Untreue-Prozess OB Schneidewind und die „Holzmafia“

Saarbrücken/Homburg · Homburger Rathauschef entschuldigt sich vor dem Landgericht für die „Detektiv-Affäre“: „Es tut mir alles sehr leid!“

 Steuerverschwendung und damit Untreue wirft die Staatsanwaltschaft dem Homburger Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD), hier mit seinem Verteidiger Joachim Giring (r.), vor.  Foto: BeckerBredel

Steuerverschwendung und damit Untreue wirft die Staatsanwaltschaft dem Homburger Oberbürgermeister Rüdiger Schneidewind (SPD), hier mit seinem Verteidiger Joachim Giring (r.), vor. Foto: BeckerBredel

Foto: BeckerBredel

Im dunklen Anzug sitzt Rüdiger Schneidewind (50), seit 2014 Oberbürgermeister der Kreis- und Universitätsstadt Homburg, neben seinem Verteidiger Joachim Giring auf der Anklagebank vor der vierten großen Strafkammer des Landgerichts. Wiederholt blickt er mit leicht gerötetem Gesicht unter sich, während Oberstaatsanwalt Peter Thome die Anklageschrift und damit das Ergebnis monatelanger Ermittlungen vorträgt. Untreue zum Nachteil der Stadt und damit des Steuerzahlers wirft Thome dem SPD-Politiker vor, weil er Ende 2015 „pflichtwidrig“ eine Düsseldorfer Detektei mit der Überwachung von insgesamt vier Mitarbeitern des Baubetriebshofes beauftragt hat. Schneidewind wirkt nervös, faltet zeitweise die Hände und blickt immer wieder zu seiner Lebensgefährtin, die im Schwurgerichtssaal unter den Zuschauern sitzt.

Über mehr als vier Wochen, so die Anklage, haben bis zu drei Detektive im Auftrag des OB die Männer vom Bauhof observiert, teilweise wohl auch in deren Freizeit und am Wochenende. Der Verdacht, die städtischen Mitarbeiter seien an einer „Holzmafia“ beteiligt, wurde nicht belegt. Post des Detektivbüros ließ sich der OB aus Gründen der Geheimhaltung an seine Privatadresse schicken, so auch die saftige Schlussrechnung über 328 157 Euro. Davon sind bislang 259 004 Euro aus dem Etat für Personalkosten der Kreisstadt überwiesen. Vor dem Landgericht Düsseldorf läuft derzeit noch ein Rechtsstreit mit dem Detektivbüro.

Angeklagt ist Schneidewind „nur“ wegen eines Untreue-Schadens in Höhe von 101 827 Euro. Dieser Betrag fiel nach der Verlängerung des Beobachtungsauftrags durch den OB im Dezember 2015 an. Spätestens zu diesem Zeitpunkt, so der Oberstaatsanwalt, wusste der OB, dass die Aktion „wirtschaftlich sinnlos und wertlos“ war. Als Verwaltungschef durfte Schneidewind Aufträge über maximal 25 000 Euro alleine vergeben. Den Stadtrat hatte er nicht eingeweiht.

Schon zum Prozessauftakt am Dienstag wies der Vorsitzende Richter Ralf Schwinn darauf hin, dass möglicherweise die komplette Beauftragung der Privatermittler und damit die gesamte Summe als Untreue gewürdigt werden könne. Und: Unter Umständen komme auch Untreue in einem besonders schweren Fall in Betracht, weil der Angeklagte seine Befugnisse als Amtsträger überschritten habe. Dafür sieht das Strafgesetzbuch mindestens sechs Monate Freiheitsstrafe vor.

Schneidewind reagierte durchaus einsichtig. Etwa 80 Minuten las er eine Erklärung vor, die als Geständnis gewertet werden kann: „Ich will nichts beschönigen. Ich habe in Zusammenhang mit der Beauftragung der Detektei Fehler gemacht. Die Idee der Überwachung war ein Fehler, die Überwachung an sich war ein Fehler, die zu späte Beendigung war ein Fehler und auch die fehlende Beteiligung des Stadtrates war ein Fehler. All dies tut mir sehr leid.“ Er wollte auf ihm vertraulich zugetragene Hinweise auf Unregelmäßigkeiten und die „Holzmafia“ reagieren, habe aber den „falschen Weg“ gewählt. Heute ärgere er sich maßlos. Das ganze Thema belaste und beschäme ihn. Ausdrücklich entschuldigte er sich bei den „überwachten Personen, beim Stadtrat, bei den Mitarbeitern der Stadtverwaltung und den Homburger Bürgern, „die denken, ihr Steuergeld sei verschwendet worden“.

Im Verlauf des Prozesses bestätigte Schneidewind auf Nachfrage des Vorsitzenden auch, dass die Stadt zwischenzeitlich im Rahmen eines Arbeitsgerichtsprozesses wegen der Überwachung an betroffene Mitarbeiter Entschädigungen zwischen 5000 und 6000 Euro gezahlt habe.

Der Rathauschef, der die „Holzmafia, eine verschworene Gemeinschaft“ beim Baubetriebshof ausheben und überführen wollte, war trotz aller Einsicht und Reue bemüht, sein Verhalten zu rechtfertigen. Die teure Überwachung habe zwar keine konkreten Ergebnisse zu Holzdieben und Schwarzarbeitern im Bauhof gebracht. So ganz ergebnislos sei die Observation aber doch nicht gewesen. In einem Durchsuchungsbeschluss gegen einen Mitarbeiter wurde auf die Überwachung im städtischen Auftrag verwiesen. Von einem Mitarbeiter, der während der Arbeitszeit privat unterwegs war, habe man sich getrennt. Damit sei größerer Schaden für die Stadt abgewendet worden. Und aus Sicht des amtierenden Oberbürgermeisters steht auch das Betrugs- und Untreueverfahren gegen seinen Amtsvorgänger Karlheinz Schöner (CDU) „wesentlich mit den Strafanzeigen der Stadt Homburg und damit auch mit den Überwachungen in Zusammenhang“. Wie berichtet steht Schöner, an dessen Amtsführung Schneidewind kaum ein gutes Haar ließ, derzeit ebenfalls vor Gericht. Der Prozess gegen Schneidewind wird heute mit der Vernehmung mit Zeugen aus dem Rathaus fortgesetzt.

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