Warnung vor Anstieg der Todeszahlen Forscher der Saar-Uni fordern schnellstmöglich strikten Lockdown

Forscher der Universität des Saarlandes fordern nach mehreren Simulationen verschiedener Corona-Szenarien schnellstmöglich einen strikten Lockdown.

Universität des Saarlandes: Prof. Thorsten Lehr hat ein Programm zur COVID-19 Modellierung und Vorhersage entwickelt.

Universität des Saarlandes: Prof. Thorsten Lehr hat ein Programm zur COVID-19 Modellierung und Vorhersage entwickelt.

Foto: Iris Maria Maurer/Universität des Saarlandes/Iris Maria Maurer

Forscher der Universität des Saarlandes haben verschiedene Lockdown-Szenarien simuliert. Sie zeigen, dass man in Deutschland die Infektionslage nur mit einem schnellstmöglichen strikten Lockdown wieder in den Griff bekommen kann. Die geplante Lockerung über Weihnachten bewerten die Forscher als problematisch, da sie flächendeckend die Infektionsrate wieder erheblich steigern würde.

Auch mit frühen Maßnahmen könne nicht mehr verhindert werden, dass bis Jahresende die Sterbezahlen auf 30 000 ansteigen werden. Nur ein flächendeckender und rascher Lockdown könne eine Verdoppelung der aktuellen Sterbezahlen bis Mitte Januar verhindern. „Nach einer Phase der scheinbaren Ruhe beobachten wir in den letzten Tagen wieder deutschlandweit einen deutlichen Anstieg der Covid-19-Infektionen. Dies könnte dazu führen, dass die Infektionslage aus dem Ruder läuft. Ohne weitere strikte Maßnahmen schon vor Weihnachten werden sich die Fallzahlen weiter erhöhen und im Januar zu mehreren Tausend zusätzlichen Corona-Sterbefällen führen“, warnt Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie der Universität des Saarlandes.

Lehr hat mit seinem Team und Forscherkollegen das mathematische Modell für für den Covid-Simulator entwickelt, der auf der Basis umfangreicher Daten präzise Vorhersagen für das gesamte Bundesgebiet liefert. „Wir haben zum einen durchgespielt, wie sich die Lage entwickeln könnte, wenn ab dem 14. Dezember ein Lockdown wie im vergangenen März stattfinden würde, man also auf Online-Unterricht an den Schulen umsteigen würde und nur noch lebensnotwendige Geschäfte und Einrichtungen wie Arztpraxen geöffnet ließe. Wir haben dann geschaut, wie sich Lockerungen über Weihnachten auswirken werden. In einer dritten Variante haben wir den harten Lockdown auf den 27. Dezember terminiert“, sagt Lehr.

Bei einem flächendeckenden Lockdown erst nach Weihnachten würde deutschlandweit der angestrebte Inzidenzwert von 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner im Schnitt der letzten sieben Tage frühestens gegen Ende Januar erreicht werden. Bis dahin würden sich die aktuellen Todeszahlen von bundesweit rund 20 000 nochmals mehr als verdoppeln. „Um dies zu verhindern, sollte der strikte Lockdown schon vor Weihnachten verhängt werden und auch die Lockerung über die Feiertage in Frage gestellt werden. Nur so können Tausende zusätzliche Covid-Sterbefälle vermieden und der 7-Tages-Inzidenzwert deutschlandweit bereits Anfang Januar erreicht werden“, erklärt Lehr.

Und die Forscher fordern ein koordiniertes Vorgehen: „Wir empfehlen zu Beginn bundesweit einheitlich vorzugehen, um einen Lockdown-Tourismus zu vermeiden und flächendeckend die angespannte Lage baldmöglichst zu entschärfen“, sagt Lehr. Der Saarbrücker Professor weist auch darauf hin, dass die beschriebenen Szenarien noch optimistisch gerechnet seien, da sie den Wiederanstieg der Fallzahlen der letzten Tage noch nicht umfassend berücksichtigten und ein harter und konsequent umgesetzter Lockdown angenommen wurde.

An dem Covid-19-Simulationsprojekt sind neben dem Team von Thorsten Lehr auch Forscher am Universitätsklinikum des Saarlandes beteiligt. Dazu zählen die Teams um Professorin Sigrun Smola und Dr. Jürgen Rissland am Institut für Virologie, und um Professor Thomas Volk und Professor Sascha Kreuer am Institut für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie.

Der Covid-Simulator erfasst nicht nur die Zahl der Coronavirus-Patienten, ihre stationäre Behandlung und die Todesfälle, sondern er betrachtet auch die vorhandenen Kapazitäten in den Kliniken. So können bundesweit und für einzelne Stadt- und Landkreise Vorhersagen getroffen werden, wie viele Krankenhausbetten, intensivmedizinische Plätze oder Beatmungsplätze für die jeweiligen Infektionszahlen benötigt werden.

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