In Freiheit forschen
Saarbrücken · Apotheker im Saarland leiden unter Nachwuchsmangel, Pharmazie-Forscher unter Personalsorgen. Gelindert werden soll der Notstand durch Studenten aus dem Nahen Osten, die mit Begeisterung bei der Sache sind.
Wer in Deutschland Apotheker werden will, braucht nicht nur ein oder zwei, sondern gleich drei Examen. Bevor sie ihre Approbation in der Tasche haben, müssen Pharmaziestudenten nach dem Uni-Abschluss in der letzten Station ihrer Ausbildung mindestens ein halbes Jahr in einer Apotheke arbeiten.
An der Universität des Saarlandes gibt es die Möglichkeit, diese praktische Anforderung mit einem Einblick in die Forschung zu verbinden und dabei ein sogenanntes "Diplom in Pharmazie" zu erwerben. Dabei handelt es sich um ein einjähriges Programm, bei dem die Studenten an einem Forschungsprojekt mitarbeiten und eine Diplomarbeit anfertigen.
Obwohl es das Angebot an der Hochschule schon seit Jahrzehnten gibt, wurde es lange kaum genutzt, erzählt Chemie-Professor Claus Jacob, der eine Forschungsgruppe angehender Apotheker betreut. Doch in den vergangenen fünf Jahren habe sich das geändert. Der Grund: Studenten aus dem Ausland, besonders aus dem Nahen Osten, interessieren sich verstärkt für dafür.
Bereits vor der Ankunft großer Flüchtlingsgruppen im vergangenen Jahr hatte das Programm Zulauf von Absolventen aus Syrien, Ägypten und Tunesien. Sie versprechen sich einen Einstieg in die Forschung auf internationalem Niveau. Die Uni wiederum könne so die Abwanderung ortsansässiger Absolventen ausgleichen. "Die Syrer sind spitzenmäßig ausgebildet und sprechen bereits nahezu fließend Englisch. Das kann man bei deutschen Studenten nicht automatisch voraussetzen", sagt Jacob. Und auch die regionalen Apotheker , die von Nachwuchssorgen geplagt werden, können von den Fachkräften aus dem Ausland profitieren.
Bislang ist das Diplom von zehn syrischen Studenten absolviert worden. Einige davon sind nun in der Forschung an der Saar-Uni tätig, andere arbeiten in Apotheken oder haben sogar Filialen übernommen, sagt Jacob. Aktuell nehmen acht ausländische Studenten an dem Programm teil, zwei davon sind über die Asylbehörde dazugestoßen.
Die Studenten aus Syrien helfen laut Jacob gleich doppelt dabei, die Ansprüche der sogenannten Internationalisierungsstrategie zu erfüllen. Unter diesem Schlagwort werden die Bemühungen der Uni zusammengefasst, den wissenschaftlichen und persönlichen Austausch mit ausländischen Hochschulen zu fördern. Eine Problemzone ist der Westbalkan: Deutsche Studenten wollen nach Australien oder Amerika, aber nicht nach Albanien. Ihre syrischen Kommilitonen sind in dieser Hinsicht aufgeschlossener. "Sie sind hochmotiviert und auch abenteuerlustig", sagt Professor Jacob.
Reger Austausch
Der dreißigjährige Wesam Ali etwa, der an der Damascus University einen Abschluss in "Food Analysis" abgelegt hat und nun sein Pharmazie-Diplom mit dem Schwerpunkt Chemie macht, freut sich schon auf seinen Aufenthalt in Albanien. Ali ist begeistert von der Gelegenheit, Erfahrungen bei internationalen Konferenzen zu sammeln, viele verschiedene Länder und Labore zu sehen und bei einem Austauschprogramm mitmachen zu können. Nach seinem Abschluss im März möchte er bei Professor Jacob eine Doktorarbeit schreiben. Später will er in sein Heimatland zurückkehren und dort beim Wiederaufbau helfen und zugleich seine guten Beziehungen zu Deutschland und der Saar-Uni pflegen.
Auch Ahmad Yaman Abdin (26), der seit fünf Monaten dabei ist, möchte neues Terrain erobern. Er belegt einen Studienschwerpunkt, den Professor Claus Jacobs erdacht hat: Die "Philosophy of Pharmacy" stellt die ethischen Aspekte im Verhältnis von Mensch und Medizin in den Mittelpunkt. "Wir können Pioniere auf dem Gebiet werden", sagt Abdin. "In meinen Augen ist das die Zukunft: Alles wird automatisiert, aber nur der Mensch kann kritische Fragen stellen und neue Ideen entwickeln." Die Art, wie Abdin von seinen Studien erzählt, bestätigt Jacobs These: Sie strotzt vor intellektueller Abenteuerlust.
Zum Thema:
Hintergrund Ein Diplom in Pharmazie kann an der Universität des Saarlandes zusätzlich zur Approbation als Apotheker erworben werden. Weil die Diplomarbeit schon im Praktischen Jahr bearbeitet werden kann, bietet sich hiermit eine Möglichkeit, während der regulären Ausbildung den akademischen Titel "Diplom-Pharmazeut" zu erwerben und Erfahrungen im wissenschaftlichen Arbeiten zu sammeln. Ein Diplom ist aber auch nach dem Praktischen Jahr möglich. Zulassungsvoraussetzung ist das Zweite Staatsexamen in Pharmazie. Für die praktische Arbeit und die Anfertigung der Diplomarbeit stehen neun Monate zur Verfügung. Sechs Monate hiervon können auf das Praktische Jahr laut Approbationsordnung angerechnet werden. Weitere Informationen unter: pharma.uni-saarland.de/diplom.php. red