Ein Leiden namens Aufschieberitis

Saarbrücken · Steht eine Hausarbeit an, wird der Putzlappen auf einmal zum besten Freund. Diagnose: Aufschieberitis. Ein häufiger Grund ist laut Psychologen die Angst, den Anforderungen nicht gerecht zu werden. An der Saar-Uni bekommen Betroffene Hilfe.

Morgen, morgen, nur nicht heute - sagen alle, die gerne mal aufschieben. Die Vorlesungen neigen sich dem Ende zu, die Semesterferien stehen kurz bevor und die Abgabetermine für diverse Hausarbeiten liegen noch in weiter Ferne. Noch voller Motivation wird ein Plan gemacht, bald die Bibliothek zu besuchen und die ersten Zeilen zu schreiben.

Aber dann möchte man erst einmal entspannen, seine Freizeit genießen. Zuhause ist auch plötzlich alles wichtiger als die Hausarbeit . Das Geschirr muss gespült werden, der Boden geschrubbt, ein Tee gekocht, Facebook gecheckt, das Bad gereinigt, wieder ein Tee gekocht werden - und schon ist der Tag vorüber. Diese Vorgänge scheinen sich in einer Endlosschleife bis kurz vor Abgabetermin zu wiederholen. Aus latentem Unbehagen wird dann Panik.

Nicht nur Studenten verschieben lästige Arbeiten im Alltag. Das gibt sogar Arbeits- und Organisationspsychologe an der Universität des Saarlandes Professor Cornelius König von sich selbst zu. "Prokrastination ist ein Alltagsphänomen, das macht jeder mal", so König. Der lateinische Begriff Prokrastination, im Volksmund auch Aufschieberitis genannt, beschreibt das Verhalten, notwendige, aber als unangenehm empfundene Dinge immer wieder zu verschieben, anstatt sie zu erledigen.

Warum aber ist Aufschieben gerade bei Studenten ein großes Thema? "Je mehr Freiheiten man hat, desto mehr Zeit hat man zum Aufschieben", erklärt König. Beim Studium gebe es lange Fristen und weder Eltern noch Vorgesetzte, die Druck machen, das begünstige das Aufschieben. Der Psychologe empfiehlt Betroffenen, sich Lerngruppen anzuschließen und eine anstehende Arbeit in Teilabschnitte zu untergliedern. Das Aufschiebe-Verhalten sieht er vor allem in der Persönlichkeit begründet: "Hier zeigt sich, wo sich die Fleißigen von den weniger Fleißigen unterscheiden."

Juliane Temmes von der Psychologisch-Psychotherapeutischen Beratungsstelle des Studentenwerks im Saarland sieht das anders: "Die individuellen Ursachen für Prokrastination können sehr unterschiedlich sein". Manche Studenten hätten allgemein Strukturierungsprobleme. Dazu zähle auch ein schlecht ausgeprägtes Zeitmanagement und eine impulsive Herangehensweise. Oft müssten die Betroffenen in diesem Falle lernen, sich besser zu strukturieren und selbst zu steuern, sagt die Psychologin.

Ganz anders sieht es bei jenen aus, die aufgrund unbewusster Konflikte aufschieben. Hier nennt Temmes zum Beispiel die fehlende Motivation für ein Studium, Autoritätsprobleme oder die Angst, ein Studium abzuschließen. Es gebe auch Studenten , die Hausarbeiten aufschieben aus Angst, den Anforderungen an sich selbst nicht gerecht zu werden oder vor anderen zu versagen. Seltener seien die Studenten tatsächlich mit dem Stoff überfordert. Auch schwerwiegende Probleme wie Depressionen oder andere psychische Störungen seien als Ursache eher selten. "Bedenklich wird das Aufschieben, wenn man selbst darunter leidet und ernsthafte Konsequenzen drohen, wie beispielsweise der Verlust des Bafög-Anspruchs oder die Exmatrikulation ", sagt Temmes. Wer merke, dass er Arbeiten aufschiebt, sollte sich möglichst früh Hilfe suchen. In der Beratungsstelle suche man dann zum Beispiel in Einzelgesprächen gemeinsam nach den Ursachen für das Problem. Zudem bietet die Beratungsstelle einen Workshop zum Thema Aufschieben an.

Eingehend hat sich auch die Westfälische Wilhelms-Universität in Münster mit dem Thema Prokrastination beschäftigt und eigens eine Seite zum Thema im Internet zusammengestellt. Interessierte können hier auch selbst ihr Aufschiebe-Verhalten mit Hilfe eines Fragebogens testen.

uni-muenster.de/

prokrastinationsambulanz

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Auf einen Blick:Wer Probleme hat, eine Hausarbeit zu schreiben, kann am 7. März von 16 bis 20 Uhr die Veranstaltung "Hausarbeiten - Vom Startschuss bis zum Ziel" vom Asta der Saar-Uni in Gebäude B 1.1 besuchen. Hier wird auch ein Workshop zum Thema Zeitmanagement angeboten. Psychologische Hilfe gibt es beim Studentenwerk. belasta.uni-saarland.destudentenwerk-saar-land.de/de/beratung

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