Studieren ohne Grenzen

Saarbrücken. Volker Linneweber hat eine Vision: "Wir wollen mehr sein als ein locker gestricktes Netz. Wir wollen wahrgenommen werden in einer Hochschullandschaft, in der immer mehr Wettbewerb herrscht

Saarbrücken. Volker Linneweber hat eine Vision: "Wir wollen mehr sein als ein locker gestricktes Netz. Wir wollen wahrgenommen werden in einer Hochschullandschaft, in der immer mehr Wettbewerb herrscht." Mit "Wir" meint der Präsident der Saar-Uni die "Universität der Großregion" (UniGR) - die 2008 ins Leben gerufen wurde und sechs Hochschulen in vier Ländern vernetzt: die Saar-Uni, die Universitäten in Lüttich, Luxemburg, Lothringen (Metz-Nancy), Kaiserslautern und Trier. Sie erhoffen sich dadurch internationales Renommee. "Wir müssen weltweit vermitteln, dass man hier Kompetenzen erwerben kann, die einzelne Universitäten nicht bieten können", sagt Volker Linneweber.Von seiner "Vision" sind sie noch ein Stück entfernt, doch die Rektoren und Präsidenten der Unis sind zufrieden mit dem, was bisher erreicht wurde. 16 grenzüberschreitende Pilotprojekte wie Workshops und Tagungen, ein internationaler Master-Studiengang der Krebsforschung und Einzelveranstaltungen, an denen 650 Studenten und Wissenschaftler teilnahmen - von insgesamt 123 000 Studenten. Eine Datenbank, die das gesamte Studienangebot auflistet, soll den Studenten nutzen und Wissenschaftlern die Suche nach Forschungspartnern erleichtern. Auch ein gemeinsamer "UniGR-Studierendenstatus" wurde eingeführt. Nun können Studenten nicht nur an ihrer Heimat-Uni Lehrveranstaltungen besuchen, Prüfungen ablegen und Bücher ausleihen, sondern auch an den fünf anderen Unis. "Es ist vieles entstanden", sagt Linneweber, "Aber bei fast allem ist nach oben noch Luft."

Alexandra Göke erfuhr vor anderthalb Jahren, dass ihr Studiengang, der trinationale Master "Deutsch-Französische Studien", nun Teil der UniGR ist. Was das für ihr Studium bedeutet, ist ihr jedoch bis heute nicht klar: "Noch hat sich für uns nicht viel geändert." Ein Ziel des Projekts ist es, die bürokratischen Hürden abzubauen. Doch das scheint nicht so einfach: So haben die Unis in Lüttich, Lothringen, Luxemburg und Saarbrücken einen Mobilitätsfonds eingerichtet, um den Studenten das Pendeln zwischen den Unis zu erleichtern, die rheinland-pfälzischen Unis hingegen nicht. Das sei aus rechtlichen Gründen nicht möglich. Also bekommt Alexandra Göke einen Teil ihrer Fahrtkosten erstattet, wenn sie ein Seminar in Metz besucht, die Studenten aus Trier und Kaiserslautern jedoch nicht.

Auch in anderen Punkten sind die bürokratischen Hürden hoch. Jedes Semester muss Alexandra Göke sich in Luxemburg und Saarbrücken einschreiben, einmal im Jahr auch in Metz. Das bedeutet für sie "sehr viel Papierkram" in dreifacher Ausführung. "Besser wäre es, wenn man sich nur an einer Uni rückmelden müsste", findet die 24-Jährige.

Auch Conrad Doberauer pendelt regelmäßig zwischen Luxemburg, Saarbrücken und Metz. Der 25-Jährige ist im Master-Studiengang "Literatur- und Sprachgeschichte des deutschsprachigen Raums" eingeschrieben und freut sich, dass er nun an den drei Unis problemlos jeden Kurs besuchen kann. "Ich finde, das Projekt ist eine gute und wichtige Sache", sagt er. Er sieht in der Universität der Großregion einen guten Weg, um Studenten langfristig an die Großregion zu binden. Auch Alexandra Göke gefällt die Idee an sich. Nur: "Sie müsste besser kommuniziert werden, damit die Studenten wissen, was sie überhaupt davon haben." Beide haben den Eindruck, dass die meisten ihrer Kommilitonen nichts davon wissen. "Die allgemeine Informationslage ist, glaube ich, noch sehr dürftig", sagt Conrad Doberauer.

Bislang ist die Über-Uni vor allem in den Köpfen der Rektoren und Präsidenten präsent. "Es ist zugegebenermaßen ein Projekt, das von oben nach unten gestaltet wurde", räumt Volker Linneweber ein. Projektkoordinatorin Sonja Karb schätzt, dass nur die Hälfte der Studenten davon weiß. "Wir wollten es nicht zu früh bekannt machen, bevor es funktionierte", erklärt sie. Mehr als sechs Millionen Euro wurden ins Projekt gesteckt. Die Gelder kommen von der EU, den Unis, den Bundesländern und Regionen. Allein das Saarland zahlt 500 000 Euro. 2013 läuft die EU-Förderung aus. Karb ist aber zuversichtlich, dass es danach weitergeht. "Die Mittel waren vor allem nötig, um die Strukturen zu schaffen. Sie beizubehalten wird weniger kosten." Volker Linneweber relativiert: "Wir wissen, dass wir das dann aus eigener Kraft weiter leiten müssen - in zugegebenermaßen kleinerem Umfang."

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