Homburger Lesezeit Bewegende Erinnerungsarbeit zur NS-Zeit

Homburg · Bärbel Schäfer hat in ihrem Buch „Meine Nachmittage mit Eva“ das Schicksal einer Auschwitz-Überlebenden dokumentiert.

 Moderatorin und Buchautorin Bärbel Schäfer las im „Bistro 1680“ in Homburg aus ihrem Buch „Meine Nachmittage mit Eva“.

Moderatorin und Buchautorin Bärbel Schäfer las im „Bistro 1680“ in Homburg aus ihrem Buch „Meine Nachmittage mit Eva“.

Foto: Sebastian Dingler

Erstaunlich, dass da nicht mehr Leute zur Lesezeit gekommen waren: Mit knapp 90 Besuchern war das „Bistro 1680“ am Marktplatz zwar gut besetzt, aber nicht bis auf den sprichwörtlich letzten Platz gefüllt. Dabei gab es doch in Person von Bärbel Schäfer eine prominente und interessante Persönlichkeit zu erleben. Vielleicht hatten viele nicht damit gerechnet, wie stark der Vortrag der einstigen Talkshow-Queen und Frau des jüdischen Publizisten Michel Friedman sein würde.

Dass sie sehr professionell vorlesen würde, konnte man erwarten. Eine solch berührende Auseinandersetzung mit der Vergangenheit der eigenen Familie und dem Schicksal der Auschwitz-Überlebenden Eva Szepesi war aber nicht unbedingt vorauszusehen. „Meine Nachmittage mit Eva“ heißt Schäfers Buch und beschreibt einerseits das, was die Moderatorin der damals 85-jährigen Jüdin an Berichten über deren schlimmste Erlebnisse entlocken konnte. Andererseits geht die Moderatorin auch dem Schweigen in ihrer eigenen Familie nach und zeichnet dabei ein schonungsloses Bild des Wegschauens.

Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind war unter den Gästen und versprach, bis zum Ende zu bleiben, was er auch einhielt. Sicher werde Bärbel Schäfer bestimmt „auch so noch etwas erzählen“, meinte der OB. Das allerdings geschah nicht, was mancher im Publikum schade fand. Aber am Ende der Lesung gab es diesen häufig zu erlebenden Effekt, dass die Zuhörer erstmal verarbeiten mussten, was sie da gehört hatten. Und nachdem nur eine Frage gestellt wurde, hatten die Ersten mit dem Wunsch nach Buch-Signierung schon die Bühne gestürmt.

Später, im Gespräch mit unserer Zeitung offenbarte Bärbel Schäfer die Geschichte, wie sie Eva Szepesi bei einer Veranstaltung kennenlernte: „Wie das so ist, man findet sich sympathisch und bleibt im Kontakt.“

Anschließend konnte sie sie dazu bewegen, an diesem wichtigen Buch mitzuwirken. Mit dem Judentum habe sich die Autorin schon beschäftigt, bevor sie ihren Mann kennenlernte. Alles andere gab sie bereits während der Lesung preis: Wie ihre Besuche bei der Holocaust-Überlebenden abliefen – „manchmal sind wir beide still und uns kommen die Tränen“. Oder wie Schäfer in einem Winter fror auf dem Weg zu Eva Szepesi und dann ganz andere Erfahrungen von Kälte zu hören bekam: „Meinst Du, es interessierte einen KZ-Wächter, ob eine von uns fror?“.

Auch zeigte die ehemalige KZ-Insassin ihrer Besucherin die in Auschwitz eintätowierte Nummer, was Bärbel Schäfer sehr berührte: „Ich will die Fenster aufreißen und lauthals schreien.“ Sie sagte sich, dass es doch irgendjemand gewesen sein muss, der jüdische Familien denunziert, Hitler gewählt, Synagogen angezündet, die Züge in die Lager gefahren oder die Leichenberge gesehen hat.

Also begab sich die Autorin auf Spurensuche in der eigenen Familie. Ihr Vater habe den Krieg als Kind noch erlebt. Er habe ihr entgegnet: „Komm, lass mich in Ruhe mit deinen Fragen. Ändern kann man sowieso nichts mehr.“ Oder: „Ihr Nachgeborenen seid ganz schön arrogant. Du kannst nicht wissen, wie Du damals gewesen wärest.“ Immerhin fand Bärbel Schäfer heraus, dass einer ihrer Großonkel versucht habe, sich die SS-Tätowierung aus dem Arm herauszuschneiden. Aber ansonsten habe viel „kaltes Schweigen“ in der Familie geherrscht.

Patricia Hans, neben Jutta Bohn Organisatorin der Lesezeit, meinte, sie habe das Buch in einer Nacht gelesen. Es habe große Brisanz in einer Zeit, in der Neonazis und Antisemiten im Parlament säßen.

Eberhard Landes aus Homburg fand es am Ende schade, dass keine Fragerunde stattfand: „Mir hat die Aussprache mit der Autorin gefehlt, das gibt doch so einem Abend einen besonderen Reiz. Das Drumherum zu erfahren ist doch ein wesentlicher Mehrwert.“

Eva Scheerer aus Wattweiler meinte: „Ich finde es gut, dass sich die Autorin auf diesem Wege Luft gemacht hat. Dadurch, dass sie eine Frau ist aus unserer Zeit, ist das ein Bogen zu unserer Realität. So schlimm die Thematik ist, es war auch gut geschrieben und kurzweilig zuzuhören.“

Und Claudia Dehnen sagte: „Ich fand es großartig. Es ist schlimm, dass es so war, aber es ist Teil unserer Geschichte, man kann und sollte es nicht verleugnen. Sie hat das großartig vorgetragen.“

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