und Brigit Kaier anlässlich der offiziellen Vorstellung eines neuen Kinderschutz-Raumes. Dort sollen in Zukunft in einer angemessenen Atmosphäre Gespräche mit betroffenen Kindern, Eltern, der Jugendhilfe geführt werden. „Bislang ist das immer dort geschehen, wo gerade ein Raum frei war.“ Personell gespeist, so Lehmann-Kannt, werde die Kinderschutzgruppe von Schwestern und Ärzten aus der Kinderklinik und aus anderen medizinischen Fachbereichen, so auch aus der Rechtsmedizin. Diese Kinderschutzgruppe sei dabei keine Pflichtaufgabe des UKS. Was im Gespräch mit Lehmann-Kannt und Kaier schnell klar wird: Die selbst gestellte, aber nicht minder zwingend notwendige Aufgabe ist eine Mischung aus Detektiv-Arbeit und Emphatie. Denn oft gehe es erst einmal darum, über den Verdacht hinaus festzustellen, ob es sich um einen Fall von Kindeswohlgefährdung handelt – und, wenn ja, dessen Hintergründe aufzuhellen. Wie wird man nun auf mögliche Verdachtsfälle aufmerksam? Lehmann-Kannt: „Wir haben Zuweisungen von Kinderärzten, die Auffälligkeiten feststellen. Auch das Jugendamt schickt Kinder.“

In vielen Fällen, ergänzt Birgit Kaier, stelle sich ein Verdacht aber ein, wenn die Kinder in der Klinik aus anderen Gründen stationär behandelt würden, „den Schwestern oder Ärzten fällt dann etwas auf“. Bei diesen Fällen handele es sich oft nicht um die dramatischen, oft seien es hilfebedürftige Familien, die froh darüber seien, dass man die Auffälligkeiten anspreche. Und an dieser Stelle wird auch deutlich, dass man nicht immer von bewusst handelnden „Tätern“ sprechen kann – gerade wenn sich die Kindeswohlgefährdung in Mangelerscheinungen manifestiert. Natürlich geht es aber, je nach Ausmaß der Kindeswohlgefährung, auch darum, schwere Fälle zur Anzeige zu bringen, entsprechende Entscheidungen fielen im Team. „Das ist ja immer ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite kann man schnell in Aktionismus verfallen, ‚ich muss jetzt dieses Kind retten‘, andererseits kann man auch viele fatale Dinge anrichten, wenn man falsche Verdächtigungen ausspricht“, umreißt Lehmann-Kannt das Spannungsfeld, in dem die Kinderschutzgruppe arbeiten muss. „Und die wenigsten Fälle sind ja eindeutig.“

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