Ohne „Grumbeere“ geht kaum etwas

Saarbrücken · Die kulinarischen Ansprüche einer Region lassen sich auch anhand der Küchentradition ablesen. An der Saar gibt es landestypische Gerichte und Rezepturen in ungewöhnlich großer Zahl. Geboten wird überwiegend deftige Hausmannskost.

 Dibbelabbes (links) und Hoorische (rechts) gehören zu den Klassikern der Saar-Küche. Fotos: T. Reinhardt

Dibbelabbes (links) und Hoorische (rechts) gehören zu den Klassikern der Saar-Küche. Fotos: T. Reinhardt

Was dem Kölner sein "Halver Hahn" oder "Himmel un Ääd", sind dem Saarländer seine "Geheirade" oder "Hoorische". Eben Gerichte, unter denen sich Auswärtige nichts vorstellen kann, weil die Mundart-Bezeichnungen ohne das nötige "Insiderwissen" keine Rückschlüsse darüber zulassen, um welche Köstlichkeiten es sich dabei handelt.

Dass in unserer Region die Kartoffel meist eine wesentliche Rolle bei den tradierten Rezepturen der deftigen Hausmannskost spielt, dürfte als erster Hinweis sehr hilfreich sein. Die "Grumbeere" waren über die Jahrhunderte neben dem unabdingbaren Mehl so etwas wie ein Grundnahrungsmittel. Weil sie im Garten oder auf den Feldern billig und einfach zu kultivieren waren und dank ihrer reichlichen Kohlenhydrate nicht nur satt machten, sondern auch reichlich Energie lieferten für die schwere Arbeit in der Landwirtschaft und später auf den Hütten oder Gruben. Was auf oder im Herd brutzelte und heute die authentische Saar-Küche ausmacht, war letztlich nichts anderes als eine einfache Arme-Leute-Kost, die lediglich saisonalabhängig durch Gemüse wie Zwiebeln, Lauch, Weißkohl oder Bohnen, Salat (Besonderheit: Löwenzahn) sowie Obst aus dem eigenen Garten aufgewertet werden konnte.

Fleisch war kostbar und wurde daher, wenn überhaupt, nur am Sonntag oder in rauen Mengen am Schlachttag verzehrt. Lediglich Speck konnte zuweilen genutzt werden, um in einer Liaison mit Sahne diversen Kartoffelgerichten einen tüchtigen, kalorienreichen Saucennachschlag zu verpassen.

Etwas verwunderlich ist es, dass sich unter den kulinarischen Saar-Klassikern keine einzige Fisch- oder Krustentier-Zubereitung findet. Denn bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren die Gewässer beispielsweise reichlich mit heimischen Flusskrebsen bestückt. Die hätte man problemlos fangen können, ebenso wie einen der vielen Zander, Aale, Rotaugen oder Barsche. Aber eine Rezeptur wie Zander in Rieslingsauce, wie es sie an der Mosel als regionale Spezialität seit jeher gibt, hat sich an der Saar nicht durchgesetzt. Aber hier zu Lande gab es halt auch keine Henriette Davidis, die ihren Geschlechtsgenossinnen selbst Fisch-Zubereitungen in ihrem "Praktischen Kochbuch" von 1845 garantiert schmackhaft gemacht hätte. Auf ein eigenes Kochbuch musste das Saarland damals noch lange warten.

"Himmlische Gefillde"

Um die Krone der beliebtesten Saar-Gerichte, wenn man Schwenker oder Lyoner mal gänzlich außen vor lässt, pflegen sich Gefillde, Geheirade, Hoorische oder Dibbelabbes zu streiten. Bei allen dreht sich alles um die Grumbeere. Bei den Gefillde (auch schon mal Gefillde Knepp oder in einer länglichen Variante Stracke genannt) werden die aus rohen und gekochten Kartoffeln hergestellten Klöße mit einer Mischung aus Schweine- oder Rinderhack sowie Blutwurst gefüllt und traditionell auf Sauerkraut mit Specksahnesauce angerichtet. In früheren Zeiten waren Gefillde wegen der Fleischfüllung so etwas wie ein Festtagsessen, bei dem der glückselige Ausspruch der Schlemmer "Oh himmlische Gefillde" keinerlei religiösen Hintergrund hatte.

Enge Verwandtschaft besteht zu den Hoorischen, die nichts anderes sind als länglich aus rohen Kartoffeln geformte Gefillde ohne Fleischfüllung, die auf den Tisch kamen, wenn kein Fleisch zur Verfügung stand. Die gängige Beilage, Sauerkraut und Specksahnesauce, ist die gleiche. Der Name bedeutet wörtlich "Haarige" und spielt auf die raue Oberfläche der Klöße an, die zuweilen auch Grumbeer-Spatze genannt werden.

Der Ursprung des Namens Geheirade, einem schlichten, billigen, sättigenden Alltagsessen, ist nicht gänzlich gesichert. Aber vermutlich wird damit auf die Vermählung von Mehlklößen und Salzkartoffeln angespielt, die zusammen in eine großen Schüssel gefüllt und mit einer Speckrahmsauce übergossen werden. Als Beilage wird traditionell Bettsääschersalad (Löwenzahnsalat) oder alternativ Feldsalat gereicht.

Beim Thema Dibbelabbes (mundartlich für Topflappen) kann man sich schnell auf kulinarisches Glatteis begeben, wenn man ihn mit Schales (wohl abgeleitet von der großen Schale, in die die Kartoffelmasse eingefüllt wird) gleichsetzt. Denn da kennen die Experten kein Pardon. Was die Zutaten betrifft, so sind die Unterschiede bei beiden Sorten von Kartoffelkuchen nicht sonderlich gravierend. Allerdings bestehen manche Puristen im Großraum Neunkirchen darauf, dass ihr Dibbelabbes nur aus Kartoffeln und Zwiebeln ohne die weiteren Zutaten Lauch und Dörrfleisch (Bauchspeck des Schweins) in einer großen Pfanne oder einem Bräter auf dem Herd gegart wird. Damit ist man auch schon bei dem existenziellen Unterschied zwischen Dibbelabbes und Schales angekommen. Denn Schales erhält seine knusprige Kruste im Backofen, während Dibbelabbes auf der Herdplatte in einer schweren Pfanne unter ständigem Wenden gegart wird. Als Beilage erfreuen sich Apfelmus, Speckrahmsauce oder Endiviensalat großer Beliebtheit.

Neben diesen vier Kartoffel-Klassiker-Gerichten gibt es natürlich auch noch die Grumbierkiechelcher, die andernorts als Kartoffelpuffer oder Reibekuchen bekannt sind und an der Saar traditionell mit Schnibbelches Bohnesupp (mit in schmalen Streifen geschnittenen grünen Bohnen) serviert werden. Beliebt bei vielen Genießern sind Schneebällchen (aus Kartoffeln und Mehl), die als Beilage zu deftigen Fleischgerichten gereicht werden. Die Gequellte (Pellkartoffeln), auch Pellemännesjer oder Quellesjer genannt, sind ebenso wenig zu vergessen wie Blechgrumbiere, Kerschdscher (Kärschdscher) oder Gebrodne (Bratkartoffeln), Gereeschde (Röstkartoffeln), Owegeleehde (auf der Ofenplatte gegarte Kartoffelscheiben), Rahmkartoffeln (Bigamell), warmer Grumbeersalat mit Speck oder die legendäre saarländische Grumbeersupp.

Als Suppe mindestens genauso beliebt ist die schon genannte Schnibbelsches Bohnesupp, zu der gerne frischer Quetschekuche (Blechkuchen aus Hefeteig) aufgetragen wird, oder auch die traditionelle saarländische Gemüsesuppe namens "Quer durch de Gaade", in deren klarer Brühe so ziemlich alles schwimmen kann, was der Gemüsegarten saisonal gerade hergibt.

Nobler Löwenzahnsalat

Bei den Salaten ist der Bettseichersalat eine ursaarländische Spezialität, die inzwischen sogar als nobler Löwenzahnsalat in die Top-Gastronomie Einzug gehalten hat. Der Name leitet sich von der harntreibenden Wirkung des Löwenzahns ab. Speck oder Dörrfleisch müssen einfach mit dabei sein, und Kerschdscher oder Krachelscher (Croutons) peppen das Ganze noch zusätzlich auf.

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