Wo Hochschulprofessoren lehren lernen
Saarbrücken. "Ich möchte keine Vorlesung halten, wie ich sie früher selbst gehört habe", erzählt Guido Kickelbick, Chemie-Professor an der Universität des Saarlandes. Auch in Massenveranstaltungen, mit bis zu 350 Studenten hält er deshalb keine klassischen Vorlesungen, in denen der Dozent vorne steht und die Studenten anderthalb Stunden schweigend zuhören
Saarbrücken. "Ich möchte keine Vorlesung halten, wie ich sie früher selbst gehört habe", erzählt Guido Kickelbick, Chemie-Professor an der Universität des Saarlandes. Auch in Massenveranstaltungen, mit bis zu 350 Studenten hält er deshalb keine klassischen Vorlesungen, in denen der Dozent vorne steht und die Studenten anderthalb Stunden schweigend zuhören.Mit kleinen Tricks integriert er die Studenten in seine Vorlesungen, hält so die Aufmerksamkeit hoch und ist überzeugt, einen höheren Lerneffekt zu erzielen: "Kompetenz entsteht durch Handeln. 90 Minuten nur Zuhören ist stinklangweilig", ist sich der Professor sicher.
"Think-Pair-Share" ist einer dieser Tricks. Kickelbick stellt zum Beispiel eine Frage zur vergangenen Vorlesung, woraufhin die Studenten nachdenken sollen, sich mit ihrem Nachbarn austauschen und die Antwort gemeinsam diskutieren. Die Studenten lernten so bereits in der Vorlesung und nicht erst in der Lernphase kurz vor der Klausur. "Ich möchte den Aha-Effekt. Das geht nicht durch bloßes Zuhören." Aber nicht nur die Studenten profitierten, sondern auch er selbst, erklärt der Chemiker: "So bekomme ich direkt ein Feedback, ob angekommen ist, was ich erklärt habe." Leider würde er für solche Tricks von Studenten ab und zu komisch angeguckt, die klassische Vorlesung sei leider noch zu weit verbreitet.
Ein verbreitetes Problem sei außerdem, dass Hochschullehrenden in ihrer Ausbildung nicht beigebracht wurde, wie man lehrt: "Im Gegensatz zu Lehrern haben wir bisher ja keine didaktische Ausbildung". Und es sei bei Weitem nicht so, dass ein guter Forscher selbstverständlich auch ein guter Lehrer sei, wie er schon mal von Kollegen hört.
Deshalb bietet das Zentrum für Schlüsselkompetenzen der Saar-Uni seit vier Jahren ein Hochschuldidaktik-Programm für Lehrende an, um so die Qualität der Lehre weiterzuentwickeln. "Wir haben dafür hochschuldidaktische Angebote wie Workshops, Coachings und Vorträge entwickelt" erklärt Dr. Birgit Roßmanith, die das Zentrum für Schlüsselkompetenzen leitet. So wird den Lehrenden vermittelt, wie sie beispielsweise ihre Präsentationen verbessern oder Studenten motivieren können. Sie können einzelne Workshops belegen oder das "Hochschuldidaktik Zertifikat der Universität des Saarlandes" erwerben.
Auch Guido Kickelbick, der schon seit 1998 Vorlesungen hält, nutzt das Programm, für das die Saar-Uni jüngst vom Arbeitgeberverband mit dem Arbeitgeberpreis 2012 ausgezeichnet wurde. Generell sei die Nachfrage sehr groß, freut sich Roßmanith - wenn auch vor allem bei jüngeren Dozenten: "Wir haben aber einen riesigen Generationswechsel an der Saar-Uni hinter uns", und so nähmen zirka 100 Lehrende am Programm teil. Eine von ihnen ist die Germanistin Claudia Thiel-Dirksen, die als eine der Ersten das Zertifikat absolviert hat. Sie erklärt, dass sie vor allem der Austausch mit Kollegen weitergebracht hat. Aber auch die Methoden, die am Zentrum unterrichtet wurden, seien sehr hilfreich: "Oft fehlt nur eine Initialzündung."
Dass die klassische Vorlesung aber schon sehr bald der Geschichte angehört, glauben Thiel-Dirksen, Roßmanith und Kickelbick nicht. "Manche Kollegen verstehen unter E-Learning das Hochladen von Folien ins Internet", berichtet der Chemie-Professor. Dabei seien die Möglichkeiten viel umfassender. Er könne sich gut vorstellen, dass Studenten zukünftig Vorlesungen oder andere Lehr-Videos als Zusatzangebote bei Youtube sehen. "Ich glaube, wir müssen wegkommen von der Präsenz-Uni." So komme man auch berufstätigen Menschen entgegen. Außerdem, so findet er, habe der Steuerzahler auch ein Recht darauf, an der Lehre zu partizipieren. Die Befürchtung von Kollegen, dass dann niemand mehr in eine Vorlesung kommt, teilt er nicht. "Ich hoffe aber, dass in zehn, 15 Jahren derjenige komisch angeguckt wird, der eine klassische Vorlesung hält."Foto: ZFS
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