Ohne Abi in den Hörsaal

Nicht alle Studienkarrieren verlaufen geradlinig. Auch nach einigen Jahren im Beruf ist ein Studium möglich – mittlerweile auch ohne Abitur. Doch der Start wird berufserfahrenen Erstsemestern nicht unbedingt leichtgemacht.

Landshut. Am ersten Studientag war Jürgen Schwab alles andere als zuversichtlich. "Ich hatte viele Sorgen." Da war die Angst, dass Abiturienten ein Spezialwissen haben, das ihm als Realschüler fehlt und das er mit Berufserfahrung nicht wettmachen kann. Er machte sich Gedanken, weil er kein Latein konnte. Und da war die Befürchtung, sich nicht wohlzufühlen unter jenen, die frisch von der Schule kommen.

Jürgen Schwab studiert heute Jura an der Uni Passau. Mit 27 Jahren hat er sich eingeschrieben. Möglich macht das ein Passus in der Zulassungsordnung, nach dem Bewerber fehlende Hochschulreife mit Berufserfahrung und Weiterbildungen wettmachen können. Schwab hatte zum Zeitpunkt seiner Bewerbung bereits zehn Jahre Berufserfahrung als Bankkaufmann.

Seit 2009 soll beruflich Qualifizierten nach einem Beschluss der Kultusministerkonferenz der Weg ins Studium erleichtert werden. Da sind sich die Länder einig. Doch die Zugangsvoraussetzungen sind verschieden. Der Anteil der Studenten ohne Abitur ist minimal: "Derzeit sind es etwa 2,5 Prozent aller Studienanfänger ", sagt Jessica Heibült von der Uni Bremen, die zu diesem Thema forscht. Überdurchschnittlich ist der Anteil mit vier Prozent an Fachhochschulen, Unis kommen auf ein Prozent.

Heibült hat für ihre Untersuchung 38 Studenten befragt. Sie kämpften alle mit denselben Problemen: Von der Studienmöglichkeit ohne Abitur haben die meisten nur durch Zufall erfahren. Und dann bleibt die Frage: Wie das Ganze finanzieren? Wer sich für das Thema interessiert, kann sich zum Beispiel bei Arbeitsagenturen sowie den Kammern über die Zulassungsvoraussetzungen beraten lassen, erklärt Kim Maureen Wiesner vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Wer weiß, an welche Hochschule er möchte, wendet sich dort an die Studienberatung. Im Internet bieten die Seiten studieren-ohne-abitur.de oder wege-ins-studium.de erste Orientierung. An die Servicestelle Offene Hochschule Niedersachsen können sich auch Berufstätige anderer Bundesländern wenden.

Für Studenten mit Berufserfahrung gibt es spezielle Stipendien : Dazu gehört zum Beispiel das Aufstiegsstipendium des Bildungsministeriums. Auch die Hans-Böckler-Stiftung bietet Stipendien für diese Zielgruppe an. Einen ersten Überblick gibt im Internet der stipendienlotse.de.

Jürgen Schwab ist jetzt im fünften Semester. Mit den ersten bestandenen Klausuren wich seine Sorge, dass Abiturienten Spezialwissen haben, das ihm fehlt. Auch wegen seiner fehlenden Lateinkenntnisse macht er sich Gedanken mehr. "Die paar lateinischen Wörter hört man so oft, die lernt man einfach mit."

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