Grenzenlose Bildschirmwelten

Saarbrücken. Die Computertechnik wird immer intelligenter. Das Smartphone spricht zu uns dank Programmen der Künstlichen Intelligenz, das Auto flutscht, gesteuert vom Parkassistenten, millimetergenau in klaustrophobisch enge Lücken. Und der Kühlschrank kommuniziert demnächst mit den Joghurts und schickt eine SMS, wenn das Verfallsdatum erreicht ist

 Bildschirm-Puzzle: Für die Entwicklung einer Software, die es ermöglicht, viele Bildschirme auf Mausklick zu einer Monitorwand zu verbinden, erhielt Alexander Löffler (rechts) gestern den Innovationspreis der Computermesse Cebit. An jeder Position dieser Videowand kann ein beliebig großer Monitor eingefügt werden, zeigen hier Alexander Löffler und Professor Philipp Slusallek (links). Foto: Dietze

Bildschirm-Puzzle: Für die Entwicklung einer Software, die es ermöglicht, viele Bildschirme auf Mausklick zu einer Monitorwand zu verbinden, erhielt Alexander Löffler (rechts) gestern den Innovationspreis der Computermesse Cebit. An jeder Position dieser Videowand kann ein beliebig großer Monitor eingefügt werden, zeigen hier Alexander Löffler und Professor Philipp Slusallek (links). Foto: Dietze

Saarbrücken. Die Computertechnik wird immer intelligenter. Das Smartphone spricht zu uns dank Programmen der Künstlichen Intelligenz, das Auto flutscht, gesteuert vom Parkassistenten, millimetergenau in klaustrophobisch enge Lücken. Und der Kühlschrank kommuniziert demnächst mit den Joghurts und schickt eine SMS, wenn das Verfallsdatum erreicht ist. Nur ein Vertreter der Hightech-Welt erscheint im Vergleich ein wenig zurückgeblieben: der Monitor. Der Bildschirm ist mit dem Rest der Multimedia-Geräte über eine Technik verbunden, die so modern wirkt wie das Morse-Alphabet im Handyzeitalter.

Wer heute einen PC oder ein anderes digitales Gerät mit einem Bildschirm oder einem Projektor verbinden will, braucht Spezialkabel mit passenden Anschlüssen, oft Geduld und immer ein wenig Glück, damit alles auf Anhieb fehlerfrei zusammenarbeitet. "Dieser Aufwand ist eigentlich völlig unnötig", kritisiert der Saarbrücker Informatik-Professor Philipp Slusallek. Das fingerdicke Monitorkabel ist im Netzwerkzeitalter ein Anachronismus und existiert nur noch, weil alte Bildschirmnormen eine unkomprimierte Datenübertragung zum Monitor verlangen.

Um Slusalleks Kritik zu verstehen, ist ein Ausflug in die Technik der digitalen Bildverarbeitung nötig: Um Fotos oder Videos von Gerät A an Bildschirm B zu übertragen, ist es heute nicht mehr erforderlich, Bildinformationen Pixel für Pixel zu senden. Informatiker haben ausgefuchste Rechenverfahren entwickelt, die diese Übertragung durch Datenkompression extrem beschleunigen. Moderne Algorithmen kombinieren diese Techniken mit Verfahren, bei denen nur noch Änderungen von Bild zu Bild übertragen werden. Sie schrumpfen so das Datenvolumen im Extremfall auf ein Tausendstel des Originals. Beim Empfänger des Datenstroms wandelt schließlich ein komplementäres Programm die Daten wieder zurück ins ursprüngliche Bild.

Mit dieser Technik können HD-Videos per Internet in Echtzeit um den Globus übertragen werden. Den letzten Meter allerdings, vom Empfangsgerät zum Monitor, müssen die Daten gewissermaßen mit angezogener Handbremse zurücklegen. Denn für den Versand durchs Bildschirmkabel werden die Bilder wieder aufs volle Format aufgeblasen. So will es die Norm der Videoschnittstelle. "Das macht die Bildschirmtechnik schrecklich unflexibel", kritisiert der Saarbrücker Informatiker. "Wir können das jetzt viel besser."

Am Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) hat ein Team um Alexander Löffler ein Verfahren entwickelt, um Monitore direkt mit einem Netzwerk zu verbinden. "Wir machen den Bildschirm intelligent", fasst Slusallek die Neuentwicklung seiner Arbeitsgruppe zusammen.

Zwei Jahre hat das vierköpfige Team um Alexander Löffler am Programm "Display as a Service" (DaaS) gearbeitet. Gestern Abend erhielt der Saarbrücker Informatiker für diese Arbeit den mit 50 000 Euro dotierten "Innovation Award" der Computermesse Cebit. DaaS reduziert den Aufwand für einen Monitoranschluss auf einen Mausklick. Die DFKI-Software, die bei der Cebit präsentiert wird, verwandelt von beliebigen elektronischen Geräten erzeugte Bild- und Videodaten in einen Netzwerkdienst, auf den alle Geräte eines Datennetzes direkt zugreifen können. Und das funktioniert auch drahtlos.

Die DFKI-Technik kann nicht nur den Kabelsalat rund um den Monitor überflüssig machen. Da jedes Gerät im Netz gleichzeitig als Sender und Empfänger agieren kann, lassen sich Bildausgaben vieler PCs, zum Beispiel für eine Konferenz, auf einem Display beliebiger Größe zusammenschalten. "Genauso ist es möglich, viele Monitore zu einer riesigen Bildschirmwand zusammenzufassen", so Alexander Löffler. In einem Gigabit-Netzwerk können gleichzeitig mindestens 25 Video-Datenströme in HD-Qualität fließen. Ein modernes WLAN-Netz erreicht ein Viertel dieser Kapazität. Möglich machen das Verfahren der Datenkompression, die der heutigen Monitornorm fehlen, so Slusallek.

Bislang läuft die Software auf handelsüblichen Computern in den DFKI-Labors. Für die Zukunft schwebt Slusallek vor, die DaaS-Software direkt in die Hardware von Fernsehern, Projektoren und Computermonitoren zu integrieren - das DFKI spreche bereits mit IT-Unternehmen, zum Beispiel Intel, über dieses Thema. Dann wäre für den Bildschirm-Anschluss kein teures Monitor-, sondern nur ein simples Netzwerkkabel notwendig - oder gar kein Kabel im Fall des WLAN-Zugangs. Video-Fans könnten sich im Hobbykeller aus mehreren HD-Fernsehern einen Bildschirm in Kinogröße zusammenschrauben und auch die Fernsehwelt hätte eine Sorge weniger. Dort wird derzeit unter dem Kürzel "4K" an einem neuen Bildschirmstandard gearbeitet, der die vierfache Auflösung des HD-Bildes haben soll. Dabei ist noch ein großes Problem zu lösen, so Philipp Slusallek. Es gibt bisher keine Monitorkabel, die diese Datenmengen übertragen könnten. "Mit unserer Technik wäre das dann kein Problem." "Wir machen den Bildschirm intelligent."

Professor

Philipp Slusallek

Hintergrund

Der "Information Award" der Computermesse Cebit ist mit 50 000 Euro dotiert. Er wird für Neuerungen der IT-Welt vergeben, die technischen Fortschritt bringen und den Umgang mit der Computertechnik erleichtern. Alexander Löffler, dessen Arbeit gestern mit dem ersten Preis ausgezeichnet wurde, ist 33 Jahre alt und studierte in Kaiserslautern und Saarbrücken. Er promoviert an der Saar-Uni mit einer Arbeit zur Computergrafik. Löffler forscht sowohl am DFKI als auch am Intel Visual Computing Institute, das auf dem Campus der Saar-Universität zu Hause ist. byl

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