Wie aus Gastarbeitern Freunde wurden

Biesingen · Vor 60 Jahren kamen die ersten Italiener aus Fresa nach Biesingen, um in Benno Boßlets Baufirma zu arbeiten. Er pflegt die Freundschaft bis heute.

 Benno Boßlet pflegt seit 60 Jahren die Freundschaft mit Fresagrandinaria in Italien, Erinnerungsstücke unterstreichen dies. Foto: Hans Hurth

Benno Boßlet pflegt seit 60 Jahren die Freundschaft mit Fresagrandinaria in Italien, Erinnerungsstücke unterstreichen dies. Foto: Hans Hurth

Foto: Hans Hurth

Auf zwei runde Jubiläen wird in diesen Tagen in Biesingen geblickt: Vor 60 Jahren kamen die ersten italienischen Gastarbeiter und vor zehn Jahren gab es eine offizielle Freundschaftsvereinbarung. Mitte der 50er Jahre reisten verstärkt Gastarbeiter aus Italien an, um hier Arbeit zu finden.

"Sie blieben im Durchschnitt fünf bis zehn Jahre in Biesingen, einige wurden bis heute mit ihren Familien im Bliestal sesshaft. 1957 kam mit Leondro Vizzarri der erste Gastarbeiter in meine Baufirma, weitere folgten und fast alle Arbeiter stammten aus Fresagrandinaria, kurz Fresa genannt, aus dem Kreis Cieti in den Abruzzen", erinnert sich der ehemalige Baufirmenchef und heutige Buchautor und Heimatforscher Benno Boßlet. "Untergebracht waren die Arbeiter zunächst in einer Baracke an der B 423, einige wohnten auswärts und gingen zu Fuß täglich nach Biesingen zur Arbeit".

Heimische Bürger freundeten sich schnell mit den Arbeitern an, luden sie sonntags zum Mittagessen ein und besorgten ihnen die Wäsche der Arbeitsklamotten. Mit der Zeit wurden die Boßlet-Arbeiter - später kamen auch Arbeiter der Bauunternehmung Alois Breyer hinzu - privat untergebracht. Allein bei der Firma Boßlet arbeiten 1960 bereits 30 Leute aus den Abruzzen. "Es sprach sich schnell rum, dass auf dem Betriebsgelände Unterkünfte zur Verfügung standen und die Arbeiter in der Bevölkerung wie Freunde aufgenommen wurden", weiß Boßlet.

"Wer im Ausland war, wollte natürlich seine Zeit nutzen und Geld verdienen. Dafür arbeiteten die Italiener täglich zehn Stunden und auch an Samstagen", lobt er die fleißigen Tifosi, von denen letztlich zeitweise über 70 bei ihm in Beschäftigung standen. Das änderte sich zu Beginn der 70er Jahre, als in Italien verstärkt der Ausbau von Autobahnen und Straßen gefördert wurde, was Grund für die meisten Biesinger-Italiener war, nach und nach in ihr Heimatland zurückzukehren. Doch die Freundschaft der Biesinger mit der Familie Boßlet an der Spitze blieb. Freundschaftsinitiator Benno Boßlet genießt in Fresa als "saarländischer Botschafter" auch nach 60 Jahren hohe Wertschätzung.

2004 empfing Bürgermeister Werner Moschel erstmals eine Delegation aus Fresa mit Amtskollege Giovanni di Stefano, in den letzten Jahren begrüßten Annelie Faber-Wegener und Ortsvorsteherin Annette Weinmann die Gäste bei Boßlet-Besuchen. "Viele Bewohner meiner Heimat kamen in Biesingen zur Welt, es wäre schön, wenn zwischen Biesingen und Fresa eine feste und ständige Partnerschaft entstehen würde", so di Stefano damals.

Bei der 800-Jahr-Feier in Biesingen im Jahre 2006 erneuerte di Stefano diesen Wunsch, der mit einem Freundschaftsvertrag vor exakt zehn Jahren einen hoffnungsvollen Anfang nahm. Ortsrat und Ortsvorsteherin Doris Arnold als treibende Kraft hatten dem Vorhaben zugestimmt, im Mai 2007 fuhr eine Delegation nach Fresa und unterzeichnete eine Freundschafts- Urkunde, die in Biesingen gegengezeichnet werden sollte. "Doch leider ist es in den zehn Jahren bisher nicht dazu gekommen. Das Versprechen wurde wohl auch nicht gehalten, weil nur noch zwei Mitglieder des damaligen Ortsrates dem Gremium angehören. Derzeit ruhen nach einem Beschluss des Ortsrates die Partner- Bemühungen", bedauert Benno Boßlet. Aktuell hat Benno Boßlet für das neue Heimatmuseum in Fresgrandinaria Fotos aus den Sechziger Jahren beigesteuert.

Biesingen liegt auf dem Höhenzug des Osterberges zwischen dem Mandelbachtal im Westen und der Blies im Osten zwischen Blieskastel und Aßweiler und ist die höchstgelegene Siedlung des Bliesgau. Zu sehen sind im Nordosten die Sickinger Höhe, im Osten die Höhen bei Pirmasens, im Südosten der Kalbenberg und der Kahlenberg, nach Süden und Südwesten die bewaldeten Höhenzüge des Bliesgau mit seinen eingesprengten Ortschaften und im Norden der Kirkeler Wald und fern am Horizont der Schaumberg bei Tholey.

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Fresagrandinaria liegt in den Abruzzen und hat 1118 Einwohner. Es gibt in Fresa noch 40 Geschäfte, sechs Kneipen, zwei Frisöre und je ein Fliesen- und Rohren-Werk mit 120 Beschäftigten. Fresa pflegt zudem Beziehungen zu Püttlingen, Senftenberg, St. Michel bei Paris sowie Orte in Ungarn, Polen und Tschechien. Der Ort Biesingen/Saar unterhält bereits eine Partnerschaft mit Biesingen/Baar im Schwarzwald.

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