Wenn Weiße gegen Schwarze kämpfen

Saarbrücken. Keine Fantasy-Helden aus Plastik, keine archaischen Waffen, keine magischen Talismane - Büro und Erscheinung von Dr. Lena Steveker lassen auf den ersten Blick nicht vermuten, dass die Anglistin und Kulturwissenschaftlerin der Saar-Uni eine große Leidenschaft für britische Fantasy-Literatur hegt. Auch privat klebe sie sich keine spitzen Elbenohren an, erzählt sie lachend

Saarbrücken. Keine Fantasy-Helden aus Plastik, keine archaischen Waffen, keine magischen Talismane - Büro und Erscheinung von Dr. Lena Steveker lassen auf den ersten Blick nicht vermuten, dass die Anglistin und Kulturwissenschaftlerin der Saar-Uni eine große Leidenschaft für britische Fantasy-Literatur hegt. Auch privat klebe sie sich keine spitzen Elbenohren an, erzählt sie lachend. Ihr Anliegen ist die wissenschaftliche Untersuchung des Genres, besonders der Werke des oft als Vater der Fantasy-Literatur bezeichneten John Ronald Reuel Tolkien (1892-1973). Von ihm stammen die bekannten Romane "Der kleine Hobbit" von 1937 und der "Herr der Ringe" von 1954. Märchen und Sagen aus ganz Europa bilden die Grundlage der Romane. "Es handelt sich um kulturelle Texte im weiteren Sinne, die ein Massenpublikum ansprechen", begründet Steveker ihren ungewöhnlichen Forschungsschwerpunkt, bei dem sie sich auf kulturelle Ideologien konzentriert.Wie Tausende Fantasy-Fans wartet auch Steveker gespannt auf den 13. Dezember, denn dann kommt "Der Hobbit - Eine unerwartete Reise" und damit der erste von drei Teilen dieser Verfilmung in die deutschen Kinos. Steveker interessiert vor allem die Umsetzung der literarischen Vorlage. Zurzeit nimmt sie den "Hobbit" genau unter die Lupe. Sie vertritt die Ansicht, dass im "Hobbit" tief verankerte Ideologien und Wertvorstellungen der westlichen Gesellschaft zutage treten.

Ein entsprechendes Element sei allein schon der Kampf zwischen Gut und Böse, zentrales Thema europäischer Märchen und Erzählungen. Dieser spreche alle Altersklassen an und mache das Kinderbuch auch für Erwachsene interessant. Ebenso die historischen Hintergründe, die sich in den Romanen niederschlagen. Als Kind seiner Zeit habe Tolkien auch rassistische Klischees einfließen lassen, so Stevekers These. Dies zeige sich allein darin, dass alles Gute hell sei, alles Bedrohliche dunkel. Beispielsweise kämpft "Gandalf der Weiße" gegen den "dunklen Herrscher Sauron".

Gespiegelt werde ein Weltbild, in dem der "weiße Mann" als zivilisiert und gut, "der schwarze Mann" als wild und bedrohlich gilt. Mit diesem Bewusstsein könne man über rassistische Klischees hinweglesen, die in unsere aufgeklärte Welt nicht hineingehörten. Bedenklich findet Steveker jedoch, dass solche Klischees in der Verfilmung des "Herrn der Ringe" übernommen wurden. Figuren, die sich mit dem Bösen verbünden, sind vielfach dunkelhäutig und tragen exotische, beispielsweise arabisch inspirierte Kleidung. Der Anführer der furchterregenden "Uruk-hai" wird von einem Maori, einem neuseeländischen Ureinwohner gespielt. Seine Kriegsbemalung erinnert an Gesichtstattoos der Maori.

"Es ist unwahrscheinlich, dass die ethnischen Klischees in der Verfilmung des 'Hobbit' abgelegt wurden.", so Steveker. Interessant sei auch die Frage, wie in der Hobbit-Verfilmung die Schlacht um den "Einsamen Berg" inszeniert wird. Tolkien soll in diesen Passagen seine Erfahrungen als Soldat im Ersten Weltkrieg verarbeitet haben.

Gezeichnet wird moralischer Verfall während eines Krieges, der angeblich Recht und Freiheit dient. Zerstörungswut, Grausamkeit und die Verwüstung ganzer Landstriche werden thematisiert. Ohne das Wissen um Tolkiens Vergangenheit als Soldat , könne man den Bezug nicht ohne Weiteres herstellen, erklärt Steveker: "Man kann den Text jedoch durchaus so verstehen". Der letzte Teil der Hobbit-Trilogie mit dieser Passage kommt jedoch erst 2014 in die Kinos - genau 100 Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges. "Ich bin neugierig, ob uns in diesem Jahr des Gedenkens Bilder präsentiert werden, die an die Ur-Katastrophe des 20. Jahrhunderts erinnern."

Foto: uds / Pütz

HINTERGRUND

J.R.R. Tolkien hat etwas Einzigartiges vollbracht: Der britische Schriftsteller und Sprachwissenschaftler erdachte und beschrieb eine ganz eigene Welt. Sein Fantasiereich, auch "Tolkiens Welt" genannt, verfügt über eigens konstruierte Sprachen und von ihm erfundene Völker wie Hobbits, Elben, Zwerge oder Orks. Inspiriert ist sein Werk von Geschichten und Mythen aus Europa. Tolkien entwickelte eine eigene Schöpfungsgeschichte mit verschiedenen Zeitaltern, alles baut aufeinander auf. Schauplatz der Romane "Der Hobbit" (1937) und "Der Herr der Ringe"(1954/55) ist Mittelerde. Im Westen des fiktiven Kontinents liegt das Auenland, Heimat des menschenähnlichen Volks der kleinen, friedlichen Hobbits. Und hier beginnen auch die abenteuerlichen Geschichten. tr

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort