Raumfahrt Die Nasa will zurück zum Mond

Washington · Die US-Raumfahrtagentur will wieder Astronauten zum Mond schicken. Erster Schritt soll der Aufbau einer Raumstation im Mondorbit sein. Doch das geht nur mit internationaler Beteiligung.

 So könnte die neue internationale Raumstation im Orbit um den Mond aussehen.

So könnte die neue internationale Raumstation im Orbit um den Mond aussehen.

Foto: Northrop Grumman

Spätestens in fünf Jahren sollen wieder Menschen zum Mond fliegen. Das hat die US-Raumfahrtagentur Nasa angekündigt. Doch auch wer sich mit dem Thema Raumfahrt nur gelegentlich befasst, lernt schnell, dass solche Versprechen mit Vorsicht zu betrachten sind. Denn kaum etwas ist so unsicher wie ein Zeitplan in der Raumfahrt. Das zeigt auch die Intervention des National Space Council bei US-Präsident Donald Trump. Auslöser waren interne Berichte der Nasa, nach denen die fürs Mondprogramm unverzichtbare über 100 Meter hohe Superrakete SLS nicht rechtzeitig für den Erstflug im Jahr 2024 fertig wird. Grund sollen technische Probleme bei der Hauptantriebsstufe sein. Um den Zeitplan halten zu können, fordert die Nasa fürs Rechnungsjahr 2020 vom US-Kongress 821 Millionen US-Dollar (rund 730 Millionen Euro), berichtete jüngst der Raumfahrt-Informationsdienst Space News. Das ist fast doppelt so viel, wie die Abgeordneten in diesem Jahr für die Arbeiten am Mondprogramm bewilligten.

Nach den Vereinbarungen der Raumfahrtagenturen der USA, Russlands, Europas, Japans und Kanadas wird die Internationale Raumstation ISS nur bis Ende 2024 betrieben. Ihr weiteres Schicksal ist offen. Im Gespräch ist sowohl die Möglichkeit eines heißen Abgangs, die ISS würde dann in die Atmosphäre gesteuert, um zu verglühen, als auch eine Verlängerung ihrer Betriebszeit bis zum Jahr 2030. Astronauten wie Thomas Reiter von der Esa, die den Zustand der ISS gut kennen, empfehlen die Verlängerung der Betriebszeit. Auch die Esa, die russische Raumfahrtorganisation und mehrere US-Politiker haben sich dafür ausgesprochen.

Gleichzeitig locken aber auch Mond und Mars. Dazu hat eine internationale Forschergruppe Ideen zusammengetragen. Sie sehen eine neue Raumstation vor, die um den Mond kreisen soll. Das Projekt „Lunar Orbital Platform-Gateway“ (LOPG) sieht eine aus sieben Modulen bestehende internationale Station vor. An deren Aufbau und Betrieb wollen sich neben der Nasa die Raumfahrtagenturen Russlands, Europas, Japans und Kanadas beteiligen. Die Vorschläge sehen eine modular aufgebaute Station von etwa einem Drittel der Größe der ISS mit einem Wohn- und Arbeitsraumvolumen von 125 Kubikmetern vor. Zum Vergleich: Das entspricht dem Volumen von zwei jeweils 25 Quadratmeter großen Zimmern von 2,5 Metern Höhe. Die USA wollen die Antriebs- und Service-Sektion mit Solarzellenauslegern zur Energieversorgung und einem Treibstoff sparenden Ionenantrieb liefern. Europa will unter anderem das sogenannte Modul Esprit liefern. Es enthält Betankungssysteme und Kommunikationseinrichtungen. Außerdem ist in Kooperation mit der japanischen Raumfahrtagentur ein Wohn- und Forschungslabor geplant, an dem außen ein rund 20 Meter langer, in Kanada gebauter Roboterarm sitzt.

Ein weiteres Forschungslabor mit Ausstiegsluke und Andockeinheit für unbemannte Transporter mit Mondbodenproben will ebenfalls die Nasa liefern. Die russische Raumfahrtagentur Roskosmos hat ein Mehrzweckmodul mit mehreren Kopplungsstutzen für das Andocken von amerikanisch-europäischen Orion-Raumschiffen sowie russischen Sojus-Raumschiffen und deren Nachfolgern namens „Föderation“ angeboten.

Die Mondstation LOPG soll in einem langgestreckten Sechstage-Orbit um den Mond kreisen. Der niedrigste Punkt der Umlaufbahn wird weniger als 100 Kilometer hoch über dem Mondsüdpol liegen. Das ermöglicht einen schnellen Pendelverkehr zwischen der Station und der Mondoberfläche. Dafür ist allerdings eine zusätzliche Landefähre nötig, die noch nicht entwickelt ist. Eine Landung auf dem Mond innerhalb der nächsten fünf Jahre ist deshalb unmöglich. Am Mondsüdpol soll allerdings in fernerer Zukunft eine Außenstation aufgebaut werden. Ebenfalls sind von der LOPG aus energetisch günstige, bemannte Flüge zu Kleinplaneten und zum Mars möglich. Nicht zuletzt ermöglicht die Station im Mondorbit eine regelmäßige Kommunikation mit der Erde.

Es gibt jedoch ein Risiko: Die ISS kreist heute im Schutz des Magnetfeldes um die Erde, die LOPG wird sich weit außerhalb dieses Schutzes bewegen. Dort ist die Strahlenbelastung sehr viel höher als im Erdorbit. Deshalb muss die Besatzung sehr viel schneller ausgewechselt werden. Länger als 30 Tage wird sich vermutlich kein Astronaut dort aufhalten dürfen – auf der ISS sind es 90 Tage. Die LOPG ist deshalb auch als Forschungslabor konzipiert, um bessere Strahlenschutzsysteme im All zu testen. Sie sollen dann mehrmonatige Flüge zum Mars ermöglichen.

Davor sind allerdings viele Probleme zu lösen. Dazu gehören die Schwierigkeiten bei der Entwicklung der Nasa-Schwerlastrakete SLS. Die ist für den Start der neuen Orion-Raumkapsel ebenso erforderlich wie für den Flug der Module zur neuen Raumstation. Eigentlich sollte die über hundert Meter hohe SLS in diesem Herbst starten. Mittlerweile ist der Jungfernflug auf 2024 verschoben. Um die Mondpläne nicht weiter zu verzögern, hat das National Space Council der Nasa empfohlen, kommerzielle Alternativen wie die Falcon Heavy des privaten Raumfahrtunternehmens SpaceX in Betracht zu ziehen.

 Raumstation im Mondorbit

Raumstation im Mondorbit

Foto: SZ/Steffen, Michael

Rund 100 Milliarden Dollar hat vor 20 Jahren der Aufbau der Internationalen Raumstation gekostet. Die Mondstation dürfte mindestens so teuer werden. In den kommenden Monaten müssen die Raumfahrtagenturen wichtige Entscheidungen fällen, wenn der Zeitplan eingehalten werden soll. Wie lange soll die ISS weiter betrieben werden? Wie teuer darf der Nachfolger werden? Bisher hat nur Kanada als der kleinste internationale Partner der Nasa ein Angebot für die Teilnahme am Mondprogramm gemacht. Kanadas Premierminister Justin Trudeau versprach 1,4 Milliarden US-Dollar für die Entwicklung eines Roboterarms. Europa wird bei der Esa-Ministerratskonferenz „Space19+“ im November über die Finanzen beraten, Russland und Japan danach. Spannend wird sein, ob es auch gelingt, China, Indien und Südkorea mit ins Boot zu holen.

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