Die Landesregierung präsentiert den Hochschulen einen bis zum Jahr 2020 reichenden Entwicklungsplan

Saarbrücken · „Kooperieren, konzentrieren, konsolidieren“ – so lautet das Motto der Landesregierung für die Hochschulpolitik der kommenden Jahre. Was das konkret bedeutet, soll der Landeshochschulentwicklungsplan deutlich machen. Der vom Ministerrat abgesegnete Entwurf des 47-Seiten-Papiers zirkuliert jetzt an den Fakultäten. Bis zum 16. Januar sollen die Hochschulen Antworten formulieren.

 Die Wissenschaftsministerin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, spricht bei der Demonstration gegen die Sparmaßnahmen am 15. Dezember zu protestierenden Studenten und Mitarbeitern der Saar-Uni. Foto: Dietze

Die Wissenschaftsministerin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer, spricht bei der Demonstration gegen die Sparmaßnahmen am 15. Dezember zu protestierenden Studenten und Mitarbeitern der Saar-Uni. Foto: Dietze

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Saarbrücken . Wie sieht die Zukunft der Saar-Uni aus? Welchen Platz sollen die Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und die anderen akademischen Einrichtungen in der Wissenschaftslandschaft des Saarlands einnehmen? Antworten auf diese Fragen soll der Hochschulentwicklungsplan des Saarlands geben. Der vom Ministerrat verabschiedete Entwurf, zu dem die Hochschulen jetzt Stellung nehmen sollen, fußt auf vom Landtag im Sommer verabschiedeten Eckpunkten und der Ansage der Regierung, dass der Wissenschafts-Etat bis 2020 eingefroren wird. Weil die Hochschulen deshalb Lohnsteigerungen selbst schultern müssen, entwickelte das Uni-Präsidium ein heftig diskutiertes, millionenschweres Sparprogramm.

Der Hochschulentwicklungsplan spricht dieses brisante Thema so direkt nicht an, der Entwurf verzichtet auf Zahlen und Statistiken. "Doppelstrukturen" sollen abgebaut, "Synergieeffekte" ausgenutzt, "neue Potenziale" erschlossen werden. Der Landesplan fordert von der Uni Anstrengungen für wenigstens zwei weitere Sonderforschungsbereiche - die Uni unterhält heute fünf dieser Schwerpunkte. Die Zahl der Studenten im Saarland soll bis 2020 möglichst nicht sinken.

Bis Mitte Februar, so Susanne Reichrath, die Wissenschafts-Beauftragte der Staatskanzlei, werden Details des Papiers mit den Hochschulen ausgearbeitet. Viele Wissenschaftler der Saar-Uni dürften sich allerdings jetzt schon über Formulierungen des Entwurfs Sorgen machen, die teils bis auf die Ebene einzelner Lehrstühle durchgreifen. Die Wirtschaftswissenschaften werden in einer unmissverständlichen Ansprache zum Aufbau einer Kooperationsplattform mit der HTW aufgefordert. Hier seien beide Hochschulen bereits auf gutem Weg, so Susanne Reichrath. Das Kooperationskonzept hat aber gleichzeitig die Aufgabe, "einen substanziellen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung" zu ermöglichen. Die HTW soll ihr eigenes Angebot im Wirtschaftsingenieurwesen durch Umschichtungen in den Wirtschaftswissenschaften ausbauen. Kooperationsplattformen, die auch Promotionen ermöglichen, sind auch in den Gesundheits- und Ingenieurwissenschaften vorgesehen. Bei den Ingenieuren soll die HTW den Schwerpunkt bilden.

Die Kapazität in den Lehramtsstudiengängen der Uni wird zum Wintersemester 2015/2016 von heute 350 auf wahrscheinlich 250 Studienplätze heruntergefahren. Betroffen sind hauptsächlich die Fächer Chemie, Deutsch, Englisch, Geschichte, Mathematik, Sport, Wirtschaftspädagogik und die Primarstufe. Die Lehramtsstudiengänge Geographie und Italienisch laufen aus. Das Lehramtsfach Mechatronik soll an die HTW verlegt werden.

Die technisch-naturwissenschaftlichen Fachrichtungen der Universität sollen sich laut Landesplan vor allem an den Schwerpunkten BioMed und Werkstoff/Materialwissenschaften ausrichten. Bereiche, die dazu nichts beitragen, müssten "einen strukturellen Sparbeitrag erbringen".

"Die Geisteswissenschaften der Universität bleiben ein besonderer Schwerpunkt", heißt es im Entwicklungsplan. Sie müssten jedoch besser zusammenarbeiten und mehr Drittmittel hereinholen. Dem Thema Europa soll deutlich mehr Gewicht beigemessen werden - das gilt unter anderem für Romanistik, Germanistik, Anglistik und die Literaturwissenschaften. Die Frankreich-Strategie der Landesregierung müsse sich auch auf dem Campus niederschlagen - idealerweise in einem Sonderforschungsbereich. Hinter die Altertumswissenschaften setzt der Plan ein Fragezeichen, die Slavistik wird gestrichen. Geographie und Soziologie der Uni könnten "in dieser Form nicht fortgeführt werden" - der Soziologie-Lehrstuhl solle aber, so er und das Centrum für Evaluation sich 2020 selbst finanzieren, in die Bildungswissenschaften integriert werden. Die Wissenschaftskoordinatorin der Staatskanzlei plädiert für ein Gesamtkonzept mit der HTW.

Die Rechtswissenschaften, deren Staatsexamens-Studiengang der Wissenschaftsrat zur Disposition gestellt hatte, soll gestärkt werden - unter anderem durch Wiederbesetzung einer freien Strafrechtsprofessur. Dafür erwartet das Land Gegenleistungen. Die Zahl der Studenten müsse ebenso steigen wie die Drittmittelquote. Außerdem sollen auch die Juristen Anlauf für einen eigenen Sonderforschungsbereich nehmen. Das Fach biete gute Grundlagen, hier binnen 18 Monaten zu einer gemeinsamen Linie zu finden, so Susanne Reichrath.

Mit rund fünf Millionen Euro aus freiwerdenden Bafög-Mitteln können die Hochschulen künftig zusätzlich rechnen. Das Geld soll zweckgebunden zur Förderung der "Internationalisierung, insbesondere des Europa-Schwerpunkts und der Aktivitäten im Zusammenhang mit der Frankreichstrategie aller Hochschulen" eingesetzt werden, heißt es im Entwurf des Landeshochschulplans.

"Gute Argumente zählen nicht"

Asta-Vorsitzende der Saar-Uni übt scharfe Kritik an Landesregierung - Entwicklungsplan sei "unrealistisch"


Der Entwicklungsplan des Landes beschreibe die Folgen der Sparlast für die Uni "durch eine rosarote Brille", sagt die Asta-Vorsitzende der Saar-Uni, Charlotte Dahlem. Die darin aufgeführten Forderungen hält sie für unrealistisch. "Einerseits sollen die Studierendenzahlen hoch gehalten werden, andererseits soll Spitzenforschung betrieben werden - es ist klar, dass beides angesichts der Grundsparlast nicht möglich ist", so Dahlem.

Sie warnt vor einem extremen Rückbau des Lehrangebots, einer Verschlechterung der Lehre und einer sinkenden Zahl an Studierenden. Aus dem Papier der Landesregierung ginge zudem hervor, dass die Bafögmittel, die die Ministerpräsidentin als "Stellschrauben" des Unihaushalts bezeichnet hatte, "schon verplant sind, bevor sie überhaupt zur Verfügung stehen". Dahlem fordert, dass alle zusätzlichen Mittel vom Bund komplett dem Globalhaushalt der Uni zugeführt werden.

Unter den Studenten wachse immer mehr die Wut darüber, dass für die Landesregierung "gute Argumente einfach nicht zählen", so Dahlem. Hinter ihr liegt eine Woche voller Proteste, die Asta-Vorsitzende wirkt müde. "Wir reden uns seit fast zwei Jahren den Mund fusselig und werden nicht gehört", so Dahlem. "Die Landesregierung fällt ihre Entscheidungen ganz offenbar nicht auf der Grundlage guter Argumente, sondern aufgrund von Einzel- und Lobbyinteressen." Von Endzeitstimmung oder Resignation könne aber keine Rede sein, wie sie betont. "Im Gegenteil, jetzt, wo uns mit dem Papier des Präsidiums die Folgen dieser Sparlast schwarz auf weiß vorliegen, haben wir die besten Argumente. Alle sehen, dass jetzt der Moment da ist, wo wir uns alle gemeinsam hinter unsere Uni stellen müssen." Bitter enttäuscht sei sie vom Unipräsidium: Es hätte entschiedener gegen die von der Landesregierung auferlegte Grundsparlast vorgehen müssen. "Angesichts dieser Sparlast hätte das gesamte Unipräsidium mit Rücktritt drohen müssen." Für die Konsequenzen der Kürzungen werde sich jedoch die Landesregierung verantworten müssen.

Obwohl die Ministerpräsidentin den Studenten keine Hoffnung gemacht habe, dass sich an der Grundsparlast noch etwas ändert, sei die Kampfbereitschaft ungebrochen. Dennoch bedauert Dahlem, dass das Thema bei vielen Studenten "immer noch nicht angekommen" sei. "Besonders Erstsemester haben häufig nichts mitbekommen, dabei werden sie am meisten betroffen sein."

Für Mitte Januar ist ein weiterer Protestzug gegen die Sparmaßnahmen zur Saarbrücker Staatskanzlei geplant. Die Initiative dazu sei diesmal von den Professoren gekommen. Dahlem hofft, dass sich der Demonstration nicht nur Wissenschaftler und Studenten, sondern auch Schüler, Eltern und die breite Bevölkerung anschließen. Vielen sei offenbar nicht klar, wer letztendlich am meisten darunter leiden würde, wenn die Hochschulen im Saarland "kaputtgespart" werden. "Wir Studenten, die Mitarbeiter und die Professoren der Uni können alle weggehen, aber die Uni bleibt hier im Saarland ."

Unipräsident und HTW-Rektor sehen viele Fragen offen

 Die Asta-Vorsitzende Charlotte Dahlem kündigte weitere Proteste an. Foto: Lorenz

Die Asta-Vorsitzende Charlotte Dahlem kündigte weitere Proteste an. Foto: Lorenz

Foto: Lorenz

Saarbrücken . Mit der Debatte über den Hochschulentwicklungsplan kommt ein zwölf Monate dauernder Diskussions-Marathon der Landesregierung und der Hochschulen zur Zukunft des Wissenschaftsstandorts Saarland auf die Zielgerade. Bis Mitte Februar soll aus dem Entwurf das endgültige Konzept erarbeitet werden, bevor im Frühjahr die Haushaltsverhandlungen mit der Saar-Universität und der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) beginnen. Uni-Präsident Volker Linneweber hat auf das Papier mit Stirnrunzeln reagiert. Er frage sich angesichts der vielen sehr detaillierten Vorgaben, welche Rolle der Universitätsrat noch haben solle. Zudem sei der Kontrast zwischen der Fülle der Erwartungen des Landes und den zur Verfügung stehenden Finanzen extrem.

HTW-Rektor Wolrad Rommel begrüßte die Fortschritte der vergangenen Monate in der Diskussion über die Kooperation in den Wirtschaftswissenschaften. Er sehe im jetzt vorliegenden Entwurf einen guten Rahmen. Bei den Details der Planung gebe es allerdings in mehreren Punkten noch Bedarf für Verbesserungen.

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