Vom Unort zum Kulturort

Merzig · „Park der Andersdenkenden“, „Gustav-Regler-Zentrum“ oder auch „Haus am Münchberg“: Drei Bezeichnungen, ein Ort. Das Areal der ehemaligen Landesnervenklinik in Merzig wird heute für zahlreiche Kultur-Veranstaltungen genutzt.

 Grab im „Park der Andersdenkenden“. Foto: Traudl Brenner

Grab im „Park der Andersdenkenden“. Foto: Traudl Brenner

Foto: Traudl Brenner

Am Stadtrand von Merzig hinter dem heutigen Krankenhaus befindet sich ein besonderer Ort. Hier gibt es steil am Berg eine Kapelle und einen kleinen, alten Friedhof, dazu moderne Kunstwerke. Alles hier erinnert an "Andersdenkende" - an Menschen, die in dem früheren "Zentrum zur Betreuung psychisch Kranker" lebten. Benannt ist die Einrichtung aber auch nach Gustav Regler , dem saarländischen Schriftsteller und Querdenker. Das ganze Areal ist ein Beispiel dafür, wie aus einem "Unort" ein Ort der Erinnerung und der Kultur werden kann. Denn im Kapellchen - einst Sezierraum der damaligen Landesnervenklinik - finden seit 14 Jahren Kultur-Veranstaltungen statt.

In den 1860er Jahren entstand hier - damals noch weitab von Wohngebieten - die erste "Heil- und Pflegeanstalt für geisteskranke Menschen" im Regierungsbezirk Trier. Im August 1876 zogen die ersten Patienten ein. Sie arbeiteten in der zur Anstalt gehörenden Landwirtschaft. 1939 wurden die Kranken "abtransportiert": Viele von ihnen wurden umgebracht oder - wie es zynisch hieß - "entsorgt".

1951 wurden hier wieder 850 psychisch Kranke behandelt. Neubauten wurden nötig, Mitte der 1960er Jahre war die "Landesnervenklinik" mit 1250 Kranken - darunter auch psychisch kranke Straftäter - bereits ständig überbelegt.

Professor Wolfgang Werner, der 1978 die Leitung der Anstalt übernahm, brachte die Einrichtung auf den neuesten medizinischen Stand, führte zeitgemäße Heilmethoden und eine Tagesklinik ein. In den 1990er Jahren zog das Städtische Krankenhaus von der Merziger Innenstadt in die frühere "Nervenheilanstalt".

Hinter diesem Krankenhauskomplex liegt der "Park der Andersdenkenden". Im Park befindet sich das kapellenartige und zum Konzertsaal umgewandelte "Haus am Münchberg " - inmitten des alten Friedhofs der ehemaligen "Nervenheilanstalt". Es war die Idee des langjährigen Leiters der Merziger Psychiatrischen Kliniken, Professor Wolfgang Werner, das Areal zu einem Ort der Erinnerung und der Kultur zu machen. Der damalige Chef des Villeroy & Boch-Archivs, Franz Büdinger, unterstützte Werner bei dem Vorhaben. Der Verein "Gustav-Regler-Zentrum zur Förderung der Kultur und Toleranz" wurde gegründet, die kleine Halle vorsichtig zum Konzertsaal und zum Ort für Veranstaltungen und Lesungen umgestaltet. Viele saarländische Künstler beteiligten sich bei der Umgestaltung des Areals und steuerten Arbeiten bei. Sie stammen etwa vom diesjährigen Saarland-Kunstpreisträger Werner Bauer, von Lukas Kramer, Eberhardt Killguss und Paul Schneider. Auf dem Friedhofsgelände gibt es hier und da aber auch noch Grabsteine und kleine Kreuze. Und der Blick geht weit über das Saartal.

Lange wurden hier an jedem Totensonntag Konzerte mit Kompositionen von im Dritten Reich ermordeten Komponisten veranstaltet. Die Besucher kamen aus dem Saarland und aus Rheinland-Pfalz. Sie gingen meist erst im "Park der Andersdenkenden" spazieren und anschließend in die Kapelle, um die Konzerte zu hören.

Inzwischen ist Wolfgang Werner längst pensioniert. Sein Nachfolger als Leiter der Merziger Psychiatrie , Martin Kaiser, hat die Betreuung des "Parks der Andesdenkenden" übernommen und organisiert vor allem in den Sommermonaten zahlreiche Veranstaltungen. Auch für den kommenden Sommer ist wieder einiges in Vorbereitung. Angestrebt wird etwa eine Zusammenarbeit der Merziger mit dem St. Wendeler Adolf-Bender-Zentrum. Im alten Krankenhausteil der heutigen Klinik gibt es zudem ein "Museum der Andersdenkenden": das Psychiatrie-Museum.

Anfahrt zum Klinikum Merzig in der Trierer Straße 148: In Merzig den Hinweisschildern "SHG-Kliniken" folgen.

Zugang zum Park: Auf der Straße am Zentralgebäude der SHG-Klinik vorbeifahren und einem entsprechenden Hinweisschild zum Park der Straße bergan folgen.

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