Spitze und Schlusslicht zugleich

Saarbrücken · Nicht jeder kann sich voll und ganz dem Studium widmen. Wer etwa einen Beruf ausübt, kann an der Saar-Uni auch in Teilzeit studieren. Doch nicht viele wissen um diese Möglichkeit.

 Studieninteressierte müssen lange im Informationsmaterial der Saar-Uni suchen, um Hinweise zum Teilzeitstudium zu finden. Eine eigene Broschüre zum Thema suchen sie vergebens. BWL-Studentin Sinja Lorenz erfuhr im Gespräch mit einer Studienberaterin, dass sie ihr Fach auch in Teilzeit studieren kann. Foto: Maurer

Studieninteressierte müssen lange im Informationsmaterial der Saar-Uni suchen, um Hinweise zum Teilzeitstudium zu finden. Eine eigene Broschüre zum Thema suchen sie vergebens. BWL-Studentin Sinja Lorenz erfuhr im Gespräch mit einer Studienberaterin, dass sie ihr Fach auch in Teilzeit studieren kann. Foto: Maurer

Foto: Maurer

Es ist eine Bilanz der Extreme. Laut einer Studie des Centrums für Hochschulentwicklung (CHE) lassen sich an der Universität des Saarlandes 97 Prozent der Studiengänge in Teilzeit absolvieren. An allen saarländischen Hochschulen zusammengenommen sind es 64 Prozent. Das ist im Vergleich der Bundesländer der mit Abstand höchste Wert. Im zweitplatzierten Bundesland Hamburg sind es 43 Prozent.

Der Anteil saarländischer Studenten , die das Angebot nutzen, liegt jedoch im Promillebereich, genau genommen bei gerade einmal 0,4 Prozent. Auch das ist ein Topwert, allerdings ein negativer.

Eine Diskrepanz zwischen Angebot und Nachfrage stellt die CHE-Studie bundesweit fest. Im Saarland klafft die Schere nur besonders extrem auseinander. Das mangelnde Interesse führen die Autoren aber nicht auf geringen Bedarf zurück. Im Gegenteil sehen sie die Möglichkeit des Teilzeitstudiums als Antwort auf viele Probleme, die sich für die wachsende Gruppe "nicht-traditioneller Studenten " stellen. Ob Berufstätige, Alleinerziehende oder gesundheitlich Beeinträchtigte, sie alle könnten von einem entzerrten Stundenplan profitieren. Die Politik sieht das offensichtlich ähnlich. Das saarländische Landeshochschulgesetz fordert, "den besonderen Bedürfnissen von Teilzeitstudierenden" Rechnung zu tragen.

Dass sich ein Teilzeitstudium tatsächlich in unterschiedlichen Lebenssituationen bewähren kann, zeigt das Beispiel der Saarbrückerin Sinja Lorenz. Die heute 30-Jährige hat nach dem Abitur im Hotelgewerbe gearbeitet. Mit 23 Jahren stand sie bereits mitten im Berufsleben, als sie sich entschied, doch noch zu studieren. Ihren Job wollte sie aber unbedingt behalten.

Lorenz informierte sich über Möglichkeiten, nebenberuflich ein BWL-Studium aufzunehmen. An der Universität ihres damaligen Wohnsitzes Marburg gab es keine Möglichkeit, Beruf und Studium zu vereinbaren. Also entschied sie sich für die Fern-Uni Hagen. Das erlaubte ihr, weiterhin Vollzeit zu arbeiten. Nach elf Semestern schloss sie ihr Bachelor-Studium im Bereich Wirtschaftswissenschaften ab.

Zwischenzeitlich ins Saarland zurückgekehrt, wollte Lorenz endlich auch das Campusleben kennenlernen. "Ich wollte mal an einer Präsenz-Uni sein, weil ich die Erfahrung ja gar nicht hatte", sagt sie. Doch kurz bevor sie ihr Masterstudium an der Saar-Uni begann, erkrankte Sinja Lorenz schwer. Das bedeutete eine zeitintensive Behandlung und Reha.

Angebot als Standortvorteil

"Ich habe mich gefragt, was ich jetzt tun soll." Lorenz hätte ein Krankheitssemester nehmen können, dann aber keine Studienleistungen erbringen dürfen. "Ich wollte neben der Krankheit aber auch noch etwas Produktives machen, sofern die Tagesform das zuließ. Bei der Studienberatung haben sie mich dann über die Möglichkeit des Teilzeitstudiums informiert. Davon war ich gleich begeistert."

Trotz Fehlzeiten konnte Lorenz so zwölf Credit-Points im Semester sammeln. Nachdem ihre Behandlung beendet war, stieg sie wieder ins Vollzeitstudium um. Der Wechsel zwischen den Studienformen klappte problemlos.

Wenn die Erfahrungen so gut sind, warum nutzen dann nicht mehr Studenten diese Möglichkeit? Einen wesentlichen Grund für die mangelnde Nachfrage sehen die Autoren der Studie darin, dass Studenten nichts von dem Angebot wissen. Die Informationen der Hochschulen seien schlicht zu dürftig. Das bestätigt auch die Erfahrung von Sinja Lorenz. "Niemand meiner Bekannten wusste von dieser Möglichkeit. Wenn ich ihnen davon erzählt habe, haben sie mich mit großen Augen angeschaut und gesagt: Echt, das geht?"

Dabei könnte das Angebot ein Standortvorteil sein. Die Autoren der CHE-Studie weisen darauf hin, dass Teilzeitstudiengänge das Potenzial haben, "zur Profilierung der Hochschule beizutragen und auch überregional die Strahlkraft zu erhöhen". Gemessen am Abstand zwischen Angebot und Nachfrage ist dieses Potenzial im Saarland besonders groß.

Zum Thema:

Hintergrund Ein Teilzeitstudium an der Saar-Uni bedeutet, dass Studenten in bestimmten Semestern nur die Hälfte der vorgeschriebenen Lehrveranstaltungen besuchen müssen. Voraussetzung dafür ist, dass sie dem Studium nur mindestens die Hälfte und höchstens 60 Prozent ihrer Arbeitszeit widmen können. Deshalb müssen bei der Antragstellung bestimmte Gründe angegeben und mit Nachweisen belegt werden, die sie für ein Studium in Teilzeit berechtigen. Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.uni-saarland.de/campus/studium/beratung-und-orientierung/teilzeitstudium.html . lec

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