„Darunter wird die Lehre leiden“

Saarbrücken · Seit drei Monaten beschäftigt das Gutachten des Wissenschaftsrats zur Lage der saarländischen Hochschullandschaft Politiker und Akademiker. Auch die Studenten an der Universität des Saarlandes und der Hochschule für Technik und Wirtschaft sorgen sich um die Zukunft ihrer Lehranstalten.

An dem Gebäude der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Saar-Uni prangen Plakate mit der Aufschrift "Jura hier - sonst gehen wir" und "Willkommen in Rheinland-Pfalz". Mit einer Streichung des Jura-Studiengangs, wie ihn der Wissenschaftsrat vorschlägt, schneide sich das Saarland ins eigene Fleisch, glauben viele Hochschüler. "Die Studenten bringen Leben und Kaufkraft ins Saarland", sagt Madiha Rehman, die sich gerade auf ihr erstes Jura-Staatsexamen vorbereitet. Dass über die Schließung ihres Studiengangs debattiert wird, kann sie immer noch nicht glauben.

Drei Monate ist es her, dass der Wissenschaftsrat seine Vorschläge für eine Umstrukturierung der saarländischen Hochschulen veröffentlicht hat. Sparen könne das Land durch Kooperationen steht dort. Für einen Aufschrei der Empörung sorgte die Idee, die Wirtschaftswissenschaften der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und der Saar-Uni zu einer sogenannten Business School zusammenzulegen.

Die meisten Studenten fühlen sich von den anstehenden Veränderungen jedoch nicht betroffen. "Ich habe gehört, die Pläne einer Business School beträfen höchstens neue Studenten", sagt die Wirtschaftspädagogikstudentin Victoria Fariña. Sie hält den Vorschlag für "totalen Quatsch": "Beide Hochschulen in einen Topf zu werfen - darunter wird die Lehre leiden."

Julia Theis kennt beide Hochschularten aus eigener Erfahrung. Ihren Bachelor in BWL hat sie an der HTW gemacht, den Master macht sie nun an der Uni. "Hier taucht man tiefer in die Theorie ein, Studenten der HTW machen dagegen mehr Praktika in Unternehmen." Sie fürchtet, dass bei einer Fusion der Wirtschaftswissenschaften von Uni und HTW beide Seiten verlieren: "Beides hat seine Berechtigung. Eine Zusammenlegung könnte zu weniger Vielfalt in der Forschung führen." Die Psychologiestudentin Natalie Sers fürchtet um die Chancengleichheit: "An der HTW bekommen Leute, die aus der Praxis kommen, die Möglichkeit zu studieren. Wenn man das zusammenlegt, könnten die auf der Strecke bleiben", sagt sie. "Beim Fachabitur ist es viel leichter, einen Einserschnitt zu bekommen als beim Abitur. Das könnte wettbewerbsverzerrend sein", entwirft HTW-Student Mike Zawar das Gegen-Szenario. "Ich hätte Angst vor überfüllten Hörsälen", sagt Marc Girlinger, der an der HTW Wirtschaftsingenieurwesen studiert.

"Derzeit sind die Bedingungen mit etwa 40 Leuten in einer Veranstaltung sehr gut - an der Uni sind es manchmal 300", sagt sein Kommilitone David Feichtner. HTW-Student Daniel Brunner glaubt, dass eine Zusammenarbeit zwar der Forschung dienen, die Qualität der Lehre aber leiden könnte: "Die Professoren an der HTW kennen deinen Namen, können flexibel auf Probleme reagieren - das gibt es an der Uni nicht."

Auch engere Kooperationen etwa in der Mechatronik oder im Bereich Gesundheit sieht das Gutachten vor. Osamah Al-Zouba, der Biomedizintechnik an der HTW studiert, würde engere Kooperationen begrüßen: "Wer biomedizinische Hardware entwickelt, etwa Implantate, der muss sich auch sehr gut in Biochemie und Anatomie auskennen. Für uns wären Einblicke in die Humanmedizin, nur von Vorteil. Wir müssen etwa genau wissen, wie Nervenbahnen verlaufen."

Dafür an andere Unis zu pendeln, dazu sind viele Studenten jedoch nicht bereit. "Ich arbeite neben dem Studium, da wären Fahrten nach Trier oder Luxemburg einfach nicht zu schaffen", sagt die Psychologie-Studentin Tatyana Byelytska. Für HTW-Student Florian Ladwein käme das nur mit einem erweiterten Semesterticket in Frage. "Das ist dann aber wieder mit Kosten für das Land verbunden", argumentiert Psychologiestudent Philip Kronz.

Den Sparzwang spüre man bereits heute, findet Madiha Rehman. An Tutorien und AGs werde drastisch gespart. Musikmanagement-Student Jan Wolf beobachtet an seinem Institut "gewisse Umstrukturierungen". Eine Sekretärin sei plötzlich als Dozentin tätig. Auch Fariña sieht Einschnitte: "Die Mathe-Vorkurse für Wirtschaftswissenschaftler werden nicht mehr angeboten. Lächerlich, dass die da sparen."

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