Auszeichnung für Vorlesung Die Perle der Saar-Universität

Saarbrücken · Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft hat die Ethik-Vorlesung für Informatiker der Hochschule ausgezeichnet.

 Fruchtbare Zusammenarbeit: Informatik-Professor Holger Hermanns und Philosophie-Doktorand Kevin Baum (v.l.) haben die gut besuchte Vorlesung „Ethics for Nerds“ an der Universität des Saarlandes schon vor einigen Jahren gemeinsam ins Leben gerufen.

Fruchtbare Zusammenarbeit: Informatik-Professor Holger Hermanns und Philosophie-Doktorand Kevin Baum (v.l.) haben die gut besuchte Vorlesung „Ethics for Nerds“ an der Universität des Saarlandes schon vor einigen Jahren gemeinsam ins Leben gerufen.

Foto: Iris Maria Maurer

Wer trägt die Verantwortung, wenn ein selbstfahrendes Auto einen Unfall baut? Wie geht man damit um, dass eine an sich gute Technik auch zu schlechten Zwecken missbraucht werden kann? Diese und ähnlich Fragen stellen sich Informatiker und Philosophen – allerdings selten am selben Tisch. Die Vorlesung „Ethics for Nerds“, die an der Universität des Saarlandes seit dem Sommersemester 2016 angeboten wird, hat Moralphilosophie und Informatik zusammengeführt. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft erklärte sie zur Hochschulperle. Die Auszeichnung soll innovative Projekte deutscher Universitäten sichtbarer zu machen.

Um das Projekt an der Saar-Universität umsetzen zu können, hat sich der Informatikprofessor Holger Hermanns an Kevin Baum gewandt, der als Erster im Saarland einen Master-Abschluss in Philosophie und Informatik gemacht hat und nun als Doktorand an der Saar-Uni beschäftigt ist. Er hält den Großteil der Vorlesung. Im Sommersemester 2015 startete das Projekt mit dem Seminar „Ethik für Nerds“, war aber schnell ausgebucht. Als klar wurde, dass das Angebot von den Studierenden gut angenommen wird, wurde daraus die Vorlesung „Ethics for Nerds“, in englischer Sprache und ergänzt durch begleitende Übungen. Im vergangenen Sommersemester nahmen an der Vorlesung etwa 120 Studenten aus Bachelor- und Masterstudiengängen teil.

Ziel der Vorlesung sei es, so Kevin Baum, Informatiker auf ihre Aufgaben vorzubereiten und sie zu motivieren, sich in den öffentlichen Diskurs einzubringen. „Die Vorlesung ist am Puls der Zeit“, sagt Holger Hermanns. Für die behandelten Themen, die sich oft im Spannungsfeld von Freiheit, Privatsphäre und Sicherheit bewegten, gebe es immer aktuelle Beispiele. Eben diese Aktualität führe dazu, dass die Studenten sich für die Vorlesung begeistern, so Baum. Der Ausgangspunkt sei dabei zunächst aber meist ein anderer: „Die Studenten gehen oft mit der Haltung rein: Das ist nicht die Verantwortung von Informatikern, sondern die der späteren Arbeitgeber“, sagt Kevin Baum. Allerdings sei das ein Fehlschluss, denn die Probleme erkennen, könne letztlich nur der Informatiker und dieser trage damit auch gesellschaftliche Verantwortung.

Der Titel der Vorlesung, den der Stifterverband als „knackig“ bezeichnet hat, soll laut Hermanns auch öffentliche Aufmerksamkeit für das Thema schaffen. Im Duden wird ein Nerd als „sehr intelligenter, aber sozial isolierter Computerfan“ beschrieben; die Bezeichnung ist im Sprachgebrauch bisher eher abwertend gebraucht worden. „Die Wahrnehmung des Begriffes Nerds hat sich gewandelt. Mittlerweile ist der Nerd in der Mitte der Gesellschaft angekommen“, so Holger Hermanns. Kevin Baum ergänzt: „Wir leben jetzt in der Welt, die in den 1960er und -70er Jahren genau solche Leute im Silicon Valley angestoßen haben. Es sind die Nerds, die verstehen, wie die Welt heute funktioniert.“

Die Vorlesung ist laut Baum in drei Teile gegliedert. Zunächst gebe es eine Einführung in die Moralphilosophie. Es wird darüber geredet, welche moralischen Theorien es gibt. Es geht darum zu klären, „was ist moralische Verantwortung jenseits dessen, was jeder an Vorstellungen mitbringt“, so Baum. Zudem schaue man sich die ethischen Leitlinien verschiedener Verbände an, darunter die der Gesellschaft für Informatik. Die Leitlinien erklärten zwar, worauf man achten müsse, aber für die richtige Anwendung brauche es doch mehr. Darum gehe es zweiten Teil der Vorlesung anhand von konkreten und aktuellen Beispielen. „Da ergibt sich oft keine abschließende Antwort, sondern es werden verschiedene Argumente erarbeitet, die man danach abwägen kann“, sagt Kevin Baum. Im dritten Teil werde auf Grundlage des Gelernten beispielsweise darüber geredet, wie man autonome Fahrzeuge gestalten könnte und ob Roboter in bestimmten Bereichen Rechte haben sollten.

Einigkeit herrscht bei den beiden Forschern, dass wirkliche Herausforderungen oft die seien, die gesellschaftlich keine so große Aufmerksamkeit erfahren. „Die echten Probleme sind nicht der Terminator von morgen oder die Künstliche Intelligenz, die wegläuft, sondern vielmehr, dass wir aus Versehen ein System aus Algorithmen basteln, die sich gegenseitig stützen und von denen keiner mehr weiß, wie sie wirken“, so Kevin Baum. Ein großes Thema ist daher laut Holger Hermanns die Erklärbarkeit von Systemen. Baum pflichtet bei: „Die künstliche Intelligenz muss so programmiert sein, dass deren Empfehlungen und Entscheidungen nachvollziehbar und hinterfragbar sind. Maschinen als Träger von Verantwortung sind wahnwitziger Unsinn.“

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