Ein Studium mit Hindernissen

Saarbrücken. Zielstrebig und schnell kommt Hanna Matthies auf das Asta-Gebäude am Campus in Saarbrücken zu. Doch plötzlich biegt sie in eine Seitenstraße ab, um wenige Sekunden später wieder auf dem Bordstein aufzutauchen

 Schon kleine Abflussrinnen sind eine Hürde für Rollstuhlfahrer wie Hanna Matthies. Wenn es geht, meidet die Studentin solche Gefahrenstellen und fährt lieber einen Umweg. Foto: Iris Maurer

Schon kleine Abflussrinnen sind eine Hürde für Rollstuhlfahrer wie Hanna Matthies. Wenn es geht, meidet die Studentin solche Gefahrenstellen und fährt lieber einen Umweg. Foto: Iris Maurer

Saarbrücken. Zielstrebig und schnell kommt Hanna Matthies auf das Asta-Gebäude am Campus in Saarbrücken zu. Doch plötzlich biegt sie in eine Seitenstraße ab, um wenige Sekunden später wieder auf dem Bordstein aufzutauchen. Noch ein paar Mal muss sie Schwung holen, und schon ist sie da: "Tja, Umwege muss ich viele fahren, die Bordsteine sind oft zu hoch", erklärt die 25-jährige Literaturwissenschaftsstudentin ihren kurzen Ausflug im Rollstuhl. Hanna wurde zu früh geboren und leidet seither an einer Schädigung des Nervensystems. Ihre Beine kann sie zwar bewegen, doch gehen kann sie nicht.An das Rollstuhlfahren ist sie so gewöhnt, dass sie es sogar öfters vergisst: "Ab und zu komme ich zu spät in Vorlesungen, weil ich nicht daran gedacht habe, dass ich doch etwas mehr Zeit einplanen muss als andere", erzählt sie. Denn gerade an der Uni stößt Hanna immer wieder an ihre Grenzen. Dass der Saarbrücker Campus bergig ist, damit hat sie kein Problem. "Auf dem Weg hoch zur Mensa verdiene ich mir mein Mittagessen. Solange ich selber irgendwie ankomme, ist es okay." Doch da liegt das Problem: Viele Ziele sind für Rollstuhlfahrer ohne fremde Hilfe nicht erreichbar. So kann Hanna Vorlesungen im Audimax nur von ganz oben verfolgen. Wenn sie nach unten muss, wie zum Beispiel bei Aufführungen des Uni-Chors, in dem sie singt, muss sie getragen werden. Das Gleiche gilt für das Präsidialgebäude: "Da hat mich der Präsident persönlich hochgetragen", erzählt sie schmunzelnd, auch wenn sie das gar nicht mag: "Ich kann dann überhaupt nicht mithelfen und bin vollkommen angewiesen auf andere. Das mag ich nicht."

Egal ob im Kindergarten, der Grundschule oder auf dem Gymnasium, immer war sie die erste dort im Rollstuhl und hat sich immer angepasst. "Ich habe mir immer gedacht: 'Es wird schon irgendwie gehen, das schaffst Du schon'." Doch diese Einstellung ändere sich gerade. Sie wolle auf Missstände hinweisen, sich mit anderen Studenten mit Behinderung austauschen und ihr Know-how weitergeben. Deshalb engagiert sie sich seit einigen Monaten im Asta, arbeitet dort im Referat für Gleichstellung.

Besonders ärgert sich Hanna zum Beispiel, wenn Neubauten oder renovierte Gebäude nicht barrierefrei sind beziehungsweise "nicht mitgedacht wurde". So ist im neuen Campus-Center die Informationstheke so hoch, dass ein Rollstuhlfahrer nicht drüber schauen kann. Die schwere Eingangstür der komplett renovierten Bibliothek öffnet sich nicht automatisch, und die Fotokopierer sind zu hoch für Rollstuhlfahrer.

Als solche Baumaßnahmen geplant worden seien, sei Barrierefreiheit noch kein Thema gewesen, erklärt Michelle Froese-Kuhn, Referentin der Kontaktstelle Studium und Behinderung an der Saar-Uni: "Man muss bei vielen Leuten erstmal ein Bewusstsein dafür schaffen." Die Kontaktstelle existiert erst seit einem Jahr, vorher habe das ein Uni-Mitarbeiter "nebenher machen müssen."

Doch schon jetzt habe sich einiges verbessert: "Wenn es jetzt Umbaumaßnahmen gibt, werde ich gefragt. Und wenn die richtigen Stellen und Leute zusammenarbeiten, kann man auch schnell eine Lösung finden." Außerdem seien viele Dinge in Arbeit, unter anderem ein spezieller Wegeplan für Rollstuhlfahrer. Bei allem sei die Kontaktstelle aber auf die Mitarbeit Betroffener angewiesen: "Wir sind froh über jeden Hinweis, den wir bekommen." In der vergangenen Woche habe unter anderem deshalb zum ersten Mal ein runder Tisch für Studenten mit Behinderungen und solche mit chronischen Erkrankungen stattgefunden, der nun regelmäßig organisiert werden soll.

Austausch findet auch Hanna Matthies extrem wichtig. An der Saar-Uni habe sie nur eine Freundin, die auch im Rollstuhl sitzt: "Es tut einfach gut, sich mal über Probleme des Alltags austauschen zu können."

Das Referat für Gleichstellung ist telefonisch unter (06 81) 3 02 45 89 oder per E-Mail zu erreichen: gleichstellung@asta.uni-saarland.de

Informationen rund um das Thema Studium und Behinderung gibt es bei der Kontaktstelle Studium und Behinderung der Saar-Uni, Tel. (06 81) 3 02 50 25 und im Internet.

uni-saarland.de/ksb

"Wir wissen, dass noch viel zu machen ist."

Michelle Froese-Kuhn, Referentin Kontaktstelle Studium und Behinderung

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