Uni-Gremien im Krisenmodus

Saarbrücken · Die Wahl des neuen Präsidenten der Universität des Saarlandes zieht sich weiter in die Länge. Die Verzögerung entsteht aus einem Wahlsystem mit zwei Organen, die sich nicht einig sind.

 Im Sommer sollte feststehen, wer nächstes Jahr ins Präsidenten-Büro einzieht – im Herbst ist es weiter ungewiss. Foto: Becker&Bredel

Im Sommer sollte feststehen, wer nächstes Jahr ins Präsidenten-Büro einzieht – im Herbst ist es weiter ungewiss. Foto: Becker&Bredel

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Ein Kräftegleichgewicht hat meist eine beruhigende Wirkung. Befinden sich etwa bei einem fahrenden Auto die Antriebskräfte des Motors und die Widerstandkräfte der Umgebung in einem Gleichgewicht, läuft das Gefährt konstant und stabil in der Spur. Ein Kräftegleichgewicht kann allerdings auch Stillstand bedeuten und gerade dadurch für Unruhe sorgen. Zu beobachten ist dieses Phänomen bei der aktuellen Wahl zum neuen Präsidenten der Saar-Uni.

Bei der Entscheidung um die Nachfolge von Professor Volker Linneweber , der Ende Februar aus dem Amt scheidet, haben zwei Gremien genau gleiches Stimmgewicht: Senat und Universitätsrat. Und weil beide sich sehr deutlich jeweils für einen anderen Kandidaten - der Senat für Professor Dirk Bähre, der Uni-Rat für Professor Uwe Hartmann - ausgesprochen haben, ist das Verfahren schon seit Monaten blockiert.

Doch was sind das eigentlich für Gremien , die solch unterschiedliche Vorstellungen davon zu haben scheinen, was einen geeigneten Uni-Präsidenten ausmacht?

Der Senat setzt sich zusammen aus Professoren , Studenten und Mitarbeitern der Uni. Dieses Gremium hat in Deutschland eine lange Tradition: In ihm konzentrierte sich über Jahrzehnte die universitäre Selbstverwaltung. Ende der Neunzigerjahre geriet die Institution jedoch zunehmend in die Kritik, sagt der Organisationswissenschaftler Marcel Schütz. Der Doktorand der Universität Oldenburg hat sich eingehend mit der Rolle hochschulpolitischer Gremien befasst. "Der Senat hat das Negativimage eines rückständigen Verwaltungskonstrukts bekommen", so Schütz. Reformstau, Verkrustung, Ineffizienz lauteten die Vorwürfe.

Einführung des Uni-Rats

Als Antwort wurde ein gänzlich neues Organ aus der Taufe gehoben: der Hochschulrat . Externe Vertreter aus Wirtschaft, Wissenschaft und Kultur sollten eine Art Aufsichtsrat bilden. Das Gremium war angelegt als ein Puffer- oder Brückenorgan zwischen Gesellschaft und Universität. "Einerseits bedeutete das einen Rückzug der Politik, andererseits eine Einführung von Managementstrukturen in die Bildungsstätten", erklärt Schütz. Das Stichwort von der ‚unternehmerischen Universität‘ machte die Runde.

An der Saar-Uni wurde das Gremium unter dem Namen Universitätsrat im Jahre 1999 eingeführt. Die ursprünglichen Pläne des damaligen Wissenschaftsministers Henner Wittling (SPD ), den Uni-Rat ausschließlich mit externem Personal zu besetzen, sorgte für heftige Diskussionen. Im Ergebnis lief es auf eine gemischtes Feld hinaus: Sechs Mitglieder kamen aus der Uni, fünf von außerhalb, darunter der Vorsitzende.

Bereits die erste Bewährungsprobe verlief holprig. Auch damals ging es um die Wahl des Präsidenten. Der Uni-Rat hatte dabei das alleinige Vorschlagsrecht der Kandidaten, der Senat war für die Wahl zuständig. Allein: Keiner der Kandidaten konnte die Prüfer in der ersten Runde überzeugen. Erst spät einigte man sich auf zwei Kandidatinnen. Gewählt wurde schließlich Margret Wintermantel.

Wohl nicht zuletzt als Konsequenz aus dieser Erfahrung wurde bei einer Reform des Landeshochschulgesetzes fünf Jahre später eine neue Tektonik eingerichtet, die auch bei der aktuellen Wahl gilt. Im Universitätsrat haben dabei nur noch die sieben externen Mitglieder ein Stimmrecht. Dafür entscheidet der Senat bei der Kandidaten-Kür mit. Eine Findungskommission mit Vertretern beider Gremien schlägt die Kandidaten vor, jedes Gremium für sich trifft seine Wahl.

Bei der Berufung Volker Linnewebers lief das glatt: Der Senat sprach sich klar für ihn aus, der Uni-Rat folgte einstimmig. Was passieren kann, wenn diese Einigkeit nicht besteht, zeigt die aktuelle Wahl. Bleiben die Fronten verhärtet und stehen auch am Ende des zweiten Wahlgangs zwei unterschiedliche Namen, ist sie gescheitert. Das letzte Wort hat dann die Wissenschaftsministerin.

In der Novelle des Hochschulgesetzes, über die Ende des Monats im Landtag abgestimmt wird, soll nun die Machtbalance neu austariert werden. Damit soll auch einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts Genüge getan werden, das mehr Einfluss für die Organe der akademischen Selbstverwaltung forderte.

Meinung:

Autonomie - aber richtig

Von SZ-Redaktionsmitglied Christian Leistenschneider

Das Zweikammer-System aus Senat und Universitätsrat, das die Legitimation des Uni-Präsidenten erhöhen sollte, hat immer noch kein Ergebnis hervorgebracht. Das wirft die Frage auf: Ist die Uni mit ihrer Autonomie überfordert?

Ihre Handlungsfähigkeit haben die beiden Wahlgremien jedenfalls selbst eingeschränkt. Beim ausstehenden zweiten Wahlgang hat der Unirat nur noch die Optionen Zustimmung oder Scheitern. Diese Krise ist nicht zuletzt die Folge eines Kommunikationsdefizits, das lange Zeit auf beiden Seiten herrschte.

Und die Politik? Sie hat die Uni mit Verweis auf ihre Autonomie in die Verantwortung genommen. Doch: Die Gesetze gibt sich die Hochschule nicht selbst. Dafür ist das Parlament zuständig. Wenn zwei Gremien an der Hochschule politisch gewollt sind, muss es auch ein kluges Verfahren zur Kompromissbildung bei schweren Meinungsverschiedenheiten geben. Der jetzige Wahlmodus erfüllt diese Funktion offensichtlich nicht.

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