Dauerbaustelle ohne Masterplan

Saarbrücken · Angesichts eines Sanierungsstaus im dreistelligen Millionenbereich und eines immer kleineren Budgets für Bauprojekte steuert die Saar-Universität auf große Probleme zu. Zahlreiche Gebäude sind abrissreif und müssen dennoch weiter genutzt werden. Die Bau-Planung sei häufig konzeptlos und chaotisch, moniert das Unipräsidium – und fordert daher einen Masterplan für den Hochschulbau.

 Das marode, teilweise abgesperrte Gebäude C 5.3 ist die augenfälligste Bausünde auf dem Saarbrücker Campus. Doch laut Unipräsidium ist es nicht das größte Problem: Dramatischer seien die Zustände im Rechenzentrum und im Praktikumsgebäude der Pharmazie. Foto: Serra

Das marode, teilweise abgesperrte Gebäude C 5.3 ist die augenfälligste Bausünde auf dem Saarbrücker Campus. Doch laut Unipräsidium ist es nicht das größte Problem: Dramatischer seien die Zustände im Rechenzentrum und im Praktikumsgebäude der Pharmazie. Foto: Serra

Foto: Serra

Mehrere Gebäude an der Saar-Uni warten nur noch darauf, abgerissen zu werden. In sie wird seit Jahren kaum noch investiert. Ein Beispiel ist das alte Praktikumsgebäude der Pharmazie auf dem Saarbrücker Campus, ein zweistöckiger Bau aus den Siebzigerjahren. Auf einem Flachdach ist ein See entstanden, ausreichend Platz für zwei Karpfen. Knapp über dem Wasser hängt eine Leitung.

Gravierender sei aber die Situation im Inneren des Gebäudes, sagt Patrick Michels vom Amt für Arbeits- und Umweltschutz der Saar-Uni. Eine Gefahr für Leib und Leben bestünde nicht, doch die technische Ausstattung der Labore müsste dringend erneuert werden. Besonders Lüftungsanlage und Abzüge - von entscheidender Bedeutung, wenn Pharmaziestudenten mit hochgiftigen Gefahrenstoffen hantieren - seien hoffnungslos veraltet. Trotzdem wird das Gebäude weiterhin genutzt - denn ohne die Laborflächen müsste die Uni den gesamten Fachbereich Pharmazie dichtmachen, sagt Vizepräsident Roland Rolles.

Auch das Gebäude C5.3, ein paar Meter weiter, soll abgerissen werden. Schon seit Jahren schützen ein Bauzaun und Netze an den Balkons Passanten vor bröckelndem Putz. Dennoch hofft das Unipräsidium, dass der fünfstöckige Betonbau aus den Sechzigerjahren noch ein paar Jährchen hält. "Bis das angrenzende Gebäude C5.2 saniert ist, brauchen wir's noch", sagt Vizepräsident Rolles.

Obwohl die Saar-Uni Eigentümerin der Gebäude ist, ist sie bei Bauprojekten auf Genehmigungen des Landes angewiesen. Das beschleunige die Verfahren nicht, sagt Rolles. Seit Jahren mahnt die Universität die Sanierung von Gebäude C5.2 an - doch nichts passiert.

Noch dringender sei das Rechenzentrum - ein "Riesenproblem", marode und veraltet, von der Saar-Uni seit Jahren bemängelt. Weil es keine ausreichende Notstromversorgung gibt, breche bei einem Stromausfall alles zusammen. In den vergangenen zwei Jahren seien der Uni deshalb Forschungsdaten und Materialien im Wert von fast einer viertel Million Euro verloren gegangen. Auch hier sei noch nicht einmal geplant, dass etwas passiert, sagt Rolles. Denn ob die Sanierung eines maroden Gebäudes in den Bauhaushalt aufgenommen wird, sei häufig reine Glückssache, moniert die Uni-Leitung.

Solches Glück haben nun zum Beispiel die Pharmazeuten der Saar-Uni - mit Hochschulpaktmitteln will die Landesregierung ein neues Praktikumsgebäude auf den Campus stellen, damit das alte abgerissen werden kann. Ein Termin für den Baubeginn steht noch nicht fest. "Auch das hätte man bereits vor Jahren in Angriff nehmen müssen", sagt Rolles. "Beim jetzigen Praktikumsgebäude ist eine Nutzung eigentlich kaum noch vertretbar." Ähnliches gelte für etwa 15 weitere Gebäude der Saar-Uni, schätzt Rolles.

Die Ursachen all dieser Probleme sind vertrackt. Ihren Sanierungsstau beziffert die Saar-Uni auf 400 Millionen Euro, seit Jahren wird das Problem verschleppt. Etwa 33 Millionen Euro bräuchte die Hochschule jährlich allein für Sanierungen, sagt Roland Rolles.

Doch der Ansatz im Bauhaushalt beträgt 22 Millionen in diesem Jahr und 20 Millionen Euro in 2017. Etwa zwei Drittel davon fließen in Neubauten. Hinzu käme, moniert der Vizepräsident, dass auch Bauprojekte , die aus Hochschulpaktmitteln bezahlt werden, wie das Pharmaziegebäude, in den Landesbauhaushalt eingestellt wurden. Diese Mittel seien der Uni schon vor Jahren zugesagt worden. "Nun müssen wir sie in den Bauhaushalt zurückführen. Das ist für uns fatal", sagt Rolles.

Nur knapp acht Millionen Euro blieben am Ende jährlich für Sanierungen übrig, sagt Rolles. "Wenn dieser Doppelhaushalt die Marschroute für die nächsten Jahre vorgibt, können wir nach und nach die Lichter abschalten." Hinzu komme, dass auch viele bewilligte Projekte wegen komplizierter Zuständigkeiten in den Ministerien nicht verwirklicht werden. Etwa 45 Prozent des Budgets seien im Schnitt in den vergangenen Jahren gar nicht ausgegeben worden, sagt Rolles.

Aktuell seien zehn Prozent der Uni-Gebäude akut von einer Schließung bedroht. Das Präsidium sitzt in einer Zwickmühle, will einerseits auf die Missstände hinweisen, andererseits Forscher und Studenten nicht verunsichern. "Das ist eine Gratwanderung", sagt Rolles. "Wir wollen keine Massenpanik auslösen, und auch nicht, dass alle maroden Gebäude dichtgemacht werden."

Keine Lösung, aber eine Entschärfung des Problems könnte ein Masterplan für den Hochschulbau bringen. Geht es nach dem Präsidium, soll er Teil der Ziel- und Leistungsvereinbarungen mit dem Land werden. "Derzeit wird jede Maßnahme isoliert betrachtet", so Rolles. "Da kommt natürlich nur Chaos heraus."

Das Modell, das die Uni anstrebt, nennt sich Hochschulstandortsentwicklungsplanung (HSEP) und wird an vielen deutschen Hochschulen bereits seit Jahren umgesetzt. Dabei werden detaillierte Flächenbedarfs- und Nutzungsanalysen vorgenommen, so dass Uni und Land über Jahre planen können, wohin die Hochschule räumlich steuert. Der Zeitpunkt für einen solchen Masterplan sei perfekt, sagt Rolles. Angesichts des in den nächsten Jahren wegen der Sparmaßnahmen unvermeidbaren Rückbaus der Uni biete es sich an, die Landeshochschul- mit einer Hochschulstandortentwicklungsplanung zu verbinden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort