„Hier gehöre ich hin“

St Wendel · Es gibt nicht viele hauptamtliche Bürgermeister in Deutschland, die seit mehr als 30 Jahren im Amt sind. Einer von ihnen ist Klaus Bouillon. Er ist der dienstälteste Verwaltungschef im Saarland. Die Stadt ehrt ihn mit einer Feierstunde am heutigen Freitag.

 Beim Neujahrsempfang in diesem Jahr präsentierte Klaus Bouillon seine neueste Idee, die Kernsanierung des Freibades. Archivfoto: B&K

Beim Neujahrsempfang in diesem Jahr präsentierte Klaus Bouillon seine neueste Idee, die Kernsanierung des Freibades. Archivfoto: B&K

St. Wendel vor drei Jahrzehnten: Die Mott ist ein einziges großes Loch, in das die Tiefgarage gebaut wird. Autos quetschen sich links und rechts an der Basilika vorbei. So manches altehrwürdige Gebäude ist marode. Großveranstaltungen? Fehlanzeige.

In den vergangenen 30 Jahren hat sich viel getan in der Stadt, St. Wendel hat einen Namen über die Landesgrenzen hinaus. Maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung hat Bürgermeister Klaus Bouillon (CDU). 2013 ist der noch 65-Jährige 30 Jahre im Amt. Er ist einer der dienstältesten Verwaltungschefs in Deutschland. Die Stadt würdigt seine Leistung mit einer Feierstunde am heutigen Freitag in der St. Wendeler Sporthalle.

Drei Mal hat der Stadtrat den Christdemokraten Klaus Bouillon zum Bürgermeister gewählt, einmal gaben die Bürger ihr Votum ab. Bei der Direktwahl im Januar 2010 stimmten 85,1 Prozent für ihn, ein eindeutiger Vertrauensbeweis. Im November 2015 mit Vollendung des 68. Lebensjahres endet seine Amtszeit.

Von Amtsmüdigkeit ist bei Klaus Bouillon keine Spur. "Aus meiner Sicht kann mir nichts Besseres passieren, als hier zu sein", sagt er diese Woche im SZ-Gespräch im Rathaus: "Ich lebe für diese Stadt. Ich bin Bürgermeister mit Leib und Seele."

So plant er mit seinem Team 15 Großveranstaltungen im kommenden Jahr. "So viele wie noch nie", freut er sich. Das neue Rathaus im Häuserkomplex Colbus/Schaadt werde 2014 fertig, ebenso das Kulturzentrum in Hoof. Die Arbeiten für das neue Freibad laufen nach dem Winter an. "Auch müssen wir die Hallen sanieren, will ich noch zwei, drei Neubaugebiete erschließen." Arbeit gibt es also noch genug in den kommenden beiden Jahren.

Über Arbeitsmangel konnten sich der Bürgermeister und seine Mitarbeiter in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht beschweren. Viele Millionen Euro sind in die Modernisierung der Stadt geflossen, zahlreiche Einzelprojekte verwirklicht worden (siehe Beispiele im Infokasten). Ein Schwerpunkt im vergangenen Jahrzehnt war die Umgestaltung des ehemaligen Konversionsgeländes. 28 Millionen Euro hat die öffentliche Hand hier investiert, 62 weitere Millionen Euro Private. 65 Firmen mit 740 Mitarbeitern haben sich auf dem Konversionsgelände niedergelassen. Zu dem die Freizeiteinrichtungen wie Skaterpark, Rundweg, Golfplatz und Hallenbad gehören. Aktuell fließen zwölf Millionen Euro in die Umgestaltung des Häuserkomplexes Colbus/Schaadt gegenüber der Basilika. Eine Aufwertung der Fußgängerzone.

Vieles, was heute in St. Wendel selbstverständlich ist, war ursprünglich umstritten, manchmal gar umkämpft. "Die ersten zehn Jahre als Bürgermeister waren brutal", erinnert sich Bouillon. "Ich wollte die Stadt verändern. Die Menschen sollten mit Stolz sagen, ich bin aus St. Wendel." Bouillon wollte nicht nur verwalten, sondern gestalten. Den Rathausneubau in der Mott habe er gestoppt, zahlreiche Pläne geändert. "Damals gab es kein Geld für Veranstaltungen. Das Stadtmarketing habe ich mit meinem Team eigentlich erfunden", so Bouillon. Dabei habe er mit 35 Jahren nicht das Standing gehabt, nicht den Respekt wie heute.

"Du musst auch die Kraft haben, gegen Widerstände das durchzusetzen, von dem du überzeugt bist", sagt der Bürgermeister. Manchmal auch gegen Spott. So habe kaum jemand an den Golfplatz geglaubt, als er die Pläne vorstellte. Klaus Bouillon ist ein streitbarer Zeitgenosse. Immer dann, wenn er der Meinung ist, das Beste für seine Stadt herauszuholen. So bei der Müllentsorgung, dem Kläranlagenbau oder bei der Gründung der Stadtwerke. Wenn er von etwas überzeugt ist, dann verfolgt er das mit Hartnäckigkeit, kann er auf stur schalten. "Wenn ich das nicht wäre, wäre die Stadt nicht da, wo wir heute stehen", ist sich Bouillon sicher.

Natürlich könne auch mal etwas schief gehen. Bei der Planung von Veranstaltungen habe man nicht im Voraus gewusst, ob sie ankommen. Eines ist für den Bürgermeister aber klar: "Man muss erst einmal investieren. Sonst kriegst Du die Menschen nicht." Beim Weihnachtsmarkt zum Beispiel habe die Stadt viel Geld in die Hand genommen, um ein attraktives Programm anzubieten. Jetzt kommen die Menschen in Scharen. Für den passionierten Radfahrer sind die Veranstaltungen Stadtmarketing pur. St. Wendel werde bekannt gemacht, Tausende kommen. Bouillon: "Ich will, dass das Geld in der Stadt bleibt, die Leute hier Geld verdienen."

Klaus Bouillon ist nicht nur Bürger-, er ist auch Grillmeister. Keine Einweihung eines Gebäudes, keine Übergabe einer sanierten Straße, bei der er nicht Würstchen brät. Mit seinem Rathausteam. Ein Markenzeichen. "Ich mache das von Anfang an. Ich will so an die Leute kommen", sagt er. Und ergänzt: "Ich bin hier geboren, hier gehöre ich hin."

Das Grillen und die Großveranstaltungen sind das eine, die Kärrnerarbeit aber findet im Dienstzimmer im Rathaus statt. Ohne große Öffentlichkeit. Als Verwaltungschef. "Ich bin viel intensiver in den Themen drin, wie die Leute meinen", sagt Bouillon von sich. So lässt er sich regelmäßig über den Stand der verschiedenen Bauprojekte informieren. Auf seinem Tisch liegen diese Woche die aktuellen Finanzdaten, die Eckpunkte des Haushaltes 2014. "Du kannst eine Verwaltung nicht führen, wenn du nicht ständig nachfragst, am Ball bleibst", sagt der Bürgermeister. Wobei ihm bei seiner Arbeit seine Kenntnisse als Jurist zugute kommen: "Die Juristerei ist immer noch das A und O der öffentlichen Verwaltung."

Was aber treibt den Bürgermeister nach 30 Jahren Amtszeit noch an? "Du kannst viel bewegen. Du siehst bei meinem Job ganz konkret, ob etwas klappt. Das macht mir mit meinem Team einfach Spaß."

 30 Jahre: Klaus Bouillon 1983 und heute. Fotos: B&K/PAB

30 Jahre: Klaus Bouillon 1983 und heute. Fotos: B&K/PAB

 So kennen ihn viele von den Großveranstaltungen: Klaus Bouillon beim Stadtmarathon. Foto: B&K

So kennen ihn viele von den Großveranstaltungen: Klaus Bouillon beim Stadtmarathon. Foto: B&K

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Auf einen BlickDie vergangenen 30 Jahre Stadtentwicklung hat die Stadtverwaltung in einem Faltblatt dargestellt. Hier einige Eckpunkte:Stadtsanierung: 95 Prozent der Innenstadtfläche wurden saniert und modernisiert. Die privaten und öffentlichen Investitionen in der Kernstadt summieren sich auf rund 650 Millionen Euro. Seit 1983 wurden 1300 neue Häuser in der Stadt gebaut, die Anzahl der Wohnungen ist auf 13 000 gestiegen. Wirtschaft und Gewerbe: In den vergangenen 30 Jahren sind mehr als 800 neue Betriebe gegründet worden, zurzeit sind es 1151 in der Stadt. Die Zahl der Arbeitsplätze hat sich auf rund 15 500 verdoppelt, allein in der Kernstadt sind es etwa 10 000. In der Innenstadt gibt es rund 20 000 Quadratmeter Verkaufsfläche. Neue Industrie- und Gewerbegebiete sind in Oberlinxweiler, im Hungerthal, im Hottenwald und dem ehemaligen Kasernengelände entstanden.Dorferneuerung: In den Stadtteilen wurden 300 Millionen Euro investiert. 21 Dorfgemeinschaftshäuser wurden gebaut, umgebaut oder saniert, sieben Feuerwehrgerätehäuser errichtet, elf Dorfplätze gestaltet und 42 Neubaugebiete mit 1200 Baustellen geschaffen.Konversion: Investitionen von rund 90 Millionen Euro sind geflossen, 28 Millionen öffentliche und 62 Millionen private. 65 Firmen mit 740 Mitarbeitern haben sich dort niedergelassen. Freizeiteinrichtungen wie Skaterpark, Golfplatz, Hallenbad, Rundweg bilden den zweiten Schwerpunkt der Konversion. Tourismus: Um rund 25 Prozent sind die Übernachtungszahlen gestiegen. Allein 5000 Übernachtungen im Jahr gibt es durch den Golfplatz. Die Großveranstaltungen ziehen tausende Gäste an.Sport und Kultur: 21 deutsche Meisterschaften gab es in den 30 Jahren, fünf Europameisterschaften, sechs Weltmeisterschaften und zehn Welt-Cups. Der Förderverein für Sport und Kultur hat vier Millionen Euro an Sponsorengeldern bereitgestellt. Etwa eine Million Euro davon sind in die Vereinsarbeit und Nachwuchsförderung geflossen.Sozialpolitik: Seit 2005 finanziert die Stadt bis zu 25 Ausbildungsplätze im Jahr. Die Hallennutzung ist für Vereine kostenfrei, kostet die Stadt aber zwei Millionen Euro im Jahr. Bei den Müllgebühren hat St. Wendel durch die Müllabfuhr in Eigenregie bis heute rund sechs Millionen Euro eingespart. Geld, das die Bürger weniger zahlen müssen. Umweltschutz: 99 Prozent der Abwässer in der Stadt werden geklärt. In Kooperation mit dem Entsorgungsverband hat die Stadt 13 Kläranlagen gebaut und 65 Kilometer Kanäle verlegt. Kosten: 65 Millionen Euro. Quelle: Die Angaben sind dem Faltblatt "30 Jahre Stadtentwicklung St. Wendel" entnommen, herausgegeben von der Kreisstadt. red

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