Hier lernen Erwachsene lesen und schreiben

Regionalverband. "Mein Vorstellungsgespräch in der Fabrik lief gut, mit der Testschicht war der Chef zufrieden. Aber was passiert, wenn jemand merkt, dass ich die Arbeitsanweisungen auf dem Bildschirm nicht lesen kann? Dann wird es wieder nichts mit der festen Stelle." Das Beispiel ist erfunden

Regionalverband. "Mein Vorstellungsgespräch in der Fabrik lief gut, mit der Testschicht war der Chef zufrieden. Aber was passiert, wenn jemand merkt, dass ich die Arbeitsanweisungen auf dem Bildschirm nicht lesen kann? Dann wird es wieder nichts mit der festen Stelle." Das Beispiel ist erfunden. Doch so oder ähnlich geht es vielen Menschen, die nicht richtig lesen und schreiben können. "Funktionale Analphabeten" nennen die Experten sie. "Das sind Menschen, die zwar eine Schule besucht haben, die Buchstaben kennen und Wörter entziffern können, aber nicht in der Lage sind, den Sinn eines Textes beim Lesen zu erfassen", erklärt Mechtild Müller-Benecke. Die Diplom-Pädagogin unterrichtet im Zentrum Lesen und Schreiben der Volkshochschule (VHS) des Regionalverbands. Zu ihr kommen Erwachsene, die aus beruflichen oder privaten Gründen das nachholen wollen, was sie in der Schulzeit versäumten. Sieben Kurse gibt es im neuen Semester, los geht es bereits in dieser Woche. "Interessierte können sich jetzt noch anmelden, auch ein späterer Einstieg in einen Kurs ist möglich", so Müller-Benecke. Der große Vorteil der VHS-Kurse sei die Möglichkeit, offen mit seiner Lese- und Schreibschwäche umzugehen, ohne Angst haben zu müssen, für Fehler ausgelacht zu werden. "Jeder kann Lesen und Schreiben lernen", macht Mechtild Müller-Benecke Betroffenen Mut. Besucht werden die Kurse von ganz unterschiedlichen Menschen: "Zu uns kommen Berufstätige, die Panik bekommen, wenn sie eine Fortbildung besuchen sollen. Oder Leute, die nach einer Scheidung plötzlich niemanden mehr haben, der ihnen im Alltag beim Lesen der Post oder dem Ausfüllen von Formularen hilft", erzählt Müller-Benecke. Problemtisch sei für Arbeitslose die Finanzierung. "Die Arge zahlt die Kursgebühren in Höhe von 50 Euro pro Semester nicht mehr", berichtet Müller-Benecke. Hinzu komme das Fahrgeld zu den viermal wöchentlich stattfindenden Kursen. "Das können sich viele nicht leisten." Saarlandweit gibt es laut Müller-Benecke schätzungsweise 51 000 Analphabeten, im Regionalverband sind es rund 16 000. Im Rahmen des bundesweiten Projekts "AlBi" (Alphabetisierung und Bildung) sollen neue Angebote für Betroffene sowie Fortbildungen für Lehrende ausgearbeitet werden. "Dazu arbeiten Weiterbildungsträger und Universitäten zusammen", berichtet Mechtild Müller Benecke, die im Auftrag des Landesverbandes der Volkshochschulen im Saarland den Praxisteil des Projektes im Saarland betreut. Das Projekt AlBi ist im Oktober 2008 gestartet und läuft bis September 2011. rae Nähere Informationen zu den Kursen im Saarbrücker Zentrum Lesen und Schreiben, Bahnhofstraße 47-49, (Haus Douglas, 4. Etage), Tel. (0681) 93 89 389.

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