Wie gut ist ein "sehr gut"?

Saarbrücken. Der Durchschnitt der Abschlussnoten an deutschen Hochschulen weist je nach Fach und Hochschule große Unterschiede auf. Das ist das Ergebnis des aktuellen "Arbeitsberichts für das Prüfungsjahr 2010" des Wissenschaftsrats

Saarbrücken. Der Durchschnitt der Abschlussnoten an deutschen Hochschulen weist je nach Fach und Hochschule große Unterschiede auf. Das ist das Ergebnis des aktuellen "Arbeitsberichts für das Prüfungsjahr 2010" des Wissenschaftsrats.

Uneinheitliches Notenbild

Solche Unterschiede zeigen sich auch an der Saar-Uni: Während 2010 im Diplomstudiengang Biologie 92 Prozent der Absolventen mit "gut" oder "sehr gut" abschnitten, waren es im Ersten Juristischen Staatsexamen gerade mal sechs Prozent. Innerhalb der Fächer gibt es große Unterschiede. Während Deutsch-Lehramtsstudenten an der Uni Mannheim ihr Studium im Schnitt mit der Note 1,3 beenden, an der Technischen Universität Dortmund mit 1,7, steht in Saarbrücken eine 2,0 und an der Universität Augsburg eine 2,6 auf dem Zeugnis. Auch die Hochschulform wirkt sich auf die Abschlussnote aus. So sind die Noten an Universitäten meist besser als an Fachhochschulen. Das zeigt sich auch an der Saar. Der durchschnittliche BWL-Absolvent der Saar-Uni kann sich über eine 2,2 freuen, während sich ein BWL-Student der HTW mit einer 2,6 für einen Job bewerben muss.

Durch die starken Unterschiede in der Notengebung zwischen einzelnen Fächern und zwischen Hochschulen werde die Aussagekraft der Noten stark geschwächt, kritisiert Heinz-Peter Meidinger, Vorsitzender des deutschen Philologenverbands: "Die Leidtragenden sind die guten, leistungsstarken Absolventen, deren Leistungsvorsprung dadurch kaum mehr deutlich wird." Die nicht gegebene Vergleichbarkeit sei aber nicht ausschließlich ein Problem für die Absolventen und die künftigen Arbeitgeber, sondern besonders auch für die Hochschulen selbst, heißt es beim Wissenschaftsrat, der Bund und Länder bei Fragen zur Hochschulentwicklung berät. "Bei der Auswahl der Kandidaten für Master-Programme sind die Hochschulen selbst auf standortübergreifende vergleichbare Prüfungsnoten angewiesen. Vielleicht gibt dies den Anstoß, die Benotungspraxis einmal gründlich zu reflektieren", erklärt Professor Wolfgang Marquardt, Vorsitzender des Deutschen Wissenschaftsrats.

Der Wissenschaftsrat fordert deshalb, dass innerhalb der Fachgemeinschaften über einheitliche Kriterien und Bewertungsmaßstäbe diskutiert wird. Generell sei eine "schleichende Inflation guter Noten" zu verzeichnen. Der Anteil der Studenten, die ihr Studium mindestens mit "gut" beendeten, stieg binnen zwölf Jahren von 70 auf 80 Prozent.

Keine zentralen Prüfungen

Aber nicht nur die Durchschnittsnoten sollten überprüft werden, sondern auch die Streuung. Der Arbeitsbericht zeige, dass die Notenskala kaum ausgeschöpft werde, die Differenzierungen sich nur auf den Bereich der Nachkommastellen beschränkten. Zentrale Prüfungen in den 14 000 Studiengängen lehnt der Wissenschaftsrat allerdings ab: "Man muss sich im Klaren sein, dass Wissenschaft bunt und vielfältig ist", so Marquardt.

"Die Probleme existieren, solange ich denken kann", erklärt Professor Manfred Schmitt, Vizepräsident für Studium und Lehre an der Saar-Uni. Diskutiert würde in den Fachkonferenzen selbstverständlich darüber. Nichtsdestotrotz seien die Zahlen teilweise mit Vorsicht zu genießen. Dass beispielsweise in seiner Disziplin, der Biologie, die Absolventen so gut seien, läge sicher auch mit daran, dass es ein klassisches NC-Fach sei: "Wir haben hier schon die besten Absolventen aus den Schulen", erklärt Manfred Schmitt weiter. Auf die Noten in Lehramtsstudiengängen hätten ja nicht nur die Hochschulen, sondern auch die Landesministerien großen Einfluss. Und dass ein "vollbefriedigender" Jura-Abschluss bereits ein Prädikatsexamen ist, sei eben traditionell so.

Einheitlichere Standards hält Schmitt dennoch für sinnvoll: "Ich bin selbst ein Freund davon, Notenskalen auszuschöpfen." Es mache aber keinen Sinn, das im Alleingang anzupacken, so der Vizepräsident für Studium und Lehre.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort